Ein neuer Blick auf das Recruiting: Die vergessenen 80 Prozent
In der HR-Welt wird seit Jahren über Work-Life-Balance, Homeoffice und Employer Branding gesprochen – Themen, die vor allem für akademische Büro-Jobs relevant sind. Doch laut Rob Hirt, Partner Manager bei Hokify, werden damit nur rund 20 Prozent des Arbeitsmarkts erreicht.
Im Gespräch mit Niklas auf der TALENTpro Messe in München macht Hirt deutlich:
„Etwa 79 Prozent aller Jobs in Deutschland sind keine akademischen Berufe. Trotzdem dreht sich fast alles um White Collar Recruiting.“
Damit benennt er einen der größten blinden Flecken im Recruiting: das Blue Collar Segment – also all jene Berufe, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, aber in HR-Strategien kaum vorkommen.
Was bedeutet Blue Collar Recruiting?
Blue Collar Recruiting bezeichnet die gezielte Ansprache, Gewinnung und Bindung von Fachkräften in handwerklichen, technischen und sozialen Berufen – von Elektriker:innen über Pflegekräfte bis zu Lagerist:innen oder Produktionsmitarbeiter:innen.
Diese Zielgruppe unterscheidet sich stark von klassischen White Collar-Kandidaten:
- Sie arbeitet meist ortsgebunden – Homeoffice ist keine Option.
- Sie sucht praktische, sichere und faire Arbeitsbedingungen statt Kickertisch und Obstkorb.
- Sie nutzt andere Kommunikationskanäle und hat andere Erwartungen an Arbeitgeber.
Rob Hirt bringt es im Podcast auf den Punkt:
„Blue Collar-Arbeiter:innen denken morgens um sechs auf dem Weg zur Schicht nicht über LinkedIn-Nachrichten nach.“
Der Do it Jobs Report 2024: Die Bedürfnisse verstehen
Um diese Unterschiede besser zu verstehen, hat Hokify den „Do it Jobs Report 2024“ entwickelt – eine umfassende Studie über die Bedürfnisse, Ängste und Wechselgründe von Blue Collar-Mitarbeiter:innen in Deutschland.
Zentrale Erkenntnisse:
- Motivation aus Leidenschaft
Die Mehrheit der Befragten gibt an, ihren Beruf aus Überzeugung zu machen. Der Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, steht oft über dem Gehalt.
→ Beispiel: Pflegekräfte empfinden ihren Beruf als sinnstiftend, auch wenn die Arbeitsbedingungen schwierig sind. - Haupt-Wechselgründe:
- Körperliche Belastung
- Stress und fehlende Wertschätzung
- Finanzielle Sorgen
- Gesundheitliche Einschränkungen
- Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten
- Informationsdefizit:
Blue Collar-Kandidat:innen haben oft keinen Zugang zu professionellen Karriereplattformen oder Netzwerken wie LinkedIn.
→ Ihnen fehlt die Infrastruktur für berufliche Neuorientierung.
Hokify unterstützt diese Zielgruppe daher mit bewerbungsnahen Tools, User-Support bei Lebensläufen und einer mobiloptimierten Plattform, die Jobsuche und Bewerbung per Smartphone ermöglicht.
Warum klassische Recruiting-Strategien nicht greifen
Viele Unternehmen investieren große Summen in Employer Branding, Social-Media-Kampagnen und Karriereseiten – aber sie erreichen damit die falsche Zielgruppe.
Blue Collar-Kandidat:innen informieren sich nicht auf Karriereseiten oder in Business-Netzwerken, sondern dort, wo sie ohnehin Zeit verbringen: auf dem Smartphone, in sozialen Medien und über Suchmaschinen.
„Niemand sucht mehr aktiv auf Jobbörsen. Menschen googeln oder swipen auf TikTok, während sie im Bus sitzen“, erklärt Hirt.
Social Media als Schlüsselkanal für Blue Collar Recruiting
1. Facebook
Noch immer stark bei älteren Zielgruppen (Ü45), aber zunehmend rückläufig.
2. TikTok & Snapchat
Hier sind die unter 35-Jährigen – also die zukünftigen Fachkräfte.
Kurze, emotionale Videos, die zeigen, wie es wirklich ist, funktionieren hier besser als jede textlastige Anzeige.
3. Google Search & Maps
Viele Jobsuchende geben Suchanfragen wie „Pflegejob in der Nähe“ oder „Elektriker Hamburg Job“ ein.
→ Lokale SEO-Optimierung ist entscheidend.
Praxis-Hack:
Zeige dein Unternehmen in Bewegung – mit echten Mitarbeitenden, echten Stimmen, echten Szenen aus dem Arbeitsalltag.
Beispiel: Ein Hamburger Elektrikerbetrieb mit dem Slogan „Vier-Tage-Woche – komm ins Team Kniffke“ erzielt enorme Aufmerksamkeit, einfach weil die Botschaft ehrlich und greifbar ist.
Authentizität schlägt Hochglanz – Employer Branding neu gedacht
Während viele Konzerne auf professionell produzierte Imagefilme setzen, rät Hirt zu radikaler Authentizität:
- Zeige echte Menschen: Fotos und kurze Videos von Mitarbeitenden im Einsatz.
- Verzichte auf Stockbilder: Die Zielgruppe erkennt sofort, ob etwas gestellt ist.
- Humor & Emotion: Ein ehrliches Lächeln, ein echtes Gespräch oder ein Missgeschick wirken sympathischer als sterile Marketingbilder.
- Sprache der Zielgruppe: Keine Business-Buzzwords, sondern klare, direkte Botschaften.
„Mach ab und zu ein Foto während der Schicht – das ist hundertmal authentischer als jedes Agentur-Bild“, sagt Hirt.
Kultur sichtbar machen: Employer Branding für Handwerk, Pflege & Co.
Auch kleine Betriebe können starke Marken aufbauen, wenn sie ihre Kultur zeigen.
Viele Blue Collar-Unternehmen verfügen bereits über das, was White Collar-Unternehmen teuer einkaufen: Teamgeist, Nähe, Sinnhaftigkeit.
Der Unterschied: Sie kommunizieren es nicht.
Hacks für starkes Blue Collar Employer Branding:
- Echte Einblicke geben: Alltag zeigen, nicht idealisieren.
- Teamfotos statt Hochglanzkampagnen.
- Mitarbeitende sprechen lassen: „Warum arbeitest du hier?“ – in 30 Sekunden erzählt.
- Vorteile klar benennen: 4-Tage-Woche, Dienstwagen, Weiterbildung, Familienfreundlichkeit.
- Sprache einfach halten: Keine Fachbegriffe, keine Floskeln.
Recruiting ist Kommunikation – nicht Technologie
Die Blue Collar-Zielgruppe ist digital erreichbar, aber sie erwartet menschliche Kommunikation.
Während White Collar-Bewerber:innen mit Chatbots oder automatisierten Funnels leben können, möchten viele Blue Collar-Bewerber:innen einen direkten Kontakt, klare Ansprache und Unterstützung im Bewerbungsprozess.
Deshalb bietet Hokify:
- Niedrigschwellige Bewerbung per Klick (ohne Lebenslauf-Upload).
- Support-Teams, die Bewerber:innen beim Ausfüllen helfen.
- Einfache Sprache und mobile Optimierung.
„Unser Ziel ist es, Karriereveränderungen niedrigschwellig zu machen – für alle Berufsgruppen“, erklärt Hirt.
Warum Blue Collar Recruiting jetzt Chefsache ist
Der Fachkräftemangel trifft längst nicht mehr nur IT und Engineering.
Immer häufiger müssen Unternehmen Aufträge ablehnen, weil keine Monteure, Pfleger:innen oder Fahrer:innen verfügbar sind.
Das hat direkte wirtschaftliche Folgen:
- Umsatzverlust durch nicht erfüllte Aufträge.
- Überlastung der bestehenden Belegschaft.
- Wachstumsstopp trotz voller Auftragsbücher.
Deshalb fordert Hirt, das Thema Blue Collar Recruiting strategisch im HR-Management zu verankern:
„Wenn du keine Leute hast, die deine Aufträge ausführen, kannst du auch kein Geld verdienen – so einfach ist das.“
10 Hacks für erfolgreiches Blue Collar Recruiting
Nr. | Hack | Nutzen |
---|---|---|
1 | Zielgruppe verstehen | Welche Bedürfnisse, Ängste und Motive haben deine Kandidat:innen? |
2 | Authentische Kommunikation | Echte Einblicke statt Marketing-Slogans. |
3 | Social Media nutzen | TikTok, Snapchat und Google Maps als neue Recruiting-Kanäle. |
4 | Visuelle Inhalte priorisieren | Videos und Fotos vermitteln Emotionen. |
5 | Einfach bewerben | Bewerbung per Klick oder WhatsApp. |
6 | Employer Branding anpassen | Sicherheit, Team, Wertschätzung statt Homeoffice. |
7 | Mitarbeitende als Botschafter | „Kolleg:innen werben Kolleg:innen“ funktioniert hier besonders gut. |
8 | Arbeitgeberversprechen halten | Wer 4-Tage-Woche verspricht, muss sie auch leben. |
9 | Karrierepfade aufzeigen | Auch Blue Collar braucht Entwicklungsperspektiven. |
10 | Körperliche Belastung ernst nehmen | Ergonomische Verbesserungen, Gesundheitsangebote, Wertschätzung. |
Fazit: Blue Collar Recruiting ist die neue Königsklasse des HR
Die Zukunft des Recruitings liegt nicht nur im Büro, sondern auf der Baustelle, im Krankenhaus und in der Werkstatt.
Unternehmen, die diese Zielgruppen verstehen, authentisch ansprechen und ernst nehmen, sichern sich langfristig ihren Unternehmenserfolg.
Der Do it Jobs Report 2024 von Hokify liefert dafür wertvolle Insights – und zeigt:
Blue Collar Recruiting braucht keine neue Technologie, sondern Empathie, Sichtbarkeit und echte Kommunikation.
Oder wie Rob Hirt es im Podcast sagt:
„Wir müssen uns um die kümmern, die den Laden am Laufen halten.“