Klare Verantwortlichkeiten
Die Arbeitsteilung im Personalbereich verursacht in vielen Unternehmen Sand im Getriebe in Form immer wiederkehrender Diskussionen über Verantwortlichkeiten. Wer steuert den Gehaltsplanungsprozess? Der Compensation-and-Benefits-Bereich oderdie Businesspartner? Wer zeichnet für die Erstellung eines Ad-hoc-Berichts verantwortlich? Der Controllingbereich oder das Servicecenter? In welchen Fällen übernimmt der Arbeitsrechtler einen Vorgang des Businesspartners?
Zur Schärfung der Zuständigkeiten empfiehlt es sich, die HR-Prozesslandkarte systematisch durchzuarbeiten (Abbildung 4, S. 37): Wo liegt die Verantwortung (V) für einen Prozess? Wer führt einzelne Prozessschritte aus (A)? Wer berät (B) bei Bedarf? Und schließlich: Wer muss informiert (I) werden? Diese „VABI“-Methode (im Englischen „RACI“) ist verbreitet, andere Methoden und Bezeichnungen sind jedoch genauso möglich.
Grundsätzlich empfiehlt sich der Einsatz von im Unternehmen etablierten Konventionen zur Dokumentation der Zuständigkeiten bezogen auf die verschiedenen Prozesse. Nicht nur die eigentliche Dokumentation der Prozess-Governance (zum Beispiel anhand dieser „VABI“-Systematik), sondern auch die häufig erforderlichen Diskussionen zwischen den Beteiligten und das Durchspielen von Geschäftsvorfällen fördern das Verständnis für ein erfolgreiches Zusammenspiel im Personalbereich ganz wesentlich. Nicht selten führen die Gespräche auch zu einer Nachjustierung von organisatorischen Zuordnungen: Soll die Bewerberkorrespondenz tatsächlich über den Businesspartner laufen oder kann das nicht das Servicecenter übernehmen? Oder stattdessen der spezialisierte Recruiter aus dem Kompetenzcenter?
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Das Optimieren von Prozessen und Verantwortlichkeiten kann methodisch noch so stringent und fachlich noch so kompetent erfolgen. Unternehmen werden die tatsächlichen Optimierungspotenziale nicht annähernd ausschöpfen, wenn sie ausschließlich top-down vorgehen. Denn die größten Potenziale erkennen häufig die am Prozess unmittelbar Beteiligten auf der operativen Ebene im tagtäglichen Einsatz. Ein ergänzender Bottom-up-Ansatz erfolgt jedoch nicht automatisch. Unternehmen müssen ihre HR-Mitarbeiter befähigen, systematisch Verbesserungspotenziale in Abläufen zu identifizieren und Leistungsstandards anzuheben. Sie müssen KVP-Rollen organisatorisch sinnvoll verankern, damit Mitarbeiter diese wahrnehmen können.
Folgendes Vorgehen hat sich dabei in der Praxis bewährt:
- Die spielerische Simulation einer KVP-Fallstudie – zum Beispiel aus einem produzierenden Bereich für einen unvoreingenommenen Blick – schärft das Bewusstsein bei den HR-Mitarbeitern für den Nutzen kontinuierlicher Verbesserungen und fördert zudem den Teamgeist.
- Ein anschließender Pilot in einem Teilbereich von HR validiert die Praxistauglichkeit der vorgesehenen KVP-Methoden und -Werkzeugkästen, ermöglicht eine Anpassung auf spezifische Gegebenheiten im Unternehmen und liefert bereits messbare Verbesserungen, zum Beispiel bezogen auf Kundenzufriedenheit, Geschwindigkeit und Ressourceneinsatz. Abbildung 5 zeigt das Beispiel einer einschlägig bewährten KVP-Vorgehensweise.
- Der Roll-out der KVP-Methode erfolgt schließlich unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus dem Piloten, definiert die KVP-Rollen und -Verantwortlichkeiten im Personalbereich und schult die HR-Mitarbeiter zu Methoden und Werkzeugen.
Unsere Erfahrung zeigt, dass Unternehmen mit einem KVP-Ansatz im Anschluss an ein top-down-geführtes Reorganisations-oder Optimierungsprojekt zusätzlich deutliche Verbesserungen in den wesentlichen Leistungskennzahlen erreichen. Mit kontinuierlichen Verbesserungen können Unternehmen ihre Ressourceneffizienz im ersten Jahr um zehn bis 20 Prozent verbessern. In den Folgejahren sind immerhin noch Steigerungen um fünf bis zehn Prozent jährlich möglich. Kommen Steigerungen der Effektivität hinzu – denn eine KVP-Kultur kann sich auch auf die Mitarbeiterbindung, auf interne Besetzungsquoten oder die Qualität von Nachfolgepools auswirken – dann erreicht der Personalbereich endgültig die ersehnte Augenhöhe mit dem Topmanagement.
Fazit
Die Personalbereiche müssen sich den Anforderungen der internen Kunden und dem damit verbundenen Streben nach Effektivität und Effizienz stellen. Indem sie die Effizienz in den administrativen Prozessen steigern, können sie ihre Professionalität in den HR-Kernprozessen verbessern. Wenn sie ihre Ressourcen nach Kundensegmenten differenzieren und auf die richtigen Mitarbeitergruppen fokussieren, schaffen sie sich Freiräume, um die Wertschöpfung ihrer Personalarbeit zu optimieren. Klare Verantwortlichkeiten sorgen für reibungsarme Prozesse. Und schließlich sichert die Etablierung einer KVP-Kultur nachhaltig die operative Exzellenz im Personalbereich.
Engpasssituationen auf den Arbeitsmärkten beeinflussen zunehmend die Vorstands-Agenden. Prozessorientierte Schlagworte wie Employer-Branding, Sourcing, Talentmanagement und Nachfolgeplanung für Schlüsselfunktionen haben die lang ersehnte Geschäftsrelevanz tatsächlich erreicht. Nur mit wirkungsvollen und nachhaltig implementierten Prozessen können Personalbereiche den geforderten Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Das erfordert Ressourceneinsatz von HR-Seite. Woher nehmen Personalmanager diese Ressourcen? Der HR-Klima Index 2012 des Beratungsunternehmens Kienbaum (durchgeführt für Deutschland, Österreich und die Schweiz) belegt, dass die Personalausstattung der Personalbereiche seit Jahren hinter der Beschäftigungsentwicklung und den gestiegenen Anforderungen zurückbleibt. Die gute Nachricht: Es gibt Lösungen für dieses vermeintliche Dilemma.
Kernprozesse
HR-Betreuungsquoten geben an, wie viele Mitarbeiter rechnerisch auf einen HRler kommen. Die Faustformel 1:100 gilt aber nur im Branchenschnitt und greift als Median für Unternehmen zwischen 1.000 und 10.000 Mitarbeitern. Diese Quote mag ein Indikator für die Effizienz eines Personalbereichs sein. Nicht jedoch für seine Effektivität. Hierfür gibt die Verteilung der HR-Kapazitäten über die HR-Prozesse wertvolle Hinweise.
Zum Management der HR-Prozesse und zur Analyse von Optimierungspotenzialen empfiehlt sich die Unterscheidung von drei Prozessebenen – entsprechend des in der Wissenschaft gängigen St. Gallener Modells:
- HR-Managementprozesse umfassen alle grundlegenden Aufgaben, die mit der Gestaltung, Steuerung und strategischen Entwicklung der Personalarbeit im Unternehmen und der HR-Funktion zu tun haben, zum Beispiel HR-Strategie, HR-Controlling oder Organisationsentwicklung.
- HR-Kernprozesse verkörpern die HR-Kernaktivitäten, die unmittelbar auf den Kundennutzen ausgerichtet sind. Viele Unternehmen lehnen diese an den Mitarbeiterlebenszyklus an. Darunter fallen unter anderem Employer-Branding, Rekrutierung, Performancemanagement und Nachfolgemanagement.
- HR-Unterstützungsprozesse umfassen die administrativen und transaktionalen Prozesse sowie alle HR-internen Dienstleistungsprozesse für einen effektiven Vollzug der HR-Prozessabläufe, zum Beispiel Personaladministration und –abrechnung sowie HR-Systemmanagement.
Abbildung 1 zeigt die typische aktuelle Ressourcenverteilung. Im Vergleich zur historischen Verteilung von 10/30/60 sind die heutigen Personalabteilungen bereits ein gutes Stück vorangekommen. Aber noch immer sind durchschnittlich 38 Prozent der HR-Ressourcen in Unterstützungsprozessen gebunden und nur 45 Prozent leisten in HR-Kernprozessen ihren Beitrag.
Um die Erwartungen des Topmanagements zu erfüllen, müssen die Personalbereiche ihre administrativen Prozesse weiter verschlanken und einen stärkeren Fokus auf die wertschöpfenden Kernprozesse legen. Ambitionierte Unternehmen formulieren als perspektivisches Zielbild eine Kapazitätenverteilung von 20/60/20. Wie ist das zu bewerkstelligen?
Die Standardisierung von HR-Prozessen und ihre integrierte IT-Unterstützung können Effizienz und Qualität der Personalarbeit steigern – gerade im Bereich der transaktionalen HR-Prozesse wie Personaladministration, Entgeltabrechnung, Veranstaltungsadministration oder Reisekostenabrechnung. Denn diese Prozesse führen nicht zur Differenzierung im Wettbewerb. Unterschiedliche Ausprägungen für unterschiedliche Geschäftsbereiche oder Mitarbeitergruppen („Sonderlocken“) sind hierbei nicht nur Effizienzblocker, sondern generieren unnötige Komplexität und Fehler. Ein Personalbereich, der im administrativen Bereich Fehler produziert, gefährdet massiv seine Glaubwürdigkeit, hochwertige Leistungen in den Kernprozessen von Rekrutierung über Talentmanagement und Performancemanagement erbringen zu können.
Abbildung 2 stellt die aktuelle Verteilung von HR-Kapazitäten über die HR-Prozesslandkarte im Vergleich zwischen sogenannten HR-Excellence-Unternehmen und übrigen Unternehmen dar. HR-Excellence-Unternehmen zeichnen sich durch Exzellenz in sämtlichen Bereichen der Personalarbeit aus.
Um dieses Niveau zu erreichen, empfiehltes sich für mittlere und größere Unternehmen, alle HR-Unterstützungsprozesse in einem Servicecenter zu bündeln. Doch weniger als die Hälfte dieser Unternehmen im deutschsprachigen Raum (44%) hat ein HR-Servicecenter eingeführt, so Ergebnisse der Kienbaum-Studie „HR Strategie & Organisation 2012/2013“. Hier liegen somit noch Potenziale für Qualitäts- und Effizienzsteigerungen brach. Ein Servicecenter ist auf das Bearbeiten transaktionaler Vorgänge spezialisiert und sollte Anfragen von Mitarbeitern und Führungskräften schnell und kompetent beantworten. Damit sind wir beim nächsten Hebel zur Steigerung von Effizienz und Effektivität der Personalarbeit: der Kundensegmentierung.
Kundensegmentierung
Welcher Vertrieb würde alle Kunden über einen Kamm scheren? Auch für Personalbereiche empfiehlt es sich, die knappen Ressourcen auf diejenigen Kundensegmente zu fokussieren, die personalseitig die größte Wirkung auf den geschäftlichen Erfolg haben.
Persönliche Beratung durch Businesspartner mit tiefem Geschäftsverständnis sollte den Führungskräften vorbehalten bleiben, um sie in ihrer Führungsaufgabe zu stärken und ihre geschäftlichen Herausforderungen personalseitig bestmöglich zu lösen. In einem standardisierten Prozessumfeld benötigt der Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung keinen persönlich zugeordneten Ansprechpartner. Ein professionelles Servicecenter garantiert eine bessere Erreichbarkeit und eine höhere Sofort-Lösungsquote bei deutlich besserer Effizienz.
Auch innerhalb der Kernprozesse gilt es, nach Mitarbeitersegmenten zu differenzieren und die Kapazitäten und Budgets gezielt für diejenigen Segmente einzusetzen, die den höchs-ten „Return on Investment“ versprechen. Wir folgen hier grundsätzlich der Philosophie von Professor Mark Huselid zu „Workforce Differentiation“ (Becker, Huselid, Beatty: The Differentiated Workforce. Harvard Business Press. 2009).
Beispiel Rekrutierungsprozess: In diesem wichtigen Kernprozess investieren Unternehmen häufig viel Zeit und Aufwand in zu viele Kandidaten und zu wenig Aufwand in die richtigen Kandidaten. Abbildung 3 zeigt einen Vergleich der Rekrutierungstrichter eines Unternehmens vor und nach einer Prozess-optimierung. Der optimierte Prozess ermöglicht über Onlinetests und Telefoninterviews eine kostengünstige, schnelle und valide Vor-auswahl weniger, aber vielversprechender Kandidaten. Die persönlichen Interviews im Anschluss gestalten sich dagegen intensiver als vor der Optimierung. Im Ergebnis liefert der optimierte Prozess nicht nur eine effizientere Selektion – insbesondere Führungskräfte aus den einstellenden Fachbereichen müssen weniger Interviews führen –, sondern auch eine effektivere. Die Annahmequote von Vertragsangeboten hat sich erhöht und die schmerzhafte Frühfluktuation im ersten Jahr nach Einstellung ließ sich spürbar reduzieren.
Beispiel Nachfolgeplanung: Unsere Analysen in einem Unternehmen ergaben, dass nur wenige Positionen tatsächlich aus dem Kreis der vorab nominierten Nachfolgekandidaten besetzt wurden. Führungskräfte und Personaler betrieben somit viel Aufwand für viele Nachfolgeplanungen mit einem zweifelhaften Ergebnis. Der optimierte Prozess beschränkt sich nun auf wenige kritische Positionen, die das Unternehmen anhand bestimmter Kriterien eingegrenzt hat. Ausschlaggebend ist beispielsweise, ob sich die Performance des Positionsinhabers unmittelbar auf den Kundennutzen und den Geschäftserfolg auswirkt oder ob die Stelle mit externen Bewerbern nur schwer zu besetzen ist. HR fokussiert sich also im Nachfolgemanagement auf einige wenige Positionen – und hat mehr Zeit für eine validere interne Kandidatensuche sowie eine beschleunigte Entwicklung dieser Kandidaten.