Grund 1: Es herrschte damals – fast so wie heute – ein grosser Mangel an Computer-Kräften. So fehlten der amerikanischen Computerindustrie 1968 derart viele Fachkräfte, dass eine IT-Firma aus New York sogar Gefangene der legendären Vollzugsanstalt Sing-Sing anwerben wollte…eine ungewöhnliche und zugegeben etwas verzweifelte Form des Outsourcing und ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert man diesem Beruf zumass.

MacBook Pro on brown wooden table near pen organizer
Foto von Markus Spiske

Grund 2. Frauen selbst sahen sich als Computer-Fachkräfte prädestiniert, da sie die dafür erforderlichen Fähigkeiten mitbrachten, wie Grace Hopper, eine der Pionierinnen der Informatik es formuliert: “Man muss vorausplanen und alles so terminieren, dass es fertig ist, wenn man es braucht. Das geht nur mit Geduld und dem Blick für Details. Frauen sind Naturtalente im Programmieren.” Einen anderen Grund liefert Verena Töpper in ihrem Artikel auf Spiegel.de, wenn sie den amerikanischen Historiker Nathan Ensmenger aus seinem Aufsatz “Wie Programmieren eine Männerdomäne wurde” zitiert: “Programmieren war anfangs als Arbeit für Bürokräfte mit niedrigem Status gedacht – also für Frauen. Die Disziplin wurde erst nach und nach bewusst in ein wissenschaftliches, männliches Fach mit hohem Status transformiert”.

 

Vorbilder für Frauen in den MINT-Berufen sichtbar machen
So schreibt Töpper: „Grace Hopper arbeitete an der Harvard University mit dem ersten vollelektronischen Rechner der Welt, dem Mark I. Später benannte sie den Computer-Bug, erfand den Compiler, eine Software, die Programmierkommandos in Maschinensprachcode umwandelt und entwickelte die erste Programmiersprache, die mit umgangssprachlichen Worten funktioniert. Auch der Nachfolger des Mark I, der Eniac, wurde von Frauen programmiert.“

Die alten Mythen ziehen immer noch
„Frauen, die gut in Mathe sind, sehen auch so aus“, so der Kommentar eines Physiklehrers in den 90ger Jahren in einem Gymnasium. Dabei übersah er geflissentlich, dass die beiden weiblichen Mathe-Cracks der Klasse sehr attraktiv waren. Er blieb „sehenden Auges“ bei seinem Urteil. Das zeigt die tiefen, teils irrationalen Wurzeln alter Mythen. Empirisch nie zu belegen, halten sich Vorurteile gegenüber Frauen in der Arbeitswelt hartnäckig, trotz moderner „codes of conduct“. Der Ausspruch zeigt, wie verurteilend bestimmte Schlagwörter, Sätze und Kommentare, die das Selbst- und Fremdbild von Frauen und Männern prägen, sein können. Sie zeigen auch, dass man früh ansetzen muss, um Vorurteile zu überwinden.

 

Kompetenzen von Männern und Frauen gleichermaßen sichtbar machen
Dass heute Frauen (angeblich) kein Interesse an den sogenannten MINT-Berufen zeigen, liegt auch an dem Mangel an Vorbildern. Dass Manager sich Frauen in diesen Berufen nicht vorstellen können, ebenso. Denn Frauen in der IT waren und sind selten „sichtbar“: Bei der Vorstellung des Eniac im Februar 1946 stellte man nur die am Projekt beteiligten Männer vor, die sechs Programmiererinnen blieben unerwähnt. Und wussten Sie, dass im Jahre 1987 in den USA der Anteil der weiblichen Software-Entwickler bei 42% lag? Immerhin: während beispielsweise in der Schweiz 2014 der Frauenanteil der unter 20-Jährigen im ersten Ausbildungsjahr im Fach Ingenieurwesen und Technik noch 6,4% betrug, belief er sich beim Eintritt der Frauen in die Fachbereichsgruppe IT und Technik auf den Fachhochschulen 2015 schon auf 11,0% und in der Fachbereichsgruppe technische Wissenschaften der universitären Hochschulen auf 30,6%. Eine echte Chance für die digitale – und unternehmerische Entwicklung.