Der dritte große Risiko-Faktor einer Auslandsentsendung ist die Komponente ‚Familie’. Jeder Ehemann und Vater, jeder Ehefrau und Mutter wird Auswirkungen auf die persönliche Arbeitseffizienz feststellen, wenn es Mitgliedern der Familie schlecht geht und sich Probleme in diesem Bereich auftun, die der Aufmerksamkeit bedürfen. Jeder Ortswechsel aufgrund eines Jobwechsels von Ehemann/ Vater oder Ehefrau/ Mutter stellt die „Mitziehenden“ vor eine Anpassungsaufgabe. Dies betrifft Führungskräfte im Inland oder im Ausland gleichermaßen.
Die Anpassungsleistungen, die bei einer Auslandsentsendung gefordert sind, sind jedoch wesentlich komplexer und vielfältiger und damit auch der Druck, dem das System Familie ausgesetzt ist. Durch den Wegfall vieler Beziehungen und menschlicher Unterstützungssysteme ist die Familie im Ausland zudem auf eine besondere und „verschärfte“ Weise auf sich selbst zurückgeworfen und aufeinander angewiesen.
Hinzu kommt, dass sich das Gefüge innerhalb der Familie ändert[1]. Das Gleichgewicht innerhalb der Partnerschaft verschiebt sich gleich auf mehreren Ebenen:
Die Familie muss sich im Ausland als System neu aufstellen und ein neues Gleichgewicht finden. Dies birgt ein nicht unerhebliches Risiko, dass dies zu emotionalen Anspannungen und manchmal Verwerfungen kommt, die Energie und Aufmerksamkeit binden. Studien der letzten Jahrzehnte haben immer wieder gezeigt, dass dies ein häufiger Grund ist für den Abbruch von Auslandsentsendungen.[2]
Ein weiterer Faktor, der potentiell die Wirksamkeit und den Erfolg von entsandten Führungskräften vor Ort in Frage stellen kann, ist der kulturelle. Am Auslandsstandort steht die Mitarbeiterführung im Zeichen kulturgebundener Verhaltensweisen, der eigenen und der der Mitarbeiter bzw. Teammitglieder vor Ort. Nicht selten kommt es dabei zu Irritationen auf beiden Seiten. Das Zusammentreffen der kulturellen Verhaltenserwartungen des Entsendungslandes und jener des Gastlandes, z.B. bzgl. Hierarchie, Führungsverhalten, Koordination, Kommunikation, machen Kooperation und Effizienz zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Sprachproblematiken lösen zudem eine Vielzahl von Dynamiken aus und können diese Situation verschärfen (Lesen Sie dazu „Lingua Franca und alles klar?“).
Hier benötigen Auslandsmanager*innnen eine hohe eigene Bewusstheit in Bezug auf die Mechanismen interkultureller Zusammenarbeit und deren nicht immer evidenten Fallstricken. Entsandte benötigen die Fähigkeit, Kulturdifferenzen, wenn erforderlich, zu thematisieren ohne in stereotype Zuschreibungen zu verfallen. Sie benötigen die Fähigkeit, kulturelle Verständigungsprozesse so zu initiieren und zu begleiten, dass effiziente Arbeitsbeziehungen und -strukturen, sowohl vertikal als auch horizontal, sichergestellt werden. Sie brauchen zudem ein Bewusstsein um die Relativität der eigenkulturellen Sicht.
Auslandstandorte erfordern, so lässt sich als Fazit feststellen, eine hohe Management-Qualität unter „erschwerten“ oder zumindest bei Entsendungsbeginn zum großen Teil unbekannten Bedingungen. Kann diese hohe Management-Qualität nicht gewährleistet werden, stellt dies ein Risiko für die mit der Entsendung verbundenen Unternehmensziele dar und ebenso für den Entsendungserfolg auf persönlicher Ebene. Eine gängige Form diese Anforderungen vor Ort zu bewältigen, ist den zeitlichen Arbeitseinsatz zu erhöhen.
Internationalisierung ist schon seit langem im Mittelstand angekommen. Das Tempo, mit dem sich auch mittelständische Betriebe durch die Gründung von Auslandsniederlassungen auf neue Märkte einstellen, nimmt zu und verlangt von Unternehmen eine hohe Lernbereitschaft und Agilität. Auslandsmanagern, also an Auslandsstandorte entsandten Führungskräften, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. (s. auch „Internationalisierung mittelständischer Unternehmen“). Gleichzeitig besteht ein beträchtliches Risiko für den Erfolg einer Entsendung, denn Auslandsmanager stehen in dreifacher Hinsicht besonderen Herausforderungen gegenüber.
In allen drei Bereichen wird bei genauerer Betrachtung deutlich, dass eine kontinuierliche Begleitung vor Ort das Risiko eines Scheiterns deutlich verringern kann.
Dies ist auch aus wirtschaftlicher Sicht geboten, denn entsandte Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle im Gelingen der Auslandsinvestition, da sie zentrale Aufgaben bei der Steuerung und Kontrolle der ausländischen Unternehmensaktivitäten wahrnehmen. Wenn diese zentralen Aufgaben der Steuerung nicht gelingen, wenn die entsandten Führungskräfte in dieser Schlüsselstellung nicht die erwartete positive Wirkung entfaltet, kommt es z. B. zu Verzögerungen, Fehlern, Fehleinschätzungen. Führt dies zum Austausch einer Führungskraft, addieren sich zu den Kosten des Wechsels, betriebswirtschaftlich gesehen, auch noch die Kosten der unternehmensintern erfolgten Dysfunktionalitäten, Konflikte etc. hinzu und die daraus entstandenen Schäden und negativen Auswirkungen.
Mit einer adäquaten Begleitung über den Zyklus der Auslandsentsendung hinweg, mit der das Unternehmen sicherstellt, dass die Entsandten der jeweiligen Situation und den Anforderungen angemessen unterstützt werden, können erhebliche etwaige Kosten vermieden werden. Dazu zählen nicht nur die Kosten eines vorzeitigen Abbruchs, sondern auch die jene Kosten, die durch „Folgeschäden“ der verminderten Management-Qualität zustande kommen: verschleppte Prozesse, Imageschäden, ineffiziente Teams. Dies dient dem Schutz der Investition in die Entsendung und trägt maßgeblich dazu bei, dass das Unternehmen international erfolgreich agiert und expandiert.
Unternehmensintern bedeutet die Etablierung und Betreibung von Auslandsstandorten immer den Versuch, unter sehr veränderten Voraussetzungen die gleichen, meist aber höhere Gewinne zu erzielen. Das Unternehmen versucht seine Ziele in einem Umfeld zu erreichen, das sich anders verhält und nach anderen Regeln funktioniert als Deutschland. Dazu muss es gleich gut, wenn nicht sogar besser funktionieren. Vor allem intern. Der Auslandsstandort muss sicherstellen, dass innerorganisatorische Prozesse und Funktionsweisen optimal auf den neuen Standort ausgerichtet sind, ohne die Synchronizität mit der Muttergesellschaft zu verlieren.
Prozesse und Strukturen, die sich im Inland bewährt haben, müssen meist angepasst werden, um den Abläufen im international operierenden Unternehmen gerecht zu werden. Wie genau, entscheidet sich nicht am Reißbrett, sondern im Umgang mit Problemen im täglichen Betrieb. Auslandsmanagern kommt hier eine kritische Rolle im Lernprozess des Gesamtunternehmens zu: bestehende Abläufe müssen permanent auf ihre Eignung im Auslandskontext überprüft, und ggf. angepasst werden. Eine gute Kommunikation sowohl innerhalb des Auslandsstandorts, als auch zwischen Auslandsstandort und Unternehmenszentrale ist hierfür unerlässlich.