Wer denkt, Unternehmensstrategien und Führungsfragen werden erst in jüngerer Zeit wissenschaftlich erforscht und als Best Practice weitergegeben, irrt gründlich. Tatsächlich sind viele neuzeitlich anmutende Erkenntnisse und Handlungsweisen uralt, wie die nähere Betrachtung bekannter Volksmärchen beweist: Personalmanager können getrost Anleihen bei den Gebrüdern Grimm nehmen, offenbarte jüngst Prof. Dr. Rolf Wunderer den Teilnehmern des Personalmanagementkongresses in Berlin.

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Foto von Nastuh Abootalebi

Hier einige Beispiele: Aschenputtel ist das Mobbing-Opfer schlechthin. Doch das Mädchen, das sogar vom eigenen Vater gedemütigt wird, findet Rückhalt in ihrem Netzwerk: Mit Hilfe ihrer zahlreichen Verbündeten, den Tauben, gelingt ihr schliesslich ein Sieg auf der ganzen Linie. Goldmarie durchläuft erfolgreich mehrere Testverfahren und wird belohnt, während die hoffnungslos überlastete und faule Pechmarie beim Assessment versagt. Hänsel und Gretel werden outgesourct, aber der kluge Knabe benutzt Kieselsteine als Benchmark. Letztlich kann er seine Haut aber nur im Team mit Gretel retten, die sich vom verängstigten Schwesterlein zur standfesten Ideengeberin emanzipiert. Auch das autistisch anmutende tapfere Schneiderlein hat Vorbildcharakter: Mit „7 auf einen Streich“ brandet es sich erfolgreich selbst.

Sehr aufschlussreich liest sich die Geschichte vom gestiefelten Kater: Das schlaue Tier versteht sich exzellent auf „managing the boss“, sprich auf das Führen von unten. Seinem Herrn begegnet der Kater mit hoher Vertragstreue, seinen Feinden gegenüber verwendet er hingegen List und Tücke. Den Zauberer packt er bei seinem Narzissmus und bewerkstelligt solcherart einen „unfriendly take over“ seines Herrschaftsbereiches. Zum happy end gelingt dann noch die Fusion mit dem Königreich der Prinzessin.

Und was lernen wir daraus? Vor allem dies: Märchenhelden verfügen über eine große Umsetzungskompetenz und erweisen sich als äusserst problemlösungsfähig. Mein Tipp: Schmökern sie doch mal in den Hausmärchen und lesen sie die vermeintliche Kinderlektüre aus neuem Blickwinkel. Doch Obacht: Es sollte die Originalversion sein, wie auch Prof. Wunderer empfiehlt. Der Professor und Partner des Instituts für Führung und Personalmanagement von der Universität St. Gallen hat zum Thema Märchen und Management übrigens zwei Bücher verfasst.