„In Zeiten wie diesen“ – dieser immer wiederkehrende Verweis auf den Ausnahmezustand der Wirtschaft zog sich wie ein roter Faden durch das Messegeschehen. In dieser „nie dagewesenen Situation“ hätten österreichische Unternehmen bislang vernünftig und umsichtig reagiert, befanden die Diskussionsteilnehmer des traditionellen AMS-Expert-Talk zum Messeauftakt. „Die Folgen sind noch nicht so schlimm, weil zunächst Export und Sachgüterproduktion betroffen waren, die traditionell auf Schwankungen vorbereitet sind“, erklärte Dr. Ulrich Schuh vom Institut für Höhere Studien Wien. Zudem stünden viele Unternehmen noch unter dem Eindruck des Fachkräftemangels, der sich während des außergewöhnlichen Wachstums bis 2008 in „gewissen Segmenten des Arbeitsmarktes“ abzeichnete, bemerkte Mag. Christian Havranek. „Sie haben verstanden, dass es um Humankapital und Kompetenzen geht“, erklärte der Partner von Deloitte Human Capital.

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Foto von Mimi Thian

„Wir haben alle Möglichkeiten genutzt – von der Kurzarbeit bis zum temporären Gehaltsverzicht durch ‚unpayed leave‘, also Sonderurlaub“, bekannte Mag. Christiana Zenkl, HR-Leiterin von Infineon Österreich. Obwohl sie viele Hebel in Bewegung gesetzt habe, die noch keinen Personalabbau beinhalteten, seien auch Freisetzungen unumgänglich geworden. Der Stellenabbau habe dabei vor allem niedriger qualifizierte Mitarbeiter betroffen. „Die Krise hat bei uns einen beschleunigten Strukturwandel initiiert: die Konzentration auf den höher qualifizierten Bereich. Unsere Akademiker-Quote hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt“, erklärte die HR-Managerin. Zur Wahrung der innerbetrieblichen Sozialpartnerschaft bei der Restrukturierung sei eine offene und direkte Kommunikation vonnöten. „In solchen Phasen ist der Dialog Erfolgskriterium“.

„Jede Krise beschleunigt die Strukturanpassung. Niedrigqualifizierte Jobs werden kaum noch angeboten“, bestätigte Dr. Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice. Als bester und letztlich einziger Schutz vor Arbeitslosigkeit müsse Qualifizierung im Interesse aller sein. Das verstärkte Angebot im Bereich Weiterbildung und Training und die große Aufmerksamkeit für das Thema Personalentwicklung beim Messe-Duo zeigte, dass viele Unternehmen diese Einschätzung teilen. „Wir haben gerade jetzt Mitarbeiter zu Zusatzausbildungen ermuntert, bestätigte Mag. Christiana Zenkl diesen strategischen Ansatz für Infineon. „Schließlich gibt es auch ein danach.“

Tatsächlich gehören Anbieter von Aus- und Weiterbildungsprogrammen zu den Gewinnern der momentanen Wirtschaftslage. „Ich merke keine Krise, sondern eine gestiegene Nachfrage. Das Verständnis dafür, sich selbst zu entwickeln, ist gewachsen“, erklärte Dr. Werner Vogelauer von der Trigon Entwicklungsberatung in der Podiumsdiskussion des Österreichischen Dachverbandes für Coaching, ACC. Mag. Elfriede Konas von Konas Consulting verzeichnet ebenfalls eine gestiegene Akzeptanz und Nachfrage für Coaching-Angebote, allerdings mit einer deutlichen Themenverschiebung: „Die Tabuisierung von Arbeitsüberlastung und Burn-out nimmt ab, damit steigt der Bedarf nach Coaching in diesem Bereich.“ Führungskräfte suchten derzeit verstärkt Unterstützung, um die Trennung von Mitarbeitern zu überstehen, auch würden Frauenförderprogramme zunehmend mit Coaching kombiniert.

In der Rolle des Coachs sähen Mitarbeiter auch gerne die Personalabteilung. Das bestätigte unter anderem eine Blitzumfrage von Manpower zu der Frage „Wozu brauchen wir Personalabteilungen“. „Auffallend war die häufige Nennung von Mitarbeiterberatung, also die Vertrauensposition der Personalabteilung. Mitarbeiter möchten sich mit allen möglichen, auch persönlichen Fragen, an sie wenden können“, erklärte Mag. Andrea Lehky, Marketing- und Projektleiterin bei Manpower.

In der Realität sieht das allerdings noch anders aus. „Personalisten sind als Verrechner und Exekutoren angesehen. Das ist archaisch. Sie sind keine Kommunikatoren oder Coachs“, bedauerte Prof. Helmut Mayer in der Podiumsdiskussion „Blockierte Leistungspotenziale“ des HRM Research Institute. Der selbstständige Unternehmensberater, bis 2008 Finanzvorstand der Allgemeinen Baugesellschaft – A. Porr AG, sieht im Vertrauen eine „Zukunftsversicherung“, die bei einem schlechten Stand der Personalabteilung nicht gegeben sei. Arbeitsplatzforscher Dr. Thomas M. Schneidhofer von der WU Wien gab zu bedenken, dass Mitarbeiter nach dem Verlust der Stammplatzgarantie im modernen Arbeitsleben nicht mehr emotional an das Unternehmen gebunden seien und deshalb eine „resignative Schonhaltung“ einnehmen. Ohne Transparenz in den Entscheidungen fühlten sich die Verbliebenen „wie Treibgut im organisatorischen Sumpf, die beim nächsten Wasserfall untergehen“, warnte er.

Der Beruf des HR-Managers mache auch in Zeiten wie diesen noch Spaß, versicherte hingegen Dr. Rupert Dollinger. Personalentwicklung und Leadership-Development fänden schließlich auch in der Krise statt. Allerdings sei Standvermögen vonnöten: Wer Everybody’s Darling sein möchte, sollte sich eine andere Aufgabe suchen“, erklärte der Konzernpersonalchef der Ersten Bank in der Podiumsdiskussion des Magazins personal manager zum Thema „Karriere Im Personalwesen“. Personalisten müssten den Umgang mit unterschiedlichen Charakteren lieben, sich aber auch mit Zahlen auskennen, so Dr. Dollinger. „Die Kunst ist kein entweder – oder, sondern beides, den Sinn für Zahlen und Menschenliebe zu vereinen.“

Personalmanager benötigen in jedem Fall ein sicheres Gespür für die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter. Der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR), um den sich das diesjährige WIFI-Bildungsgespräch drehte, soll die Einschätzung von Zeugnissen und damit die Vorauswahl in Bewerbungsprozessen erleichtern. „Wir wollen eine völlig neue Betrachtungsweise auf Bildung legen“, erklärte Mag. Thomas Mayr vom ibw, Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft. Bei der achtstufigen Klassifizierung im EQR werde ausschließlich darauf geachtet, welche Fähigkeiten und Kenntnisse eine Ausbildung vermittle. Dr. Michael Landertshammer, Institutsleiter des WIFI Österreich, sieht in der europäischen Qualitätsnorm eine „große Chance“, mit der grundsätzlichen Bevorzugung akademischer Ausbildung aufzuräumen und somit die Attraktivität von nonformaler Weiterbildung und lebenslangem Lernen zu erhöhen. Die Einführung des EQR ist in Österreich für 2012 geplant.

Eine durchweg positive Bilanz für den HR-Gipfel in Wien zog Projektleiterin Natascha Hoffner vom Veranstalter spring Messe Management. „Auch in Krisenzeiten hat das Personalwesen keine Auszeit, das haben die Messen eindeutig gezeigt“, erklärte die Projektleiterin. Eine wichtige Neuerung im nächsten Jahr steht schon jetzt fest: Die Personal Austria und die Professional Learning beziehen im Jahr 2010 zu vorgezogener Zeit einen neuen Ort. Nächster Termin ist am 22. und 23. September 2010 im Messezentrum Wien.

Weitere Informationen zum HR-Gipfel sind unter www.personal-austria.at und www.professional-learning.at zu finden.