00:00:06


Henner Knabenreich

Alexander Petsch: Glückauf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM-Hacks, präsentiert von digital-recruiter.com, dem Online-Weiterbildungsportal für Recruiterinnen und Recruiter unter www.digital-recruiter.com könnt Ihr mehr über die Ausbildung zur Recruiting Managerin erfahren. Mein Name ist Alexander Petsch, ich bin der Gründer des HRM Instituts. In unserer heutigen HRM-Hacks-Folge spreche ich mit Henner Knabenreich über das Thema „Hacks für die Karriereseite“. Henner kenne ich schon etliche Jahre. Wir haben schon rauschende Feste zusammen organisiert, unter anderem die HR-Night in Köln. Das hat immer riesig Spaß gemacht. Henner ist Blogger mit Personalmarketing2Null, bestimmt einer der meistgelesenen oder meistbeachteten HR- und Recruiting-Blogs in Deutschland. Und mit Knabenreich Consult berät er Unternehmen bei der Optimierung der Candidate Journey und  Optimierung ihrer Karriereseiten. Neben einem Buch über Google for Jobs, über das wir in einer vorangegangenen Podcastfolge gesprochen haben, hat Henner auch ein Buch zum Thema Karriereseiten geschrieben. Henner, herzlich willkommen!

00:01:41


Henner Knabenreich: Danke, Alexander, dass ich ein weiteres Mal dabei sein darf. Freut mich sehr!

00:01:47


Alexander Petsch: Gibt es noch andere Bücher über Karriere-Webseiten?

00:01:50

Henner Knabenreich: Nein, es gibt immer irgendwo irgendwelche Kapitel, die ich dann teilweise selber beigesteuert habe. Das ist verrückt, aber nein.

00:02:02

Alexander Petsch: Also, Du bist der Bestsellerautor für Karriere-Webseiten weltweit (lacht). Wenn das keine Kernkompetenz für einen HRM-Hacks-Podcast ist, dann weiß ich auch nicht. Warum brauche ich denn überhaupt eine Karriere-Webseite, wenn ich doch die Jobbörsen dieser Welt füttern kann?

00:02:22


Henner Knabenreich: Na ja, zum Beispiel deshalb, weil so eine Stellenanzeige in der Jobbörse maximal 30 Tage online ist – manche locken auch mit 60 Tagen – und du dann möglicherweise viel Geld für eine Verlängerung investierst und dann letztendlich wirklich nur 30 Tage als Arbeitgeber präsent bist und die restlichen 335 Tage eines Jahres bist du nicht präsent. Und mit so einer Karriereseite bist du halt dauerhaft präsent und wirst dauerhaft als Arbeitgeber wahrgenommen. Das ist das eine. Das andere ist, wenn ich keine Karriereseite habe, bewerben sich halt viele nicht, weil es als unprofessionell wahrgenommen wird.

00:03:14


Alexander Petsch: Ich würde es ein bisschen anders zusammenfassen. Für mich ist die Karriereseite die Homebase für das ganze Thema Bewerbung und Karriere. Die Stellenanzeigen und einzelnen Jobs auf meiner Karriereseite sind dann die Sub-Landingpages. Aber Karriere-Webseite ist doch Pflicht.

00:03:36


Henner Knabenreich: Ja, natürlich ist Karriere-Webseite Pflicht. Das hast Du sehr schön auf den Punkt gebracht. Auf der einen Seite ist es natürlich der Recruiting-Hub, hier starten die Bewerbungen. Aber hier ist letztendlich auch der Bereich, wo ich mich als potenzieller Bewerber informieren kann über den Arbeitgeber. Es ist auch ein Stück weit meine Visitenkarte als Unternehmen. Und je nachdem, wie ich mich da präsentiere, sowohl inhaltlich als auch technisch, entscheidet sich der Kandidat, ob er sich da bewirbt oder nicht.

00:04:15


Alexander Petsch: Meine Karriere-Webseite kann für mich auch SEO-mäßig das ganze Jahr über entscheidend sein.

00:04:22

Henner Knabenreich: Das kommt noch dazu, klar. Natürlich spielt die Karriere-Webseite immer noch eine riesengroße Rolle. Was SEO angeht, kann ich natürlich dann relevante Themen spielen, wenn ich mich darum kümmere, dass sie optimiert ist. Aber ein großes Pfund, mit dem Karriereseiten bisher immer wuchern konnten, waren ja die Jobs, wenn ich die entsprechend aufbereitet hatte, damit die gefunden werden. Diesen Teil hat Google for Jobs quasi ein bisschen obsolet gemacht.

00:04:58


Alexander Petsch: Was wären denn die ersten Tipps oder Hacks zum Thema Karriere-Website, mit denen Du starten würdest?

00:05:05


Henner Knabenreich: Also der wichtigste Hack, das klingt jetzt natürlich total profan, ist eine eigene Karriereseite zu haben. Damit fängt es ja an. Und dann diese Karriereseite so auffindbar zu machen, dass sie von Menschen gefunden werden kann, die nicht auf der Suche nach einem Job sind. Warum ist das so? Es ist immer wieder spannend zu sehen, dass viele Karriere-Webseiten von den Blicken neugieriger Bewerber gut versteckt werden, zum Beispiel im Footer. Das ist der beliebteste Ort, eine Karriere-Webseite zu verstecken: Oder aber unter dem Menüpunkt wie „Über uns“ oder „Das Unternehmen“ oder so. Das heißt, der Karrierebereich ist nur für die zugänglich, die explizit danach suchen. Wenn Sie auf Unternehmenswebseiten suchen.

00:06:01


Alexander Petsch: Also, Hack Nummer zwei oder drei ist Karriere-Website, Hauptnavigation, Jobs und Karriere. Und nicht irgendwo im Footer oder in einem Untermenü versteckt.

00:06:13


Henner Knabenreich: Genau. Am besten sogar unter „Jobs und Karriere“. Wir haben Anfang des Jahres eine Umfrage gemacht, haben 4400 Bewerbende und Jobsuchende gefragt, was für sie an einer Karriereseite wichtig ist. Und haben da unter anderem zwei Dinge abgefragt, wo sollte idealerweise der Menüpunkt sein? Natürlich in der Hauptnavigation. Zweitens ist „Jobs und Karriere“ tatsächlich das, was bevorzugt wird. Eine Karriereseite ist halt einfach eine Webseite und es gibt Usability-Regeln, die selbst von den Agenturen mit Füßen getreten werden. Aber egal. Und die goldene Regel heißt Don't make me think! Also, ich muss eine Webseite intuitiv erfahren können. An was denke ich beim Begriff „Jobs“?

00:07:08

Alexander Petsch: Stellenanzeigen, Jobs, Karriere.

00:07:11


Henner Knabenreich: Primär denke ich an Jobs. Also, wenn ich auf den „Jobs“-Button klicke, dass ich dann Jobs angezeigt bekomme. Karriere ist jetzt so eine Sache. Der Begriff Karriere ist so ein bisschen aus der Mode gekommen. Ich bin ja ein bisschen älter als Du, aber auch Du hast noch eine andere Auffassung vom Begriff Karriere. Die wollen Karriere machen, wollen etwas werden, die Leiter hochklettern. Gerade in den jüngeren Generationen ist das gar nicht mehr so das Thema. Nichtsdestotrotz ist Karriere ein gelernter Begriff. Manche Unternehmen fangen dann an zu schwurbeln und denken sich irgendwas aus, wie man so einen Menüpunkt besser benennen könnte. Aber es fällt nicht auf. Aber Karriere, das habe ich gelernt, das schlummert in irgendwelchen Hirnwindungen. Das ist wie ein Trigger. Karriere? Ah, ok. Warum sollte denn der Karriere-Button möglichst prominent platziert sein? Wir müssen da noch mal unterscheiden bei der Jobsuche zwischen aktiv Suchenden, die sich explizit auf Jobsuche sind, und den passiv Suchenden. Passiv Suchender ist eigentlich ein blöder Begriff, wir nennen es aber mal so.

00:08:31


Alexander Petsch: Karriere ist das Schlagwort für die passiv Suchenden.

00:08:35


Henner Knabenreich: Genau. Aber es ist ja so, ich bin in meinem Job und viele Menschen, das zeigen unterschiedliche Studien, sind nicht unbedingt zufrieden im Job. Gerade Corona hat gezeigt, dass eine hohe Wechselbereitschaft besteht, weil festgestellt wurde, was für ein Saftladen das eigentlich ist. Weil Führungskräfte noch schlechter funktioniert haben als sowieso schon, weil sie dann alles remote machen mussten. Das heißt, es ist eine latente Unzufriedenheit oder eine latente Wechselwilligkeit da. Diese latente Wechselwilligkeit muss ich mir als Recruiter in einem Markt, in dem ein Mangel an Fachkräften herrscht, natürlich zunutze machen. Also setze ich Impulse für Menschen, die eigentlich gar nicht explizit auf Jobsuche sind, aber empfänglich dafür. Das heißt, wenn ich jetzt zum Beispiel auf die Webseite der Telekom oder der Deutschen Bahn gehe, weil die natürlich sehr präsent, sehr prominent sind. Und es nutzen ganz viele Menschen die Website der Bahn, die hat mehrere Millionen Klicks im Monat, wohlgemerkt im Monat. Und die Bahn sucht beispielsweise händeringend Lokführer, und zwar Jahr für Jahr und immer mehr. Und das ist ein sauschwieriger Markt. Vakanzzeiten für Lokführer sind 169 Tage, eine der höchsten Vakanzzeiten überhaupt. Wäre es nicht naheliegend, den Job des Lokführers, der aufgrund von Streiks und so ein bisschen negativ behaftet ist, einfach ein bisschen prominenter zu platzieren? Gehe mal auf die Bahn-Seite und suche den Karriere-Button. Du wirst ihn ganz unten im Footer finden, versteckt zwischen Datenschutzbestimmungen, Bahn-Shop und Kontakt. Also wirklich, unauffälliger kann man den Karriere-Button nicht platzieren! Das ist etwas, das ich nicht nachvollziehen kann. Die Bahn macht ja auch so Bewerber-Castings, lädt dann Leute ein, schmeißen Postwurfsendungen in Briefkästen. Vor zwei Jahren bekam ich eine Postkarte von der Bahn, habe mich gefreut: Einladung zum Bewerber-Casting in Koblenz, wo ich gerne hingegangen wäre, hatte leider keine Zeit. So etwas macht die Bahn. Aber dort auf sich als Arbeitgeber aufmerksam machen, wo Millionen Menschen sind im Monat, da passiert gar nichts. Und gerade da könnte ich die abholen. Und dann ist es wurscht, ob ich die Bahn oder Max Müller Maschinenbau bin, weil jeder Besucher meiner Webseite ist immer und ohne Ausnahme ein potenzieller Bewerber beziehungsweise zumindest ein Multiplikator, ganz egal, ob das jetzt ein Pressevertreter, Kunde oder Konkurrent ist. Der nimmt das wahr. So, wenn ich gar nichts mache, passiert auch nichts. Und das sind so unglaublich vertane Chancen. Wenn ich eine Anekdote erzählen darf: Ich saß in einem Workshop, da ging es um die Karriereseite eines großen Schmuckunternehmens mit vielen Filialen. Und das saß der Marketing-Chef, ein ganz Kreativer und so. Der hat gesagt, ne, der Karriere-Button kommt in den Footer, weil das ist gelernt. Und da habe ich gesagt, das mag ja gelernt sein, das ist trotzdem nicht gut. Und vor allen Dingen erreichen wir halt ganz viele Menschen nicht. Aber das war ihm egal, weil in dem Online-Shop hat natürlich der Karriere-Button nichts zu suchen in der Hauptnavigation, weil da geht's ja um den Verkauf der Produkte. Dass der Verkauf der Produkte nur dann funktioniert, wenn ich die passenden Leute habe, das ist ein anderes Thema.

00:12:27


Alexander Petsch: Ich glaube, das ändert sich. So wie wir jetzt zunehmend Produktwerbung in Kombination mit Arbeitgeberwerbung sehen. Ich habe hier ein super Produkt, kauf mein neues Essen! Übrigens sind wir auch ein toller Arbeitgeber. Das ist ja im Moment immer noch ein bisschen verstörend beziehungsweise spannend. Mir zumindest geht das so.

00:12:59


Henner Knabenreich: Verstörend weiß ich nicht, ich denke, das ist sogar ganz sinnvoll. Das ist für uns noch ein ganz interessanter Punkt. Weil jeder Bewerber ist ein Kunde oder potenzieller Kunde.

00:13:14

Alexander Petsch: Positiv verstörend für mich.

00:13:16


Henner Knabenreich: Worauf ich hinaus will, wenn ich halt meinen Bewerbern und Kunden irgendwie negative Erlebnisse präsentiere, das rächt sich im Zweifelsfall, in dem ich das Produkt boykottiere. Aber es rächt sich auch, wenn ich als Bewerber schlecht behandelt werde. Gerade wenn ich ein Produkt habe, das ich als Endkunde nutze. Dann sage ich, scheiß doch auf euer Produkt, ihr habt mich dermaßen schlecht behandelt im Vorstellungsgespräch und im ganzen Bewerbungskontext, ich musste mich anmelden, um mich bewerben zu können. Sorry. So ungefähr. Also, das hat massive Auswirkungen. Das hat nur keiner auf dem Schirm, was so etwas beispielsweise kostet.

00:14:13


Alexander Petsch: Kommen wir zurück zur Karriereseite. Ein Hack ist, sie nicht in der Hauptnavigation zu verstecken, sondern ganz nach vorne zu bringen. Und dann hast Du es vorhin schon angesprochen, zweiter Sichtbarkeits-Hack, nämlich SEO-relevante Texte, und zwar für das Themenfeld der Bewerber. Was würdest Du uns denn hier mitgeben?

00:14:39

Henner Knabenreich: Na ja, die meisten Karriereseiten werden aus Perspektive des Unternehmens geschrieben. Man nimmt nicht die Perspektive des Bewerbers beziehungsweise des potenziellen Bewerbers, des Jobsuchenden. Es sind Interessenten. Da ist es natürlich interessant zu erfahren, was bietet mir das Unternehmen denn eigentlich in meinem Job? Das ist auch immer wieder ganz spannend, da listen die Unternehmen in Stellenanzeigen so eine Latte auf von irgendwelchen Benefits, die es da gibt. Manchmal liest sich das ein bisschen wie so eine Entschädigung, weil der eigentliche Job überhaupt nicht thematisiert wird. Also, was kann ich denn in meinem Job bewegen? Welchen Stellenwert hat denn eigentlich dieser Job für die Gesellschaft? In Zeiten von Corona, was wären wir denn gewesen ohne die Menschen in den Gesundheitseinrichtungen? Was wären wir denn gewesen ohne die Verkäufer und Kassierer? Das sind doch ganz, ganz wichtige Menschen und die muss man generell wertschätzen. Wertschätzung und mit Menschen umgehen können ist überhaupt ein wichtiger Punkt im Recruiting für die Zukunft. Wertschätzung ist es auch, wenn ich in meinen Stellenanzeigen auf der Karriereseite die Bedürfnisse und Erwartungen meiner Zielgruppe aufnehme. Das bedeutet natürlich im Vorfeld, ich muss mich damit auseinandersetzen. Scheiße, ist Arbeit. Weiß ich, aber das ist Arbeit, die sich lohnt. Weil dann kann ich Texte erstellen, dann kann ich Inhalte erstellen, die diese Zielgruppe jeweils interessiert. Und wenn du auf eine Karriereseite gehst, auf den meisten steht nur Geschwurbel. Da haben wir wieder das, was ich im letzten Podcast gesagt habe: Wir sind die Schönsten, Größten, Schlausten. Und jetzt bewirb dich mal! Aber warum soll ich mich denn eigentlich bewerben? Schau mal, lieber Arbeitgeber, hier um mich herum gibt es 50 weitere Arbeitgeber, die haben mich alle schon irgendwie so ein bisschen angefüttert. Was hast Du mir denn zu bieten? Vielleicht hast Du ja das Tüpfelchen auf dem I, was mich davon überzeugt, mich bei Dir zu bewerben. Ganz viele Unternehmen haben immer noch diese Attitüde, der Bewerber ist A) ein lästiger Bittsteller, und B) na ja, das Recruiting machen wir so mit. Schreiben wir mal eine Stelle aus. Das ist das Problem. Ich kann es nicht verstehen. Ich kann es wirklich verstehen. Recruiting ist strategisch überlebenswichtig für ein Unternehmen. Recruiting ist einer der wichtigsten Abteilungen oder der wichtigste Bereich für ein Unternehmen. Und es ist in ganz, ganz, ganz, ganz vielen Unternehmen der am schlechtesten repräsentierte Bereich. Teilweise gibt es den nicht mal, oder der Stellenwert ist gleich null. Gut, der sogenannte Fachkräftemangel bringt ein bisschen etwas ins Rollen. Aber wir schreiben das Jahr 2021. Und wenn ich manchmal Unternehmen sehe, dann denk ich manchmal, wo seid ihr eigentlich stehengeblieben?

00:17:46


Alexander Petsch: Also auch da, der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.

00:17:51

Henner Knabenreich: So sieht es aus.

00:17:53


Alexander Petsch: Was brauche ich sonst noch für die Karriereseite? Was ist sonst noch wichtig?

00:17:58


Henner Knabenreich: Tja, was ist wohl richtig auf so einer Karriereseite? Möglicherweise (lacht) könnten das die Jobs sein!

00:17:53


Alexander Petsch: Kennst Du eine Karriereseite, auf der die gefehlt haben?

00:17:58


Henner Knabenreich: Ja, doch. Da kommst du auf so eine Seite, Stellenangebote, wir haben leider keine Stellenangebote. Tschüss. Und mehr steht da nicht. Könnte man ja auch nutzen für „Kommen Sie doch mal wieder“ , „Schicken Sie uns Ihre Initiativbewerbung“, „Abonnieren Sie unseren Job-Newsletter“, wenn es den gibt und so weiter. Aber was ganz häufig der Fall ist, die sind gut versteckt. Das wichtigste Element auf einer Karriereseite sind die Jobs, ohne Wenn und Aber. Wobei wir müssen auch genau gucken, was ist denn das eigentlich für ein Besucher? Da ist auch ein wichtiges Thema. Viele Karriereseiten werden einfach so gedacht und konzipiert von der Startseite. Da kommt jemand, der will sich bei uns bewerben, weil der uns so toll findet. Erst mal muss da jemand sein, der uns so toll findet. Und dann wäre es ja sinnvoll, dieser Person, die mich so toll findet, auch die Jobs möglichst leicht zugänglich zu machen. Nein, warum sollte man denn die Jobs auf die Startseite packen? Man kann sich doch erst mal schön selbst darstellen, bevor man die Jobs wenigstens prominent verlinkt aus der Navigation. Natürlich ist es noch viel besser, gerade bei Unternehmen, die eine größere Anzahl an Jobs ausgeschrieben haben, eine Job-Suchmöglichkeit möglichst auf Startseite anzubieten. Und wenn man das Thema SEO hat, dann ist es auch so ein Punkt, woher kommt denn eigentlich der Nutzer? Kam der über die Startseite oder kam der, weil ich so ein super SEO mache, über die Suchergebnisse bei Google? So, dann lande ich auf irgendeiner Seite, wo zum Beispiel der Job des Industriemechanikers in Wort und Bild beschrieben wird. Wo ich denke, cool, was ich da mache, die Arbeitsumgebung und die Kollegen, das gefällt mir richtig gut. Da will ich mich bewerben. Was wäre jetzt das Naheliegendste? Dass ich mich direkt von dieser Seite aus bewerben kann. Dass ich direkt passende Jobs angezeigt bekomme. Was passiert in ganz vielen Fällen? Möchten Sie sich bewerben? Dann klicken Sie hier für unsere Stellenbörse. Dann lande ich auf der Stellenbörse, und dann darf ich die erstmal durchfiltern, um zu gucken, ob es gerade einen Job für mich als Industriemechaniker gibt. Also, auch da wieder: Don’t make me think! auf der einen Seite und am schnellsten zu den Informationen. Warum will ich denn 37 Klickpfade haben, wenn ich es doch ganz schnell haben kann! Dann ist die Chance deutlich größer, dass ich auf den Call to Action klicke. Das wäre übrigens noch so ein Hack, der Call to Action. Der Bewerber-Button sollte immer prominent platziert und auffällig sein. Das sind zwei Hacks. Oder die Social Sharing-Buttons. Da hast du teilweise riesige Facebook-Buttons und ganz kleine Bewerber-Buttons, im Zweifelsfall auch noch in einer möglichst unauffälligen Farbe, weil es zum Design der Webseite passen muss. Ganz wichtig, das Design kommt immer vor dem Nutzer. Nein, natürlich nicht! Und Hack Nummer drei in diesem Kontext: Der Bewerber-Button ist in der Regel besser am Ende einer Stellenanzeige platziert als am Anfang. In der Regel liest man sich nämlich eine Stellenanzeige erst mal durch, bevor man sich bewirbt. Noch besser ist es, wenn dieser Bewerber-Button dauerhaft sichtbar ist. Wir schreiben das Jahr 2021, wir haben ganz viele tolle Web-Technologien. Der Bewerber-Button kann beim Scrollen mitgehen. Oder wir machen eine Sticky Navigation, das heißt, oben am Bildschirmrand platziere ich den Bewerber-Button, damit habe ich immer die Navigation vor Augen. Wenn ich zum Beispiel auf Stepstone gehe und die Stellenanzeige runterscrolle, dann bleibt der Bewerber-Button die ganze Zeit da stehen. Aber ich kann auch am Ende der Stellenanzeige noch mal auf den Button klicken. Das ist so einfach und würde wahrscheinlich dafür sorgen, dass sich der eine oder andere mehr bewirbt, weil er nämlich den Bewerber-Button wahrnimmt.

00:22:34


Alexander Petsch: Wahrscheinlich auch mobile first, oder? Weil die meisten wohl mobil suchen. Wie ist das Suchverhalten?

00:22:41

Henner Knabenreich: Also, wir schreiben das Jahr 2021, ich wiederhole das gerne noch mal. 2015 hat Google damit angefangen, in den Suchergebnissen nicht mobil-optimierte Karriereseiten abzustrafen. 2013 habe ich persönlich meine erste mobil-optimierte Karriereseite konzipiert und umgesetzt. Aber ja, es gibt immer noch Unternehmen, die haben keine mobil-optimierte Karriereseite. Und wenn sie eine haben, dann haben sie manchmal keine mobile-optimierten Stellenanzeigen. Und wenn sie mobil-optimierte Stellenanzeigen haben, dann lande ich bei einem Bewerbersystem, das vergessen hat, dass mobile first das Maß aller Dinge ist. Es ist tatsächlich so, immer mehr Menschen haben ausschließlich ein Smartphone. Die haben gar keine stationären Endgeräte. Wie gesagt, wir schreiben das Jahr 2021, aber es längst nicht Standard, dass alle Karriereseiten mobil-optimiert sind, beziehungsweise nicht nur die Karriereseiten, sondern der gesamte Recruitingprozess. Hier muss man einfach nur in die jährlich erscheinenden Studien der Kollegen von der Wollmilchsau gucken, dass selbst die Dax-40-Unternehmen nicht unbedingt immer gut aufgestellt sind.

00:24:21


Alexander Petsch: Gibt es zum Thema Karriereseiten etwas, das man in Richtung Zielgruppen denken muss?

00:24:27


Henner Knabenreich: Einiges, fast alles. Es ist immer ganz goldig, wenn ich im Unternehmen bin und dann frage, wer sind denn Ihre Zielgruppen? Ja, der Berufserfahrene, Berufseinsteiger, Hochschulabsolventen, Studenten und Schüler. Das sind natürlich keine Zielgruppen. Maximal Studenten sind vielleicht Zielgruppen. Aber Berufserfahrene oder Berufseinsteiger, es sei denn, es gibt echte Einstiegsprogramme, sind keine Zielgruppen. Zielgruppen sind diejenigen, die wichtig sind für mein Unternehmen. Wenn ich irgendwelche Engpass-Jobs habe, wenn ich Jobs habe, die ich regelmäßig wieder ausschreiben muss, wenn ich Jobs habe, die ich strategisch besetzen muss, dann muss ich genau diese Leute adressieren. Dann muss ich genau die abholen, die auf die Webseite gehen und hoffentlich solche Menschen sind. Nehmen wir jetzt mal an, ich suche PHP-Entwickler oder Webentwickler, dann kann ich das direkt auf der Karrierestartseite sichtbar machen. Ich könnte sagen, ich will Verkäufer haben oder so. Ich kann da wirklich bestimmte Zielgruppen direkt ansprechen. Und nicht über so eine Berufserfahrene/Berufseinsteiger-Geschichte gehen, sondern beispielsweise Einstiegsbereiche, Jobkategorien oder wie auch immer man das nennen will. Aber dass ich für mich dann erkenne, ok, in welchem Bereich kann ich denn da  einsteigen? Und nein, ich muss da nicht alles abbilden. Es geht um die Engpass-Zielgruppen, alle anderen finden sich in der Jobbörse wieder. Im Idealfall. Und eines meiner Lieblingsthemen ist die Ansprache von Menschen, die möglicherweise eine Ausbildung oder ein duales Studium machen. Was sieht man in der Regel auf den Karriereseiten dieser Republik? Man sieht eine Navigation „Schüler“ oder „Schulabsolventen“, weil „Schüler“ ist ja nicht politisch korrekt, aber ein anderes Thema. Und jetzt müssen wir uns mal die Frage stellen: Lieber Alexander, stell Dir mal vor, du wärst auf der Suche nach einer Ausbildung, nach einem Ausbildungsplatz. Nach welchem Begriff würdest Du suchen? A) Schüler oder B) Ausbildung?

00:27:17


Alexander Petsch: Da haben wir schon immer einen kleinen Hack gehabt. Wir haben immer optimiert nach Studienabbrecher.

00:27:25


Henner Knabenreich: Auch gut. Das ist ein sehr, sehr guter Punkt, weil nämlich Menschen, die eine Ausbildung beginnen, ganz häufig, Stichpunkt Überakademisierung, feststellen, ein Studium ist doch nicht so geil, wie wir das immer dachten. Wir haben ja inzwischen viele Studienabbrecher. Das sind keine Schüler mehr. Es gibt Menschen, die machen erst mal ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr, die gehen erst mal zwei Jahre nach Australien um den Klimawandel hautnah zu erleben oder so. Das sind keine Schüler mehr. Das sind aber Menschen, die haben Interesse an einer Ausbildung. Es gibt ja auch Unternehmen, die sind so pfiffig und sagen, hey, warum sollen wir immer nur junge Menschen suchen? Was ist denn eigentlich mit 50 Plus oder so? Also, aus logischer Sicht macht es doch überhaupt keinen Sinn, so einen Button „Schüler“ zu nennen. Ein ganz wichtiger Punkt im Bereich Ausbildungsmarketing ist die Zielgruppe der Eltern. Das sind die Haupt-Influencer der jungen Menschen, nicht irgendwelche dahergelaufenen Instagram-Selbstdarsteller, sondern das sind die Eltern. Und Eltern erreichen wir im Zweifelsfall auch eher über den Begriff „Ausbildung“ als über den Begriff „Schüler“. Ich beschäftige mich seit 2003 mit dem Thema Karriereseiten. Damals gab es ein ganz großartiges Buch, das hieß „eRecruiting“ oder so, von Professor Beck. Darin hieß es dann auch, macht eure Zielgruppen sichtbar. Und das war wirklich so ganz stumpf, Schüler, Studenten, Professionals, Hochschulabsolventen. Fachkräfte fanden nie statt. Leute ohne Studium oder so wurden immer ignoriert, nicht so wichtig. Hauptsache Studenten oder Hochschulabsolventen. Das ist aber einfach nicht zu Ende gedacht. In der ersten Zeit, in der ich meine Karriere konzipiert habe, habe ich das auch noch so gemacht. Allerdings dann immer schon mit einer Unterebene, beispielsweise „Berufserfahrene Ingenieure“, je nach Bereich. Die Leute dahin zu lotsen. Aber guck dir mal Karriereseiten an, auf denen zum Beispiel Berufserfahrene adressiert werden. Da steht dann so etwas wie „Hallo Berufserfahrene“, bla bla bla bla bla bla bla bla. Klicken Sie in unsere Jobbörse. Wo ist der Mehrwert? Es gibt ihn nicht. Es gibt ihn einfach nicht. Die Bereiche, die für mich wirklich essenziell sind, können ja auch wechseln. Es ist ja nichts in Stein gemeißelt, wir schreiben das Jahr 2021, moderne Webtechnologie und so weiter. Mit meinem Content Management System kann ich jederzeit eine Seite ändern, kann die Seiteninhalte anpassen und so weiter. Das heißt, ich bin ein Einzelhandelsgeschäft und suche zum Beispiel Saisonkräfte für das Weihnachtsgeschäft. Da mache ich dafür eine Landingpage für das Weihnachtsgeschäft und verlinke das prominent aus der Navigation. Und dann sehen die Leute, die auf die Seite kommt, das sofort und müssen sich nicht erst mal irgendwo durchwuseln und durchscrollen.

00:30:41


Alexander Petsch: Ja, Henner, wir haben schon wieder eine ganze Menge Dinge zusammengetragen. Gibt es zum Schluss noch einen Zusatz-Hack für die bessere Karrierewebseite?

00:30:55

Henner Knabenreich: Na ja, es ist es auf jeden Fall immer hilfreich, sich einmal in die Rolle des Bewerbers und Jobsuchenden zu begeben und einfach die ganze Geschichte durchzuspielen. Wie ist denn das, ich komme auf die Webseite und suche Informationen zu irgendwas oder ich suche einen Job und so weiter und so fort. Was erlebe ich da? Wie komme ich da klar? Wie ist das mit der Bewerbung? Auch ein anderer Punkt wird oft nicht zu Ende gedacht. Dann gibt es eine schicke Karriereseite, bunte Bilder, ein bisschen Employer Branding Claim, ganz wichtig. Aber was dann immer auf der Strecke bleibt, ist tatsächlich das Thema Bewerberpost. Also, erstmal Bewerbungsprozess, aber auch Bewerberkorrespondenz. Die haben häufig den Charme eines Finanzamtschreibens oder schlimmer. Auch da kann ich nachbessern, indem ich Wertschätzung zeige. Wertschätzung und Transparenz sind die Grundzutaten im Recruiting, ohne die geht es nicht. Und welches Medium eignet sich denn besser, das auf der Karriereseite zu transportieren! Wie gesagt, es eignet sich als Arbeitgeber, der erste Eindruck ist entscheidend. Wenn ich da einen schlechten Eindruck mache, ist der Bewerber für immer weg. Der kommt nicht wieder. Warum soll er denn wiederkommen, wenn ich einen schlechten Eindruck gemacht habe? Das ist ja wie beim Date, da treffe ich mich mit einer Frau und es passt halt irgendwie nicht, aus welchem Grund auch immer. So, das war es dann in der Regel, und so ist das bei den Karriereseiten auch.

00:32:18


Alexander Petsch: Wertschätzung, Transparenz zum Schluss. Übrigens, zum Thema Bewerberkommunikation haben wir eine schöne Podcastfolge mit Anja Koller und Julia Hauska, die dazu geforscht und ganz viele Hacks und Tipps rausgehauen haben. Und 99 Prozent der Bewerberschreiben sind identisch. Also, da habt Ihr viel Potential, Euch von anderen zu unterscheiden. Die Armen taten mir wirklich leid, bei ihrer Forschung immer wieder dasselbe lesen zu müssen.

00:32:48


Henner Knabenreich: Wenn ich da kurz noch reingrätschen darf. Das ist ja nicht nur bei den Bewerbungsschreiben so, dass sie sich zu 99 Prozent gleichen. Das ist ja auch bei den  Stellenanzeigen so.

00:32:58


Alexander Petsch:Und wahrscheinlich auch bei den Karriereseiten. In diesem Sinne, be different, be foolish, be successful. Wer zum Thema Karriereseiten und auch Recruiting Talent Management, Employer Branding mal live richtig viel erfahren und erleben möchte, den kann ich nur sagen, jetzt schon den 6. und 7. Juli 2022 vormerken, dann kommt die TALENTpro nach München. Wir werden es ordentlich krachen lassen und da werden ganz viele Leute rumspringen, die richtig Ahnung von den Themen haben. Kommt dazu und seid dabei! Henner, vielen Dank, dass Du heute dabei warst!

00:33:44


Henner Knabenreich: Sehr gerne, Alexander, hat Spaß gemacht. Darf ich noch eine Buchempfehlung loswerden?

00:33:58

Alexander Petsch: Nein, wir sind über die Zeit (lacht). Aber wir verlinken das im Artikel. Also, wer eine Buchempfehlung von Henner Knabenreich haben möchte, kann unter hrm.de auf das Profil von ihm gehen. Da sind alle seine Bücher verlinkt und seine Empfehlungen in einem Blogartikel zusammengefasst. Noch mal Danke, Henner. Glückauf und denkt daran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor Eures Unternehmens.

00:34:12


Henner Knabenreich: So sieht's aus. Danke!