In solchen Zeiten, offiziell „Übergangsphase“ genannt, aber in Wirklichkeit doch Dauerzustand, braucht es vor allem eines: „Richtige Chefs“! Mit „richtig“ ist keinesfalls machtbesessen oder patriarchalisch gemeint. Vielmehr sind jetzt echte Vorgesetzte mit all ihren Kompetenzen gefragt. Die Zeit ist schlecht für Schönwetterchefs. Denn Hand aufs Herz: Wenn die Auftragslage super und die Mitarbeitercrew motiviert ist wie ein gespannter Expander, der Teamgeist so richtig zusammenschweißt und jeder weiß, was er zu tun hat… ja dann… braucht es im Grunde keinen Chef. Allerdings sonnen sich nicht wenige gerade dann im positiven Licht. Seht her, zu welcher tollen Truppe wir geworden sind, mit welch großen Schritten wir den Markt erobern. Nun gut, etwas sarkastisch gesagt: Das kann in diesem Moment jeder!
Unsicherheit trifft auch Vorgesetzte
Was aber tun im „permanenten Change-Prozess“, in dem sich Unternehmen gerade befinden. Dieser muss gemanagt und geführt werden. Das ist an sich schon anspruchsvoll genug, aber es kommt noch eine weitere, erschwerende Komponente hinzu: Auch Vorgesetzte sind von den Unsicherheiten in diesen Zeiten betroffen. Nicht selten zeigt sich gerade jetzt: Es lässt sich gut reden und Flexibilität einfordern… bis zu dem Zeitpunkt, an dem man selbst betroffen ist. Jetzt können Führungskräfte zeigen, was sie so drauf haben – vorausgesetzt sie haben es drauf! Sofern Führungskräfte den Anspruch haben, auch in Phasen des „Sturmes mit offenem Ausgang“ zu punkten, macht es Sinn, ein paar Eckpunkte zu beherzigen:
1. Denken Sie in Rollen!
Sie müssen nicht permanent die Führungsrolle einnehmen, sondern dürfen ruhig auch einmal ein Ratsuchender sein. Selbst von der Unsicherheit betroffen, vertrauen Sie sich jemandem an, mit dem Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen sowie sich austauschen können. Hier ist Selbstmanagement gefragt, um Ihre Unsicherheit auf keinen Fall nach außen zu tragen. Denken Sie in Rollen und haben Sie den Mut, unterschiedliche Sichtweisen einzunehmen.
2. Suchen Sie das Positive!
Nie reagieren Mitarbeiter sensibler auf kleinste Signale als in Zeiten des Wandels. Man beobachtet Sie als Vorgesetzter haarscharf und genau. Sie strahlen genau das aus, was Sie sind. Wenn Sie z. B. eine Neustrukturierung mit veränderten Aufgabengebieten präsentieren und selbst nicht daran glauben, können Sie die Worte noch so an das offizielle Wording anlehnen, man wird Ihnen ansehen, dass Sie nicht dahinter stehen. Suchen Sie ganz bewusst das Positive – nicht nur für Ihre Mitarbeiter, sondern ganz besonders auch für Sie selbst.
3. Geben Sie Sicherheit!
In Veränderungsprozessen müssen viele ihr gewohntes Terrain verlassen. Keiner weiß, ob das was „von oben“ lautstark verkündet und schön geredet wird, auch tatsächlich funktioniert. Die Unsicherheit bei allen Beteiligten ist groß. Als Führungskraft müssen Sie jetzt Sicherheit geben. Das geschieht vor allem nonverbal (siehe 2.) und im Alltag durch kleinste Gesten. Reden Sie von der Zukunft nicht plakativ positiv, sondern zeigen anhand von konkreten Beispielen auf, warum und wie genau alles jetzt und in Zukunft ablaufen wird und vor allem gelingt.
Die Königsdisziplin: Mitarbeiter ins Boot holen
Das Top-Management findet Change cool, sieht die Chancen darin und freut sich auf das Neue. Ist auch logisch, sie haben diese Entwicklung ja initiiert und sich lange davor gründlich damit beschäftigt, sich mit Beratern ausgetauscht und intensiv darüber diskutiert. Die Mitarbeiter (und auch die mittlere Führungsebene) sind „nur“ Ausführende, dabei müssten sie vielmehr – und das möglichst schnell – zu Beteiligten werden. Die Königsdisziplin ist also schlussendlich, die Mitarbeitenden ins Boot zu holen. Aber auch das gelingt nicht – wie erhofft und in Unternehmen vielfach praktiziert – mit Phrasen und „Sie-müssen-Veränderungen-als-Chance-sehen“-Befehlen. Inspiration bietet Maslow: Seine Pyramide zeigt, dass es das Erstrebenswerteste ist, sich selbst zu verwirklichen. Das kommt noch vor dem übergeordneten Ich. Hier können Führungskräfte ansetzen. Indem sie gut überlegen, was sie im Rahmen des Change-Prozesses von den Mitarbeitern gestalten lassen können. Es ist ja nicht so, dass restlos alles vorgegeben ist.
Ein Beispiel dazu: Ein großes Unternehmen im Einzelhandel reorganisierte, straffte – das übliche. Viele im Unternehmen waren eingebunden. Allerdings dachte niemand daran, die „Chauffeure“ daran zu beteiligen. Wie auch? Und vor allem WARUM? Die Geschäftsleitung hatte entschieden, dass im Rahmen des neuen Erscheinungsbildes sämtliche Lastwagen weiß lackiert und mit überdimensioniertem Gemüse beklebt werden sollen. So weit so gut. Das wurde „von oben“ entschieden. Die Chauffeure fanden es lächerlich! Bis zu dem Zeitpunkt als sie erfuhren, dass jeder „seinen Lastwagen“ mit der Gemüsesorte bekleben lassen durfte, die er besonders mochte. Plötzlich waren alle mit Feuereifer dabei, es wurde diskutiert, wer denn wohl welches „Früchtchen“ wäre und viel dabei gelacht. Die positive Dynamik wurde von der Geschäftsleitung enorm unterschätzt. Denn wenn ein Fahrer SEINEN Lastwagen mitgestalten darf, ist das fast soviel wert, als wenn er seine Wohnung neu einrichten kann. Die Mitarbeiter haben freiwillig sogar viel private Zeit investiert, um das richtige zu wählen und die Gestaltung mitzubestimmen. Die Chauffeure waren an Bord – komme was wolle. Mehr als vermutet, haben sie den gesamten Change-Prozess nicht nur mitgetragen, sondern zum Erfolg gefahren. Und was will man als Führungskraft eigentlich mehr, als dass im Grunde alle Hierarchiestufen das „cool“ finden, was man in Phasen – pardon im Prozess – des Wandels initiiert.