Das Nachhaltigkeitsthema hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen festen Platz in der politischen Diskussion errungen und erweist sich seit geraumer Zeit auch für Unternehmen als äußerst bedeutsam. Zahlreiche Institutionen (darunter UN, EU-Kommission, NGOs) verlangen Rechenschaft über die Nachhaltigkeit unternehmerischen Handelns. Das Nachhaltigkeitsprinzip fordert dazu auf, die im Wertschöpfungsprozess genutzten natürlichen und menschlichen Ressourcen so einzusetzen, dass die Ressourcenbasis (zumindest) erhalten bleibt und die Konsequenzen für Umwelt sowie Gesellschaft Beachtung finden.

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Foto von Georgie Cobbs

Die Ressourcenperspektive des Nachhaltigkeitsprinzips erweist sich für das Personalmanagement als unmittelbar relevant, weil Letzteres für den Einsatz der Humanressourcen verantwortlich ist. Die Diskussion um die Nachhaltigkeit des Personalmanagements wird jedoch im Vergleich zu den ökologischen Aspekten weiterhin eher nachrangig geführt. Im Personalmanagement findet sich mitunter immer noch eine ausgeprägte Verbrauchsorientierung. Im Extremfall werden Mitarbeiter dann bis zur Beanspruchungsgrenze oder sogar darüber hinaus belastet und schließlich bei auftretenden Leistungsdefiziten ausgetauscht.

Dieses Verbrauchsdenken widerspricht dem Nachhaltigkeitsgedanken eklatant. Es erweist sich nicht nur als moralisch verantwortungslos, sondern auch aus ökonomischer Perspektive als überholt. Nicht zuletzt setzt der verbrauchsorientierte Umgang mit Humanressourcen voraus, dass jederzeit hinreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Engpässe gerade bei der Beschaffung qualifizierten Personals gab es jedoch immer wieder und sind künftig erst recht zu erwarten.

Darüber hinaus wird das Personal aus ökonomischer Sicht keineswegs mehr als reiner Kosten-, sondern zugleich als unerlässlicher Erfolgsfaktor angesehen. Deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit zunehmend auf das Humankapital, das es zu erfassen, gezielt zu steuern und weiter zu entwickeln gilt (Christian Scholz/ Volker Stein/Roman Bechtel, 2006). Der nachhaltigkeitsorientierte Einsatz der Humanressourcen erweist sich vor diesem Hintergrund also auch als ökonomisch begründbar.

Humanressourcen weiterentwickeln

Letztlich entscheidet die Art des Personaleinsatzes darüber, inwieweit das Leistungspotenzial der Mitarbeiter verbraucht oder im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips gesichert oder erweitert wird. Das nachhaltige Personalmanagement ist explizit mit dem Ziel des Aufbaus, Erhalts sowie der Weiterentwicklung eingesetzter Humanressourcen verbunden. Letzteres soll sowohl zur Unternehmenswertsteigerung beitragen als auch die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der Mitarbeiter fördern. Nachhaltiges Personalmanagement impliziert deshalb die Ermöglichung einer Work-Life-Balance, partizipative Entscheidungsstrukturen oder Gesundheitsförderung. Obwohl die Bedeutung des nachhaltigen Personalmanagements auch aus ökonomischer Sicht offensichtlich ist, haben sich die Chancen zu dessen Realisierung in den vergangenen Jahren keineswegs grundsätzlich verbessert. Im Arbeitsalltag treten verstärkt Belastungen auf, die sowohl von der Organisationsebene (etwa Arbeitsplatzunsicherheit, Versetzungen, Kosten-/ Termindruck), der Gruppenebene (darunter Führungsverhalten, Konkurrenzdenken, Mobbing) als auch von den Individuen (zum Beispiel Personalverantwortung, Rollenambiguität, Auseinandersetzungen im Privatbereich) ausgehen.

Personalmanager im Spagat

Das nachhaltige Personalmanagement muss vor diesem Hintergrund ständig den Spagat zwischen der Umsetzung gestiegener Leistungsanforderungen einerseits und einem am Nachhaltigkeitsprinzip orientierten Humanressourceneinsatz andererseits leisten. In diesem Zusammenhang erhält die Förderung der Resilienz der Mitarbeiter eine herausragende Bedeutung. Resilienz bezeichnet die psychische Elastizität und Pufferungsfähigkeit im Umgang mit Belastungen oder Krisensituationen, so dass resiliente Personen psychisch balancierter unter erhaltenem Leistungspotenzial aus diesen Situationen hervorgehen (können).

Für das nachhaltige Personalmanagement bildet Resilienz eine Schlüsselkompetenz der Mitarbeiter, weil sie den alltäglichen Spagat zwischen den erhöhten Leistungsanforderungen und der Nachhaltigkeitsorientierung ermöglicht. Angesichts des demografischen Wandels sowie der dynamischen Wettbewerbsbedingungen wird die Resilienz der Mitarbeiter in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.

Keineswegs kann sich das Personalmanagement darauf beschränken, resiliente Personen bei der Personalauswahl zu identifizieren und weniger resiliente Personen auszusortieren. Dies würde nicht nur dem Nachhaltigkeitsgedanken widersprechen, sondern es fehlen darüber hinaus Techniken, um die Resilienz von Personen situationsübergreifend zu diagnostizieren und zukunftsgerichtet zu prognostizieren. Im nachhaltigen Personalmanagement kommt vor allem der Personalentwicklung und der Förderung der Resilienz der Mitarbeiter eine herausragende Bedeutung zu.

Das von den Autoren entwickelte Resilienztraining „P4C Prevention for Crisis“ ist für den Einsatz im nachhaltigen Personalmanagement in besonderer Weise geeignet, weil es

  • das flexible Anpassungs- und Gestaltungsverhalten im Umgang mit belastenden Situationen nachhaltig fördert
  • im Hinblick auf grundlegende Krisensituationen ausschließlich präventiv ausgerichtet ist und alltägliche Belastungssituationen der Arbeitswelt zum Training der Resilienz nutzt.

Als Präventionskonzept richtet sich dieses Resilienztraining an Personen, die zwar durchaus mit hohen alltäglichen (beruflichen) Belastungen konfrontiert sind, sich aber nicht in einer für sie existenziell bedrohlichen Krise befinden, denn Resilienz lässt sich bei Vorliegen einer ausgeprägten Krisensituation nicht trainieren; wer jedoch grundlegende Fähigkeiten, Routinen und Ressourcen in unterschiedlichen Problemsituationen einübt, wird dann unter noch höheren Belastungen oder existenziellen Krisen intuitiv krisentauglicher reagieren. Unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Resilienzforschung (Salvatore R. Maddi/Deborah M. Khoshaba, 2005; Rosemarie Welter-Enderlin/Bruno Hildenbrand, 2009) richtet sich das P4C-Resilienztraining auf die Förderung von vier Basisfähigkeiten der Resilienz. Es handelt sich dabei um

  • Assertiveness
  • Achtsamkeit
  • Zielklarheit/Prozessoffenheit
  • Experiment/Reflexion und Syn- Egoismus

Basisfähigkeiten fördern

Der aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammende Begriff Assertiveness lässt sich nur grob mit dem Begriff der Selbstpräsenz ins Deutsche übersetzen. Er bezeichnet die Fähigkeit einer Person, die eigenen Absichten, Gedanken, Erwartungen in Interaktionssituationen klar auszudrücken und zugleich einen respektvollen, aber durchsetzungswilligen Umgang mit anderen Personen zu wahren. Verfügt eine Person über Assertiveness ist auch ihr Bezug zu sich selbst balanciert; es besteht weder die Notwendigkeit, die Bedeutung der eigenen Person narzisstisch zu überhöhen noch sich selbst depressivselbstunsicher abzuwerten. Als Basiskompetenz der Resilienz erweist sich Assertiveness als von grundlegender Bedeutung, weil sie die Verwurzelung in der eigenen Person und eine größere Unabhängigkeit von Bezugspersonen fördert.

Achtsamkeit als zweite Basiskompetenz verweist darauf, dass resiliente Personen über eine klare (Selbst-) Wahrnehmung emotionaler Prozesse sowie der damit einhergehenden inneren Konflikte verfügen. Indem Achtsamkeit die Regulierung der Intensität sowie Qualität emotionaler Reaktionen ermöglicht, unterstützt sie die Handlungsflexibilität in belastenden Situationen.

Die Ausrichtung des Verhaltens an klaren, persönlichen Zielen und die Offenheit für den Prozess der Zielerreichung bilden eine weitere zentrale Voraussetzung für Resilienz. Sie eröffnet resilienten Personen die Möglichkeit, sich flexibel auf wandelnde Bedingungen einzustellen, dabei die Zielausrichtung nicht zu verlieren und Durchhaltevermögen zu bewahren. Experiment und Reflexion sowie Syn- Egoismus charakterisieren die vierte Basiskompetenz der Resilienz, die darauf gerichtet ist, das individuelle Wissen ständig zu aktualisieren und tragfähige Beziehungsnetze aufzubauen. Resiliente Personen sind vor allem darum bemüht, die Effektivität ihres Verhaltens – experimentierend und reflektierend – zu sichern. Darüber hinaus ist Syn-Egoismus als zentrale Voraussetzung für eine effektive Interaktion mit der Umwelt anzusehen, denn natürlich sind auch resiliente Personen auf die Unterstützung von anderen angewiesen. Sie rechnen keineswegs mit der Selbstlosigkeit ihrer Interaktionspartner, sondern explizit mit egoistischem Verhalten, ohne deshalb aber in jedem Fall Rücksichtslosigkeit zu unterstellen. Die Verhaltensorientierung des Syn-Egoismus (Michael Kastner: Syn-Egoismus. Nachhaltiger Erfolg und soziale Kompetenz, 1999) ist darauf gerichtet, Projekte zwischen (potenziellen) Egoisten zu initiieren und alle Beteiligten auf gemeinsame Win-Win-Situationen auszurichten. Erst Syn-Egoismus bietet eine verlässliche Grundlage für Kooperation oder sogar dauerhafte soziale Netzwerke.

Individuelles Leistungspotenzial sichern

Die vier Basiskompetenzen der Resilienz erweisen sich als von grundlegender Bedeutung für das nachhaltige Personalmanagement, weil die Mitarbeiter dabei unterstützt werden, ihr Leistungspotenzial auch unter teilweise hohen Belastungen zu bewahren oder sogar zu erweitern. Das von den Autoren entwickelte Training der skizzierten vier Basiskompetenzen der Resilienz basiert auf langjährig erprobten, äußerst effektiven Methoden des Selbstmanagements, der Wahrnehmung, kognitiven Umstrukturierung sowie Kommunikation. Zentrale Trainingsbausteine erstrecken sich auf die Nutzung der Wohlgeformheitskriterien bei der Zielformulierung, die Arbeit mit Wahrnehmungspositionen zur Konstruktion von Win-Win-Situationen, das Training des Wechselspiels von dissoziierter oder assoziierter Wahrnehmung sowie die Regulation emotionaler Grundzustände.

Lese-Tipp

– Salvatore R. Maddi, Deborah M. Khoshaba: Resilience at Work. How to Succeed No Matter What Life Throws at You. Amacom Books, New York 2005, ISBN-13 9780814415955, ca. 14 Euro

– Gotthard Pietsch, Stefan Schumacher: Personalentwicklung und Resilienz: Das Resilienztraining „P4C Prevention for Crisis“. In: Stephan Laske, Astrid Orthey, Martin Schmid (Hrsg.): Handbuch PersonalEntwickeln. Das aktuelle Nachschlagewerk für Praktiker, Loseblatt, Wolters Kluwer, Köln 2009, ISBN-13 9783871561160, 198 Euro

– Christian Scholz, Volker Stein, Roman Bechtel: Human Capital Management. Wege aus der Unverbindlichkeit. Luchterhand, München (erscheint im Januar 2010 neu), ISBN-13 9783472076247, Preis noch nicht festgelegt

Rosemarie Welter-Enderlin, Bruno Hildenbrand (Hrsg.): Resilienz – Gedeihen trotz widriger Umstände. Carl-Auer, Heidelberg 2008, ISBN-13 978-3896705112, 29,95 Euro

Quelle: PERSONAL – Heft 11/2009