Frau Dr. Frodermann, Betriebe in Deutschland stehen zunehmend vor der Herausforderung, ihren Beschäftigten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Doch was versteht man überhaupt genau unter betrieblichen familienfreundlichen Maßnahmen?

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Foto von Miguelangel Miquelena

Dr. Corinna Frodermann: Bei der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nehmen Betriebe eine wichtige Rolle ein. Sie sind nicht nur zentral für die Umsetzung von familienpolitischen Maßnahmen, wie beispielweise für die Inanspruchnahme von Elternzeit, sie können auch selbst, ergänzend zu staatlichen Maßnahmen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.

Unter sogenannten betrieblichen familienfreundlichen Maßnahmen versteht man einen breit gefächerten Katalog an Möglichkeiten von Seiten der Arbeitgeber, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Beispielsweise teilt der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) diesen Maßnahmenkatalog, ähnlich wie andere Studien, in vier Hauptbereiche ein: (1) Betreuung von Kindern und Angehörigen, (2) Elternzeit und Elternförderung, (3) Arbeitszeitflexibilisierung und Telearbeit, sowie (4) Familienservices, z.B. Rechtsberatung und haushaltsnahe Dienstleistungen. Der Formalisierungsgrad dieser Maßnahmen variiert zwischen Betriebsvereinbarungen oder tariflichen Vereinbarungen bis hin zu freiwilligen Initiativen.

Welche Maßnahmen werden denn von deutschen Betrieben am häufigsten angeboten?

Dr. Corinna Frodermann: In unserem Projekt arbeiten wir mit den Linked-Employer-Employee-Daten (LIAB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) – bestehend aus Daten des IAB-Betriebspanels und den Prozessdaten der BA. Damit können wir die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gemeinsam im Längsschnitt betrachten. Im IAB-Betriebspanel werden drei familienfreundliche Maßnahmen abgefragt, die besonders relevant für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der frühen Phase der Elternschaft sind: betriebliche Kinderbetreuungsangebote (z.B. Betriebskindergärten und -krippen, finanzielle Unterstützung), Angebote in der Elternzeit (z.B. Weiterbildung) und Langzeitkonten zur Freistellung für Familienzeiten. Zudem enthält das IAB-Betriebspanel Informationen über Maßnahmen zur Frauenförderung, von denen angenommen werden kann, dass sie Mütter zur Investition in ihre betriebliche Karriere ermutigen.

Von diesen vier Maßnahmen werden in unserem Beobachtungszeitraum (2002 bis 2016) betriebliche Angebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Elternzeit durchgehend am häufigsten angeboten und weisen im Zeitverlauf einen deutlichen Anstieg auf (2002: knapp unter 5 %; 2016: über 9 % der Betriebe). An zweiter Stelle stehen betriebliche Kinderbetreuungsangebote mit fast 8 % im Jahr 2016. Maßnahmen zur Frauenförderung und Langzeitkonten zur Freistellung für Familienzeiten spielen hingegen nach wie vor eine untergeordnete Rolle (jeweils etwa 2 % im Jahr 2016).

Wie hat sich denn der prozentuale Anteil an Betrieben, die berichten, mindestens eine der angesprochenen familienfreundlichen Maßnahmen einzusetzen, über den Beobachtungszeitraum verändert?

Dr. Corinna Frodermann: Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass familienfreundliche Maßnahmen in Betrieben über die vergangenen Jahre an Bedeutung gewonnen haben. Über den gesamten Beobachtungszeitraum (2002 bis 2016) ist der prozentuale Anteil an Betrieben, die berichten, mindestens eine der angesprochenen familienfreundlichen Maßnahmen einzusetzen von 6% im Jahr 2002 auf 16% im Jahr 2016 gestiegen.

Ist die Entwicklung, dass familienfreundliche Maßnahmen in den Betrieben über die vergangenen Jahre an Bedeutung gewonnen haben, konstant über unterschiedliche Betriebe hinweg zu finden oder hängt sie mit betrieblichen Merkmalen, zum Beispiel Unternehmensgröße, zusammen?

Dr. Corinna Frodermann: Das Angebot von familienfreundlichen Maßnahmen in Betrieben hängt von vielen Faktoren ab, auch zeigen sich Zusammenhänge mit der Betriebsgröße. Im Schnitt engagieren sich Großbetriebe stärker. Unsere Befunde weisen darauf hin, dass nur bestimmte Maßnahmen in kleinen und mittleren Betrieben umgesetzt werden. Nichtsdestotrotz ist auch hier insgesamt eine stärkere Orientierung an Vereinbarkeitsfragen als noch vor 14 Jahren festzustellen.

Welches sind denn, außer der eben genannten Betriebsgröße, die anderen Faktoren, von denen das Angebot familienfreundlicher Maßnahmen im Betrieb abhängig ist?

Dr. Corinna Frodermann: Neben der Beschäftigtenzahl sind weitere betriebliche Charakteristika relevant für das Angebot familienfreundlicher Maßnahmen. Beispielsweise berichten Betriebe mit einem hohen Anteil an Frauen und qualifizierten Beschäftigten häufiger davon, familienfreundlichen Maßnahmen anzubieten als Betriebe mit einem hohen Männeranteil oder vielen niedrigqualifizierten Beschäftigten.

Relativ familienfreundlich, etwa im Vergleich zum Verarbeitenden Gewerbe oder dem Handel, zeigt sich beispielsweise der öffentliche Dienst – möglicherweise auch, weil er unter einem stärkeren Legitimationsdruck steht als die Privatwirtschaft oder so seine Attraktivität als Arbeitgeber verbessern kann.

Vor allem lange Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes gehen noch häufig mit negativen Karrierefolgen, wie Lohneinbußen oder Berufswechsel, einher. Können familienfreundliche Maßnahmen in Betrieben dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und dadurch eine schnellere Rückkehr nach der geburtsbedingten Erwerbspause ermöglichen?

Dr. Corinna Frodermann: Unsere Ergebnisse zeigen in der Tat, dass Frauen nach der Geburt des ersten Kindes schneller zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren, wenn dieser familienfreundliche Maßnahmen anbietet. So steigt der Anteil derjenigen Mütter, die nach Ablauf des gesetzlichen Elterngeldanspruchs von zwölf Monaten wieder in ihrem alten Betrieb arbeiten, in familienfreundlichen Betrieben mit mindestens einer der oben genannten Maßnahmen deutlich schneller an.

Bietet ein Betrieb familienfreundliche Maßnahmen an, kehren die Mütter aber nicht nur schneller, sondern im Schnitt auch häufiger zu ihrem Arbeitgeber zurück.

Zusammenfassend sprechen die Befunde dafür, dass sich Investitionen in familienfreundliche Maßnahmen sowohl für Mütter als auch für Betriebe auszahlen. Durch die kürzeren Unterbrechungsdauern und die geringere Neigung, den Arbeitgeber zu wechseln, können Mütter besser an ihre bisherige Karriere anknüpfen und diese fortsetzen, ohne firmenspezifisches Wissen zu verlieren. Gleichzeitig bleiben arbeitgeberseitige Investitionen in das Humankapital der Mütter im Betrieb erhalten und können schneller wieder genutzt werden.

 

Zur Person:

Dr. Corinna Frodermann ist Mitarbeiterin im Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im IAB und im Forschungsbereich „Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ im IAB.