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Foto von Thomas Martinsen

KOORDINATE 1 // Kreativität im
Science Fiction-Modus

Keine lange Rede, kurzer Sinn vorweg: Der beeindruckende Ideenreichtum von Science Fiction wurzelt darin, dass die Umsetzung von unglaublichen Einfällen absolut kein Thema ist. Die Frage „Wie geht das, aus Sicht unserer Realität?“ lassen die Filmautoren beiseite. Und wo früher Attrappen und Komparsen für die nötigen Funktionalitäten sorgten, kommt heute digitale Technik zum Zug. Nun können Zukunftshelden erst recht fliegen, beamen, sich verformen und ihre Umwelt modellieren. Und der Zuschauer würde in keiner Szene mit dem innerer Zensus den mahnenden Finger heben. Der vierköpfige, blaue Außerirdische spaltet sich ganz einfach und zwei, jeweils zweiköpfige Zwillinge entstehen, das ist doch klar in der Logik des Science Fiction.

Die Ideensuche im Science Fiction-Modus blendet den Old School-Ansatz vollständig aus. Old School bedeutet: Der voller Zoom, der kompletter Fokus, alle Lichter sind auf die Funktionalität gerichtet. Im Alltag hört sich das dann so an:  „Das hat noch nie funktioniert“ oder - der Klassiker schlechthin - „Das haben wir schon immer so gemacht“.

Liebe Leser, die Frage ist nicht, wie und ob eine Szene funktioniert,
sondern allein, wie sie zur Geschichte beiträgt.

Genau in dieser Polarität der Blickwinkel „wie“ und „was“ liegt die Herausforderung im Alltag. Und Alltag ist da ein ganz großes Stichwort für viele verworrene Diskussionen. Der Alltag findet meist unter dem Titel „ABER!“ statt. Ausformuliert heißt das: Was bringen mir Science Fiction-Wahrheiten, wenn ich aber eine HR-Strategie, eine interne Dienstleistung oder eine Optimierung von Arbeitsprozessen  aufsetzen muss; um nur einige Beispiele zu nennen? Ohne Rücksicht auf den Gang der Realität tut sich sowieso nix, oder?!

Gegenfrage: Oft sollen doch außergewöhnliche Ideen umgesetzt werden, braucht es Änderungen im großen Stil. Und da ist guter Rat teuer, oder?! Wenn wir wirklich solche großformatige und außergewöhnliche Ideen wollen, müssen wir also verschiedene Phasen in der Entstehung und Verwirklichung von Ideen voneinander unterscheiden. Es wird nicht in Schwarz und Weiß gemessen – „Geht oder geht nicht“, sondern es muss differenziert werden. Hierhin liegt der absolute Königsweg aus dem Realitätsdilemma:

  • In einer ersten, kreativen Phase werden zunächst Ideen gesammelt.
    Der Grad ihrer Realitätsnähe spielt noch keine Rolle. Wir befinden
    uns also im Science Fiction-Modus.
  • Die Frage nach der Umsetzung stellt sich erst in einer
    zweiten, späteren Phase.


Der Trick an dieser Dramaturgie ist, dass wenn wir mit unseren Gedanken nicht bei der Umsetzbarkeit starten und so eher auf neue Ideen und auf außergewöhnlich Anderes stoßen. Also: Denken Sie bei Ihrer Ideenfindung im Science Fiction-Modus: Kritik ist dabei durchaus erlaubt. Fragen und Zweifel dürfen sich aber nie auf die Ebene des „Wie mache ich das“ durchzeichnen. Zur Erinnerung: Die kreativen Todesurteile lauten „Das geht bei uns nicht, weil...“ oder „Dies ist mit unseren Möglichkeiten nicht umsetzbar, weil...“. Wo im Film kein Raumschiff startet, setzen Sie auch keine bewegende Idee um.

KOORDINATE 2 // Leidenschaft im All

Ideen aus dem Science Fiction-Modus wollen in der Realität verankert sein. Noch ist die neue Idee ein zartes, ungeschütztes Wesen. Schnell kann sie vom Tisch gewischt werden. Wer für seine Idee Leidenschaft aufbringt, gibt ihr und sich selbst Kraft. Dazu erzähle ich Ihnen eine Geschichte aus meinem Berufsleben, die das sehr schön bebildert. Ich nehme Sie aus Ihrem Joballtag mit ins Fußballstadion:

Es ist 1997, gegen Ende meines Studiums. Ich komme mit dem Deutschen Fußball-Bund in Kontakt. Ein Frauen-Länderspiel soll regional vermarktet werden. Mich reizt der Job und so nehme ich eine Menge Türklinken in die Hand, verfahre ordentlich Kilometer, um potenzielle Sponsoren zu finden. Kein Erfolg. Ich schreibe eine Stadionzeitschrift und biete Unternehmen Anzeigen in derselben an. Vielleicht gewinne ich so einen Hauptsponsor. Das alles ist gut und spannend, bringt mich aber nicht wirklich mit einem Siebenmeilenschritt nach vorn. Irgendwann dreht sich mein Kopf, der berühmte Tunnelblick stellt sich ein. Bis ich eines Abends in meiner Studi-WG der Würze von Gerste und Hefe ordentlich zusage und in kleiner Runde über mein Projekt herum philosophiere. Ich fange an, im besten Sinne zu fantasieren. Was wäre, wenn? Und plötzlich kommt mir eine Idee. Mein Herz schlägt schneller, die Hände werden warm, mein Nacken kribbelt leicht. Vor meinem inneren Auge sehe ich ein ganz klares Bild: Alle Besucher des Fußballspiels sind mit Butterbrotpapier und Kämmen ausgerüstet und summen gemeinsam ein Lied, das damals nahezu jeder noch von der Europameisterschaft 1996 kannte – „Football ́s coming home“ von den Three Lions. Dieses Lied erschallt nun aus tausenden Kämmen und sichert uns den Weg ins Guinness Buch der Rekorde.

Anmerkung des Autors: Liebe Leser, ich rufe durchaus nicht zum Alkoholkonsum auf.
Mit ein wenig Übung entwickeln Sie wunderbar kreative Ideen
jederzeit im Alltag, ganz ohne chemisches Gehirndoping ;-)).

Drei Tage später treffe ich mich mit dem Marketingverantwortlichen eines bekannten Finanzunternehmens, der mich Wochen zuvor schon einmal getroffen hatte. Im Unterschied zu meinem ersten Besuch habe ich jetzt eine Vision vor Augen. Ich kann das Stadion förmlich hören und spüren, welches in meiner Fantasie gefüllt ist mit mehreren tausend Menschen, die gleichzeitig „Football ́s coming home“ summen. Dieses Bild male ich meinem Gesprächspartner aus. Ich sage: „Stellen Sie sich vor, wie 6.000 Menschen das Stadion betreten und bereits am Eingang einen Kamm mit Ihrem Logo darauf in die Hand bekommen. Auf den Weg zu den Plätzen stecken sie den Kamm in ihre Hosentasche. Wenn dann der große Moment im Fußballspiel kommt, wickeln diese 6.000 Menschen den Kamm mit Ihrem Logo in Butterbrotpapier und führen ihn an ihre Lippen. Ein gewaltiges Summen halt durch das Stadion, wenn alle gemeinsam mit ihren Kämmen „Football ́s coming home“ anstimmen. Die Kämme werden anschließend nicht einfach weggeworfen. Sie haben ja eine große emotionale Bedeutung erhalten. Die Kämme mit Ihrem Logo stehen für einen Rekord und sie stehen für: „Ich war dabei“. Der Kamm mit Ihrem Logo bekommt bei vielen Fans daheim einen Ehrenplatz. Und noch Monate später werden die 6.000 Teilnehmer des Rekordes den Kamm und Ihr Logo immer wieder ansehen und den Rekord vor Augen haben.“ Als ich geendet habe, schaut mich der Marketingverantwortliche an und sagt mit belegter Stimme: „Wie viel Geld brauchen Sie?“ (Wie die Geschichte vom Rekordversuch ausging, können Sie im Buch „Die 7 Säulen der Macht reloaded“ nachlesen oder sich im Videobeitrag auf www.nils-baeumer.de anschauen.)

Was Ihnen diese kleine, wahre Geschichte sagen möchte ist: Keine Idee findet in die Realität, wenn sie nicht lebendig wird. Ob eine Idee lebt, spüren Sie vor allem und zuerst an sich selbst: Bemerken Sie ein Kribbeln im Körper? Belebt sich sich Ihr Puls? Werden Sie ganz besonders munter? Falls nicht, dann prüfen Sie die Idee doch noch einmal. Wenn sich nämlich kein plastisches Bild, keine Vision entwickelt, welche Begeisterung in Ihnen entfacht, können Sie Ihre Idee weniger gut weiterspinnen und bei anderen Menschen mit Ihrer Leidenschaft verankern. Selbst das, was im ersten Augenblick noch als solider Einfall erscheinen mag, korrodiert unter Kritik und Gegenargumente. Dieser Widerstand ist vielen Einfällen sicher, denn keiner ist im ersten Moment perfekt. Gut also, wenn das innere Feuer für eine Idee der Energielieferant sein kann für den nötigen folgenden Prozess des Prüfens und Testens.

Tipp: Leider entstehen in Unternehmen noch viele Ideen aus Prozessen heraus, „die halt gegeben sind“. Das prominenteste Beispiel dafür ist der populäre kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP); eine zweifelsohne tolle Methode, die auch veritable Ergebnisse bringt. Der Haken daran: Verbesserungen, die nur umgesetzt werden, um eine monatliche Soll-Quote an gewünschter „Veränderung“ umzusetzen, haben nicht die durchschlagende Kraft, um nachhaltig zu wirken und Gegebenheiten spürbar zu ändern.

Wenn Ideen aus dem Science Fiction-Modus in die Umsetzung gelangen, kommen meist automatisch andere Menschen ins Spiel. Keine HR-Strategie, keine Präsentation einer Recruitingidee findet in abgeschiedenen vier Wänden statt. Es gibt Publikum, Partner, interne Kunden und ähnliche. Werden diese adressiert, genügt es nicht mehr, das wir selbst und unser enges Umfeld von unserer Idee begeistert sind. Wir können unsere Leidenschaft für eigene Ideen nicht mehr allein pflegen. Natürlich ist auch in der Umsetzungsphase noch Kreativität gefragt. Doch es geht es jetzt stärker um das „Wie“: Wie kann ich meine Idee auf dem Markt bringen? Wie schaffe ich es die Begeisterung, die in meiner Idee, meinem Produkt steckt, auf den Abnehmer zu übertragen?

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SERVICE


In meinem Buchbeitrag „Die 7 Säulen der Macht reloaded“ erfahren Sie, wie Sie rasch im Alltagsgeschäft in den Science Fiction-Modus wechseln. Und ich beantworte die Frage, ob es möglich ist, das Gehirn bewusst für uns arbeiten zu lassen.

Für mehr Info:
http://www.amazon.de/Die-Säulen-Macht-reloaded-Schlüssel/dp/3945112001

Hier erleben Sie einen Vortrag von mir:
http://www.youtube.com/watch?v=TApgoJ8Czg8