Durch das Coronavirus hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Viele Beschäftigte sind seit Monaten in Kurzarbeit, arbeiten im Homeoffice und betreuen parallel die Kinder, oder haben sogar die Kündigung erhalten. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) wirkt sich die Corona-Pandemie bei vielen Beschäftigten teils massiv auf die psychische Gesundheit aus. Gründe dafür seien die vielfach deutlichen längeren Arbeitszeiten – aber auch die Angst vor dem Verlust des Jobs. 

woman sitting on black chair in front of glass-panel window with white curtains
Foto von Anthony Tran by unsplash

Hinzu kommen die Hygiene- und Abstandsregeln am Arbeitsplatz: Wer einen Achtstunden-Tag mit Alltags- oder FFP-2-Maske verbringen muss, fühlt sich nicht selten in seiner Atmung beschwert oder gar belastet. Für viele Menschen ist dies – zumal über einen längeren Zeitraum – nur schwer zu ertragen. Auch der geforderte und gebotene Abstand zu Kollegen kann unter Umständen zu Brechungen oder zumindest Veränderungen der gewohnten Kommunikation führen, die sich unmittelbar auf eingespielte Arbeitsabläufe auswirken. Arbeitnehmer, die im Homeoffice arbeiten, beklagen besonders die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wer sich gleichzeitig auf seinen Job und ein kleines Kind kümmern muss, das wegen Corona nicht in die Kita kann, ist schnell mit seinen Möglichkeiten am Ende. 

Gesundheitliche Risiken neben einer Infektion mit dem Virus

Aber es geht noch weiter. Mit der Arbeit im Homeoffice können durchaus gesundheitliche Risiken einhergehen. Wissenschaftlichen Studien zufolge arbeiten Angestellte im Homeoffice mehr als im Büro. Eine Umfrage der Baua hat ergeben, dass zu Hause arbeitende Menschen häufiger Überstunden machen als an ihrem normalen Arbeitsplatz und darüber hinaus die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestruhezeiten nicht einhalten. Die Folge: Sie erholen sich nicht ausreichend und werden gesundheitlich anfällig, was unter den Bedingungen der Coronapandemie ein doppeltes Risiko bedeutet. 

Psycho-Stress in unterschiedlichen Ausprägungen

Nicht nur die Beschäftigten in systemrelevanten Berufen wie Pflegekräfte, sondern auch Mitarbeiter im Handel oder anderen Bereichen beklagen durch Corona zunehmenden psychischen Stress, der sich in verschiedenen Ausprägungen zeigt:

  • Nach Informationen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) äußern sich diese negativen Gefühle in erster Linie in Druck, der die Beschäftigten reizbar und unkonzentriert mache. 
  • Berichtet wird auch vom Unvermögen abzuschalten und den Kopf nach Feierabend frei zu bekommen. 

So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass eine Studie der KKH-Krankenkasse aus dem Jahr 2020 (Erhebungszeitraum erstes Halbjahr) einen deutlichen Anstieg psychischer Erkrankungen verzeichnet: Im ersten Halbjahr 2020 registrierte die Krankenkasse rund 26700 (von rund 1,7 Millionen Versicherten) Krankmeldungen. Als Grund wurden seelische Leiden angegeben. Nach Angaben der KKH seien dies rund 80 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2019. 

Psychische Gesundheit: Arbeitsbedingungen entscheiden mit

Es sind auch die Arbeitsbedingungen, die einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie gut oder schlecht die Beschäftigten mit der aktuellen Situation zurechtkommen. Die DGUV hat Handlungsleitlinien für Arbeitgeber zusammengestellt und Checklisten ausgearbeitet, mit denen man psychische Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann. Arbeitgeber können diese Checklisten – sowohl branchenübergreifend als auch für Beschäftigte im Gesundheitswesen – herunterladen und sich an diesen Empfehlungen orientieren, auch um mögliche Gefährdungen ihrer Angestellten zu minimieren. 

„Verächtliche Kommentare“

Hinzu kommt: Der „Zeit“ zufolge berichteten Arbeitnehmer im Januar 2021 kurz nach der Verschärfung der Lockdown-Regelungen mit der verbundenen Empfehlung an die Arbeitgeber, Beschäftigten ins Homeoffice zu schicken, von „verächtlichen Kommentaren“ und „erzwungener Präsenz“, wenn sie den Arbeitsplatz in die eigenen vier Wände verlegten. „Viele schreiben, dass sie nicht einmal erfahren, warum sie nicht von zu Hause aus arbeiten dürfen“, so die „Zeit“. Außerdem, so kann man lesen, fürchten manche Arbeitnehmer auch negative Konsequenzen, wenn sie die Entscheidung des Arbeitgebers für eine Präsenzpflicht am Arbeitsplatz kritisieren. Dabei, so heißt es, seien es nicht ausschließlich die Arbeitgeber, die Druck auf Mitarbeiter ausüben würden. Oft seien es auch Kollegen, die sich gegenseitig Druck machten. Solche, die lieber im Homeoffice arbeiten, gelten der „Zeit“ zufolge im besten Fall als Individualisten, aber auch wenig belastbar, unsozial oder gar als Hypochonder. 

Prävention auf unterschiedlichen Feldern

Auch die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften haben sich mit der Kampagne „kommmitmensch“ in Sachen Prävention und Schutzmaßnahmen zu Wort gemeldet. Sie empfehlen die Berücksichtigung einer ganzen Reihe von Prinzipien, die schon unter normalen Bedingungen in der Arbeitswelt ihren Platz haben sollten, die aber in Zeiten von Corona umso wichtiger werden. 

Dazu gehört etwa, dass Führungskräfte sich in Sachen Einhaltung von Schutzmaßnahmen vorbildlich verhalten, oder die Mitarbeiter bei der Planung von Corona bedingten Veränderungen von Arbeitsabläufen, Schichtplänen oder anderen Faktoren einbeziehen. Klaren und nachvollziehbaren Kommunikationsstrukturen und Informationswegen kommt unter Krisenbedingungen eine ebenso große Bedeutung zu, wie der konstruktive und tolerante Umgang mit Fehlern, die bei sich verändernden Routinen und Arbeitsabläufen natürlich nicht ausbleiben.

Bündnis für psychische Gesundheit

Sowohl das Bundesgesundheits- als auch das  Bundesarbeitsministerium haben sich in den vergangenen Monaten verstärkt um das Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz gekümmert: Seit Oktober 2020 existiert ein Bündnis aus Politik und mehr als 50 Institutionen im Präventionsbereich, welches auch dazu dienen soll, dass Menschen ihre psychischen Belastungen und Grenzen auch mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie besser wahrnehmen und kommunizieren können. 

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD): „Wir möchten Arbeitgeber dabei unterstützen, die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu stärken. Das liegt auch im wirtschaftlichen Interesse der Arbeitgeber, denn psychische Erkrankungen sind mit hohen Ausfallzeiten verbunden.“ 

Infizierter Mitarbeiter: Wer haftet?

Wenn sich Arbeitnehmer im Betrieb mit dem Coronavirus infizieren, haftet der Arbeitgeber normalerweise zivilrechtlich nicht. Die Haftung ist durch die bestehenden Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach Paragraf 104 des 7. Sozialgesetzbuches geregelt. 

Allerdings lehnen sowohl die DGUV, als auch gewerbliche Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ab, Schäden zu übernehmen, wenn eine Covid- 19-Infektion am Arbeitsplatz zustande gekommen ist. Und zwar deshalb, weil diese Erkrankung nicht als ein arbeitsspezifisches Risiko gilt. Vielmehr, wird argumentiert, gelte eine Pandemie als allgemeine Gefahr. Allerdings haben die Sozialgerichte bislang noch nicht endgültig klären können, wie die Rechtslage genau aussieht. Das bedeutet, dass Arbeitgeber derzeit riskieren, für Personenschäden in Regress genommen zu werden, wenn sie sich fahrlässig verhalten haben. 

Zumindest ist denkbar, dass Unternehmer haften müssen, wenn sie nicht dafür sorgen, dass beispielsweise Sicherheitsabstände im Betrieb nicht eingehalten werden oder wenn sie Beschäftigte mit Krankheitssymptomen nicht nach Hause schicken. 

Auch deshalb sind geeignete Schutzmaßnahmen dringend angeraten. Gefährdungen am Arbeitsplatz müssen im Rahmen der allgemeinen Fürsorgepflicht vom Arbeitgeber beachtet werden, was bedeutet, dass sich jeder Unternehmer, der Mitarbeiter beschäftigt, stets auf dem Laufenden halten muss. Missachtet der Arbeitgeber die Regeln, kann sich der Arbeitnehmer weigern, zur Arbeit zu kommen und sich auf seinen Anspruch auf Infektionsprävention berufen. Arbeitgeber müssen in diesem Fall trotzdem Lohn oder Gehalt zahlen.