Klare Verantwortlichkeiten

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Foto von Romain V


Die Arbeitsteilung im Personalbereich ver­ursacht in vielen Unternehmen Sand im Getriebe in Form immer wiederkehrender Diskussionen über Verantwortlichkeiten. Wer steuert den Gehaltsplanungsprozess? Der Compensation-and-Benefits-Bereich oderdie Businesspartner? Wer zeichnet für die Erstellung eines Ad-hoc-Berichts verant­wortlich? Der Controllingbereich oder das Servicecenter? In welchen Fällen übernimmt der Arbeitsrechtler einen Vorgang des Businesspartners?

Zur Schärfung der Zuständigkeiten empfiehlt es sich, die HR-Prozesslandkarte systema­tisch durchzuarbeiten (Abbildung 4, S. 37): Wo liegt die Verantwortung (V) für einen Prozess? Wer führt einzelne Prozessschrit­te aus (A)? Wer berät (B) bei Bedarf? Und schließlich: Wer muss informiert (I) werden? Diese „VABI“-Methode (im Englischen „RACI“) ist verbreitet, andere Methoden und Bezeichnungen sind jedoch genauso möglich.

Grundsätzlich empfiehlt sich der Einsatz von im Unternehmen etablierten Konventionen zur Dokumentation der Zuständigkeiten be­zogen auf die verschiedenen Prozesse. Nicht nur die eigentliche Dokumentation der Prozess-Governance (zum Beispiel anhand dieser „VABI“-Systematik), sondern auch die häufig erforderlichen Diskussionen zwischen den Beteiligten und das Durchspielen von Geschäftsvorfällen fördern das Verständnis für ein erfolgreiches Zusammenspiel im Per­sonalbereich ganz wesentlich. Nicht selten führen die Gespräche auch zu einer Nachjus­tierung von organisatorischen Zuordnungen: Soll die Bewerberkorrespondenz tatsächlich über den Businesspartner laufen oder kann das nicht das Servicecenter übernehmen? Oder stattdessen der spezialisierte Recruiter aus dem Kompetenzcenter?

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess


Das Optimieren von Prozessen und Verant­wortlichkeiten kann methodisch noch so stringent und fachlich noch so kompetent erfolgen. Unternehmen werden die tatsäch­lichen Optimierungspotenziale nicht annä­hernd ausschöpfen, wenn sie ausschließlich top-down vorgehen. Denn die größten Po­tenziale erkennen häufig die am Prozess un­mittelbar Beteiligten auf der operativen Ebe­ne im tagtäglichen Einsatz. Ein ergänzender Bottom-up-Ansatz erfolgt jedoch nicht auto­matisch. Unternehmen müssen ihre HR-Mit­arbeiter befähigen, systematisch Verbesse­rungspotenziale in Abläufen zu identifizieren und Leistungsstandards anzuheben. Sie müs­sen KVP-Rollen organisatorisch sinnvoll ver­ankern, damit Mitarbeiter diese wahrnehmen können.

Folgendes Vorgehen hat sich dabei in der Pra­xis bewährt:

  • Die spielerische Simulation einer KVP-Fallstudie – zum Beispiel aus einem pro­duzierenden Bereich für einen unvor­eingenommenen Blick – schärft das Bewusstsein bei den HR-Mitarbeitern für den Nutzen kontinuierlicher Verbesserungen und fördert zudem den Teamgeist. 
  • Ein anschließender Pilot in einem Teilbereich von HR validiert die Praxistauglichkeit der vorgesehenen KVP-Methoden und -Werkzeugkästen, ermög­licht eine Anpassung auf spezifische Gegebenheiten im Unternehmen und lie­fert bereits messbare Verbesserungen, zum Beispiel bezogen auf Kundenzufriedenheit, Geschwindigkeit und Ressourceneinsatz. Abbildung 5 zeigt das Beispiel einer ein­schlägig bewährten KVP-Vorgehensweise.
  • Der Roll-out der KVP-Methode erfolgt schließlich unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus dem Piloten, definiert die KVP-Rollen und -Verantwortlichkeiten im Personalbereich und schult die HR-Mitarbeiter zu Methoden und Werkzeugen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass Unternehmen mit einem KVP-Ansatz im Anschluss an ein top-down-geführtes Reorganisations-oder Optimierungsprojekt zusätzlich deut­liche Verbesserungen in den wesentlichen Leistungskennzahlen erreichen. Mit konti­nuierlichen Verbesserungen können Unter­nehmen ihre Ressourceneffizienz im ersten Jahr um zehn bis 20 Prozent verbessern. In den Folgejahren sind immerhin noch Stei­gerungen um fünf bis zehn Prozent jährlich möglich. Kommen Steigerungen der Effekti­vität hinzu – denn eine KVP-Kultur kann sich auch auf die Mitarbeiterbindung, auf inter­ne Besetzungsquoten oder die Qualität von Nachfolgepools auswirken – dann erreicht der Personalbereich endgültig die ersehnte Augenhöhe mit dem Topmanagement.


Fazit


Die Personalbereiche müssen sich den An­forderungen der internen Kunden und dem damit verbundenen Streben nach Effek­tivität und Effizienz stellen. Indem sie die Effizienz in den administrativen Prozessen steigern, können sie ihre Professionalität in den HR-Kernprozessen verbessern. Wenn sie ihre Ressourcen nach Kundensegmenten differenzieren und auf die richtigen Mitar­beitergruppen fokussieren, schaffen sie sich Freiräume, um die Wertschöpfung ihrer Personalarbeit zu optimieren. Klare Verantwort­lichkeiten sorgen für reibungsarme Prozesse. Und schließlich sichert die Etablierung einer KVP-Kultur nachhaltig die operative Exzellenz im Personalbereich.

Engpasssituationen auf den Arbeitsmärkten beeinflussen zunehmend die Vorstands-Agenden. Prozessorientierte Schlagworte wie Employer-Branding, Sourcing, Talentmanagement und Nachfolgeplanung für Schlüsselfunktionen haben die lang ersehnte Geschäftsrelevanz tatsächlich erreicht. Nur mit wirkungsvollen und nachhaltig implementierten Prozessen können Personalbereiche den geforderten Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Das erfordert Ressourceneinsatz von HR-Seite. Woher nehmen Personalmanager diese Ressourcen? Der HR-Klima Index 2012 des Beratungsunternehmens Kienbaum (durchgeführt für Deutschland, Österreich und die Schweiz) belegt, dass die Personalausstattung der Personalbereiche seit Jahren hinter der Beschäftigungsentwicklung und den gestiegenen Anforderungen zurückbleibt. Die gute Nachricht: Es gibt Lösungen für dieses vermeintliche Dilemma.

Kernprozesse

HR-Betreuungsquoten geben an, wie viele Mitarbeiter rechnerisch auf einen HRler kommen. Die Faustformel 1:100 gilt aber nur im Branchenschnitt und greift als Median für Unternehmen zwischen 1.000 und 10.000 Mitarbeitern. Diese Quote mag ein Indikator für die Effizienz eines Personalbe­reichs sein. Nicht jedoch für seine Effektivität. Hierfür gibt die Verteilung der HR-Kapazi­täten über die HR-Prozesse wertvolle Hinweise.

Zum Management der HR-Prozesse und zur Analyse von Optimierungspotenzialen emp­fiehlt sich die Unterscheidung von drei Pro­zessebenen – entsprechend des in der Wis­senschaft gängigen St. Gallener Modells:

  • HR-Managementprozesse umfas­sen alle grundlegenden Aufgaben, die mit der Gestaltung, Steuerung und strategischen Entwicklung der Personalarbeit im Unternehmen und der HR-Funktion zu tun haben, zum Beispiel HR-Strategie, HR-Controlling oder Organisationsentwicklung.
  • HR-Kernprozesse verkörpern die HR-Kernaktivitäten, die unmittelbar auf den Kundennutzen ausgerichtet sind. Viele Unternehmen lehnen diese an den Mitarbeiterlebenszyklus an. Darunter fal­len unter anderem Employer-Branding, Rekrutierung, Performancemanagement und Nachfolgemanagement.
  • HR-Unterstützungsprozesse umfas­sen die administrativen und transaktio­nalen Prozesse sowie alle HR-internen Dienstleistungsprozesse für einen effek­tiven Vollzug der HR-Prozessabläufe, zum Beispiel Personaladministration und –abrechnung sowie HR-Systemmanagement.

Abbildung 1 zeigt die typische aktuelle Res­sourcenverteilung. Im Vergleich zur histo­rischen Verteilung von 10/30/60 sind die heutigen Personalabteilungen bereits ein gutes Stück vorangekommen. Aber noch immer sind durchschnittlich 38 Prozent der HR-Ressourcen in Unterstützungsprozes­sen gebunden und nur 45 Prozent leisten in HR-Kernprozessen ihren Beitrag.

Um die Erwartungen des Topmanagements zu erfüllen, müssen die Personalbereiche ihre administrativen Prozesse weiter verschlanken und einen stärkeren Fokus auf die wertschöp­fenden Kernprozesse legen. Ambitionierte Unternehmen formulieren als perspekti­visches Zielbild eine Kapazitätenverteilung von 20/60/20. Wie ist das zu bewerkstelligen?

Die Standardisierung von HR-Prozessen und ihre integrierte IT-Unterstützung können Ef­fizienz und Qualität der Personalarbeit stei­gern – gerade im Bereich der transaktionalen HR-Prozesse wie Personaladministration, Ent­geltabrechnung, Veranstaltungsadministrati­on oder Reisekostenabrechnung. Denn diese Prozesse führen nicht zur Differenzierung im Wettbewerb. Unterschiedliche Ausprägungen für unterschiedliche Geschäftsbereiche oder Mitarbeitergruppen („Sonderlocken“) sind hierbei nicht nur Effizienzblocker, sondern generieren unnötige Komplexität und Fehler. Ein Personalbereich, der im administrativen Bereich Fehler produziert, gefährdet massiv seine Glaubwürdigkeit, hochwertige Leistun­gen in den Kernprozessen von Rekrutierung über Talentmanagement und Performance­management erbringen zu können.

Abbildung 2 stellt die aktuelle Verteilung von HR-Kapazitäten über die HR-Prozessland­karte im Vergleich zwischen sogenannten HR-Excellence-Unternehmen und übrigen Unternehmen dar. HR-Excellence-Unterneh­men zeichnen sich durch Exzellenz in sämt­lichen Bereichen der Personalarbeit aus.

Um dieses Niveau zu erreichen, empfiehltes sich für mittlere und größere Unterneh­men, alle HR-Unterstützungsprozesse in einem Servicecenter zu bündeln. Doch we­niger als die Hälfte dieser Unternehmen im deutschsprachigen Raum (44%) hat ein HR-Servicecenter eingeführt, so Ergebnisse der Kienbaum-Studie „HR Strategie & Orga­nisation 2012/2013“. Hier liegen somit noch Potenziale für Qualitäts- und Effizienzsteige­rungen brach. Ein Servicecenter ist auf das Bearbeiten transaktionaler Vorgänge spezia­lisiert und sollte Anfragen von Mitarbeitern und Führungskräften schnell und kompetent beantworten. Damit sind wir beim nächsten Hebel zur Steigerung von Effizienz und Ef­fektivität der Personalarbeit: der Kundenseg­mentierung.

Kundensegmentierung

Welcher Vertrieb würde alle Kunden über einen Kamm scheren? Auch für Personalbereiche empfiehlt es sich, die knappen Ressourcen auf diejenigen Kundensegmente zu fokussieren, die personalseitig die größte Wirkung auf den geschäftlichen Erfolg haben.

Persönliche Beratung durch Businesspartner mit tiefem Geschäftsverständnis sollte den Führungskräften vorbehalten bleiben, um sie in ihrer Führungsaufgabe zu stärken und ihre geschäftlichen Herausforderungen per­sonalseitig bestmöglich zu lösen. In einem standardisierten Prozessumfeld benötigt der Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung keinen persönlich zugeordneten Ansprech­partner. Ein professionelles Servicecenter ga­rantiert eine bessere Erreichbarkeit und eine höhere Sofort-Lösungsquote bei deutlich besserer Effizienz.

Auch innerhalb der Kernprozesse gilt es, nach Mitarbeitersegmenten zu differenzieren und die Kapazitäten und Budgets gezielt für dieje­nigen Segmente einzusetzen, die den höchs-ten „Return on Investment“ versprechen. Wir folgen hier grundsätzlich der Philosophie von Professor Mark Huselid zu „Workforce Differentiation“ (Becker, Huselid, Beatty: The Differentiated Workforce. Harvard Business Press. 2009).

Beispiel Rekrutierungsprozess: In diesem wichtigen Kernprozess investieren Unterneh­men häufig viel Zeit und Aufwand in zu viele Kandidaten und zu wenig Aufwand in die richtigen Kandidaten. Abbildung 3 zeigt ei­nen Vergleich der Rekrutierungstrichter eines Unternehmens vor und nach einer Prozess-optimierung. Der optimierte Prozess ermög­licht über Onlinetests und Telefoninterviews eine kostengünstige, schnelle und valide Vor-auswahl weniger, aber vielversprechender Kandidaten. Die persönlichen Interviews im Anschluss gestalten sich dagegen intensiver als vor der Optimierung. Im Ergebnis liefert der optimierte Prozess nicht nur eine effizi­entere Selektion – insbesondere Führungs­kräfte aus den einstellenden Fachbereichen müssen weniger Interviews führen –, sondern auch eine effektivere. Die Annahmequote von Vertragsangeboten hat sich erhöht und die schmerzhafte Frühfluktuation im ersten Jahr nach Einstellung ließ sich spürbar reduzieren.

Beispiel Nachfolgeplanung: Unsere Analysen in einem Unternehmen ergaben, dass nur we­nige Positionen tatsächlich aus dem Kreis der vorab nominierten Nachfolgekandidaten be­setzt wurden. Führungskräfte und Personaler betrieben somit viel Aufwand für viele Nach­folgeplanungen mit einem zweifelhaften Ergebnis. Der optimierte Prozess beschränkt sich nun auf wenige kritische Positionen, die das Unternehmen anhand bestimmter Kri­terien eingegrenzt hat. Ausschlaggebend ist beispielsweise, ob sich die Performance des Positionsinhabers unmittelbar auf den Kun­dennutzen und den Geschäftserfolg auswirkt oder ob die Stelle mit externen Bewerbern nur schwer zu besetzen ist. HR fokussiert sich also im Nachfolgemanagement auf einige wenige Positionen – und hat mehr Zeit für eine validere interne Kandidatensuche sowie eine beschleunigte Entwicklung dieser Kandi­daten.