three men sitting on chair beside tables
Foto von Austin Distel
Auch im Personalwesen ist Globalisierung keine Einbahnstraße. Es hat lange gedauert, bis sowohl große als auch kleine und mittelständische Unternehmen erkannt haben, dass Mitarbeiterent-sendungen ins Ausland aus Deutschland heraus Gesetzen und Regeln unterworfen sind, die es einzuhalten gilt. Zahllose Fachbücher, Seminare und Expertisen haben sich in den vergangenen zehn Jahren dieses Themas angenommen und für die längst überfällige Sensibilisierung gesorgt. Und nun heißt es erneut, auf Umwälzungen im internationalen Arbeitsmarkt aufmerksam zu machen, die sich bereits vor mindestens zwei Jahrzehnten angekündigt haben. Egal ob es um kleine und mittelständische Unternehmen oder um die Konzernunternehmen geht – internationales Personalmanagement ist in den letzten Jahren sichtbar bedeutender geworden. Während die großen Global Player beim Personalbedarf auf die Fach- und Führungskräfte ihrer ausländischen Unternehmenseinheiten zugreifen, schwebt über dem deutschen Mittelstand das große Damoklesschwert des Fachkräftemangels.
 
Deutschlands demografischer Wandel – die euphemistische Umschreibung für den eklatanten Geburtenrückgang und damit einhergehenden Nachwuchskräftemangel – und die rasch wachsende Internationalisierung sowohl produzierender als auch diensleistungsorientierter Märkte zwingen Unternehmen dazu, Fach- und Führungspersonal zunehmend aus dem Ausland zu rekrutieren. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit fehlen bis 2025 etwa 6,5 Millionen Fachkräfte; mindestens zwei Millionen davon müssten im Ausland rekrutiert werden. Allerdings kommen bisher nur wenige Hochqualifizierte nach Deutschland; die aktuell 16.151 Personen, die der Sachverständigenrat Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in seinem letzten Gutachten 2009 zählte, muten allenfalls als Tropfen auf dem glühend heißen Stein an. Hinzu kommt, dass es die so genannten Millennium-Kinder (auch Millenials), also jene nach 1980 Geborenen, mehr als jede andere Generation vor ihnen ins Ausland zieht. Die Bundesrepublik muss also auch dort fürchten, im eigenen Land ausgebildetes qualifiziertes Fachpersonal ans Ausland zu verlieren.
 
Die gute Nachricht aber ist: Den ausländischen Millenials geht es genau so wie den Deutschen. Auch sie zieht es immer mehr in die Ferne. Dabei ist Deutschland auf der Rangliste der beliebtesten Ziele sogar auf Rang Fünf, wie eine repräsentative Studie von PriceWaterhouse Coupers (PWC) ergeben hat. Weltweit möchte fast jedes dritte Millennium-Kind (32 Prozent) gerne in Deutschland arbeiten. Die Plätze Eins bis Vier belegen übrigens die USA, Großbritannien, Australien und Kanada.


EU-Blue-Card erleichtert Rekrutierung im Ausland
 
Die Bundesregierung hat spät, aber immerhin reagiert und zum ersten August dieses Jahres die EU-Blue-Card (auch Blaue Karte EU) eingeführt. Das Gesetz ist die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie über Einreise und Aufenthalt von Drittstaatenangehörigen mit hoher Qualifikation (Richtlinie 2009/50/EG). Diese Regelung soll es Unternehmen erleichtern, gut ausgebildete ausländische Arbeitnehmer aus Ländern außerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraumes einzustellen. So erhalten EU-Blue-Card-Besitzer mit der Aufenthaltsgenehmigung zugleich auch eine Arbeitserlaubnis. Ihre Ehepartner können ebenfalls ohne Wartezeit und vor allem ohne Nachweis deutscher Sprachkenntnisse hierzulande arbeiten (siehe Abbildung 1). Insbesondere für kleine und mittelständische Firmen bedeutet dies eine Entlastung bei der schnellen Suche nach Fachpersonal.
 
Professionelles Impatriate-Management gefordert
 
Der EU-Vorstoß, die weltweite, länderübergreifende Rekrutierung von Arbeitskräften zu fördern und zu vereinfachen, führt dazu, dass auf der Agenda von Personalabteilungen neben einem professionellen Expatriate-Management ein ebenso ausgefeiltes Impatriate-Management stehen sollte. In der Theorie heißt dies, eine systematische, firmeninterne Regelungsarchitektur zu schaffen, die alle Maßnahmen der Planung, Vorbereitung und Durchführung sowie Nachbereitung eines ausländischen Mitarbeiters zusammenführt. In der Praxis bedeutet das einen immensen Organisations- und Betreuungsaufwand des Impat, den die Verantwortlichen stemmen müssen.
 
Es gilt, Fragen zu klären, die unter anderem das Aufenthaltsrecht und die Arbeitsgenehmigung, die Sozialversicherung und steuerliche Behandlung sowie die interkulturelle Integration des ausländischen Mitarbeiters betreffen – um nur ein paar wesentliche Stichworte zu nennen (siehe Abbildung 2).
 
Deutsches Sozialversicherungsrecht beim Einsatz von Impats
 
Ebenso wie bei der Auslandsentsendung stellt die Frage der Sozialversicherungspflicht auch beim Impat-Management Personaler vor Hürden, die diese schnell ins Straucheln geraten lassen können. Wer das Regelwerk nicht beherrscht und somit die notwendige Klärung der sozialversicherungsrechtlichen Situation des ausländischen Mitarbeiters vernachlässigt, steht in der Haftung. Unternehmen, die Mitarbeiter beispielsweise aus einer Tochtergesellschaft im Ausland nach Deutschland entsenden lassen, bauen gerne darauf, dass die Sozialversicherungspflicht des Gastlandes in Deutschland „einstrahlt“ und der Impat somit in seinem Heimatland sozialversicherungspflichtig bleibt – ein bequemer Weg, der jedoch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen gegangen werden kann. Ob der Impat von der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung erfasst wird, hängt hauptsächlich von seinem Herkunftsland und von den tatsächlichen Merkmalen des geplanten Einsatzes ab. Seine Staatsangehörigkeit dürfte keine Rolle spielen.
 
Kommt der Impat aus dem vertraglosen Ausland beziehungsweise aus einem Land wie Argentinien oder Südafrika mit denen Deutschland aufgrund des zu großen Niveauunterschieds kein Sozialversicherungsabkommen (SVA) geschlossen hat, gilt es zu prüfen, ob die tatsächlichen Merkmale der Beschäftigung in Deutschland die hiesige Sozialversicherungspflicht auslösen. So strahlt die Sozialversicherung des Gastlandes laut Paragraf 5 SGB IV nur dann ein,

  •  wenn es sich um eine Entsendung
  • im Rahmen eines im Ausland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses handelt und
  • die Dauer der Beschäftigung im Voraus zeitlich befristet ist (siehe auch Abbildung 3).
Ist auch nur eine einzige dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, liegt keine Einstrahlung der Sozialversicherungspflicht vor und der Impat muss komplett ins deutsche System übertreten. Erfüllt der Einsatz in Deutschland jedoch die Voraussetzungen der Einstrahlung, dürfte dies in der Regel nicht zu einer ausreichenden Absicherung in in der Bundesrepublik führen. Da der gesetzliche Versicherungsschutz in dem Fall ausgeschlossen ist, bleibt nur der Abschluss entsprechender privater Versicherungen. Das Problem ist: Es gibt keine Behörde hierzulande, die diese Voraussetzungen prüft. Dort hilft nur noch, Experten auf dem Gebiet der internationalen Sozialversicherung wie die BDAE Gruppe ins Boot zu holen.
 
Unternehmen, die Impats aus den europäischen Ländern in Deutschland beschäftigen, müssen darauf achten, ob die ausländischen Mitarbeiter die entsprechende Entsendebescheinigung (A1-Bescheinigung) und die internationale Krankenversicherungskarte (EHIC) mitführen. Fehlt die Entsendebescheinigung, wird der Einsatz in Deutschland als reine meldepflichtige Beschäftigung interpretiert werden. Der Mitarbeiter wird somit in Deutschland sozialversicherungspflichtig.
 
Obacht ist weiter bei der Arbeitserlaubnis geboten. Versäumen Firmen es, diese zu besorgen, so müssen diese nicht nur Strafe wegen Schwarzarbeit zahlen, sondern auch rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge abführen, denn die Sozialversicherungspflicht gilt auch rückwirkend.
 
Besonderheiten bei Abkommensstaaten
 
Besonderheiten bestehen bei Entsendungen aus so genannten Abkommensstaaten, also aus jenen Ländern, mit denen Deutschland ein bilaterales Abkommen über die Sozialversicherungspflicht geschlossen hat. Ob eine Entsendung nach Deutschland im Sinne des Abkommens vorliegt, prüft die ausländische zuständige Behörde und zwar nur über die vom Abkommen erfassten Versicherungszweige und stellt den entsprechenden Nachweis aus. Bei einem Impat aus Indien beispielsweise beträfe dies lediglich die Renten-und Arbeitslosenversicherung. In Sachen Kranken-und Pflegeversicherung entscheidet die deutsche Krankenkasse als Einzugsstelle, über die Unfallversicherung die zuständige Berufsgenossenschaft.
 
Unternehmen, die Impats aus den europäischen Ländern in Deutschland beschäftigen, müssen dafür sorgen, dass die ausländischen Mitarbeiter die entsprechende Entsendebescheinigung (A1-Bescheinigung) und die internationale Krankenversicherungskarte (EHIC) mitführen. Dieser Nachweis (A1), erhältlich bei der zuständigen Krankenkasse oder Behörde im entsendenden Staat, ist essentiell, denn stellt sich bei einer Betriebsprüfung heraus, dass das Papier nicht vorliegt, so muss das Unternehmen neben den Sozialversicherungsbeiträgen im Heimatland des Impat zusätzlich und nachträglich auch Beiträge ins deutsche Sozialversicherungssystem einzahlen – ein mitunter teurer Spaß.
 
Wie beim Expat-Management auch gilt für die Koordinierung der Entsendung von Impats: Personalverantwortliche sollten die Klaviatur der Rechtsvorschriften beherrschen, denn fehlende Nachweise und falsch abgeführte Beiträge führen stets zu Bußgeldern und nachträglich zu entrichtenden Beiträgen. Professionelle Dienstleister wie die auf Entsendeberatung spezialisierte BDAE GRUPPE kennen die rechtlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Impat-Management und weisen auf mögliche Fallstricke hin.
 
Infokasten: Seminar EU-Blue-Card
 
Die BDAE GRUPPE veranstaltet am 17. Oktober von 9 bis 13 Uhr in Hamburg ein Seminar zum Thema EU-Blue-Card: Compliance-Anforderungen im Aufenthalts- und Sozialversicherungsrecht. Die Teilnahmegebühr beträgt 390 Euro. Mehr dazu unter: http://www.bdae.com/de/auslandsberatung/eu_blue_card.htm