Bei Trennungen werden in der Regel nicht viele Worte gemacht. Manche können es nicht, ihnen steckt ein Kloß im Hals. Viele wollen es gar nicht. Es wird kurz und bündig erklärt, was ohnehin nicht mehr zu ändern ist. Schließlich ist man ja professionell. Die Personalabteilung hat Listen erstellt, die Controller haben gerechnet, die Juristen haben Argumente geprüft, und am Ende hat es eben Müller und Meier erwischt. Unangenehm, freilich, aber eben nicht zu ändern. Die Sachlage zwingt dazu. Und mit Müller und Meier persönlich hat das gar nichts zu tun, wird ihnen im gleichen Atemzug versichert. Was für ein Trost.

group of people doing jump shot photography
Foto von Husna Miskandar

Wer die schlechte Nachricht zu übermitteln hat, sucht in dieser geschäftsmäßigen Professionalität Schutz, um Unsicherheit, Ratlosigkeit und Mitgefühl zu verbergen. Denn in einer Gesellschaft, die auf Rationalität, Kontrolliertheit und Funktionstüchtigkeit getrimmt ist, gilt Emotionalität allzu leicht als Schwäche. Wir beschäftigen uns nicht gerne mit Problemen. Und weil Trennungen für uns ein Problem sind, haben wir keine ausgeprägte positive Kultur, mit ihnen umzugehen. Auf der Strecke bleibt das betroffene Individuum, auf der Strecke bleibt für alle Beteiligten die Würde.

Abschied mit Anstand

Dabei sollten wir das besser können. Kennt unser Leben nicht tausend Abschiede? Ist nicht mit jeder Veränderung auch ein Abschied, eine Trennung von etwas Vertrautem verbunden? Und ist nicht jedes Ende der Anfang von etwas Neuem?

Was aber macht den Abschied mit Anstand aus? Jede Gesellschaft hat Rituale, die in bestimmten Situationen Halt und Orientierung vermitteln. Gerade in Krisen sind Rituale von besonderer Bedeutung. Wir können es damit schaffen, uns von alten Lebensmustern zu verabschieden, damit Neues und Ungeahntes in jedem Menschen wachsen kann.

Für ein Unternehmen bedeutet dies: Als erstes müssen wir die Sprachlosigkeit einer Trennungssituation durchbrechen! Natürlich, die Trennungsbotschaft muss ankommen. Sie muss klar formuliert sein, sie muss verstanden werden. Und man kommt auch nicht umhin, Mitarbeitern damit weh zu tun.

Trennungskultur

Aber das darf nicht alles sein. Es geht auch darum, nochmals gemeinsam all die guten Erfahrungen, die man mit dem Mitarbeiter gemacht hat, ins Wort zu bringen. Es geht um die Würdigung und Wertschätzung dessen, was ein Mitarbeiter im Unternehmen geleistet und erreicht hat. Und es geht auch um eine qualitative Rückmeldung des Unternehmens die dem Mitarbeiter hilft, seine eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernenund so Unterstützung für eine Neuorientierung leistet.

Für diese Art der Trennungskultur müssen Verantwortliche in einem Unternehmen Zeit aufwenden. Sie müssen sich intensiv und individuell mit einem Menschen beschäftigen, der einen gemeinsamen Weg ein Stück mitgegangen ist, und dessen Weg vielleicht wieder einmal auf den eigenen einmünden kann. Diese Trennungskultur ist Bestandteil guter Führungs- und Unternehmenskultur. Ein Verzicht darauf hat nichts mit wirtschaftlicher Professionalität oder persönlicher Rücksichtnahme zu tun. Es ist einfach nur das, als was es beim Mitarbeiter ankommt: Ignoranz. Kein Unternehmen sollte sich dadurch auszeichnen.

Quelle: PERSONAL – Heft 09/2009