man in black jacket sitting on chair
Foto von Zaiqiao Ye
Veranstaltungstipp

Keynote-Vortrag von Robert B. Rosenfeld:

„Making the Invisible Visible"

Messe Zukunft Personal,

Koelnmesse, Halle 3.2, Forum 1

Mittwoch, 21. September 2011,

9.30 – 10.30 Uhr,

im Anschluss Public Interview

Weitere Informationen:

www.zukunft-personal.de

Herr Rosenfeld, Sie engagieren sich seit mehr als 40 Jahren auf dem Gebiet menschlicher Innovationen. Gab es einen Schlüsselmoment oder eine einschneidende Erfahrung, die Sie veranlasst hat, sich dem Thema zu widmen?

Ich habe seit meiner Jugend mit Innovationen zu tun. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der alle eine sehr unternehmerische Natur hatten. Einer meiner Onkel, Sol Harrison, war Präsident von D.C. Comic Book, die unter anderem Superman und Batman herausgeben. In den Ferien saßen wir herum und haben zu unserer Unterhaltung neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt. Dabei sind unsere Meinungen häufig aufeinander geknallt. Ich habe gelernt, dass dadurch etwas Neues entsteht.

Als ich für Kodak arbeitete, habe ich ähnliche Meinungsverschiedenheiten erlebt. Aber dort brachten sie Probleme mit sich. Zum Beispiel waren die Mitarbeiter dadurch oft nicht in der Lage, Budgets durchsetzen, die in der Endphase der Ideenentwicklung zu deren Umsetzung notwendig waren. Also wollte ich einen Weg finden, der die Finanzierung ermöglichte. Ich baute ein neues Konzept auf, das sich „Office of Innovation“ nannte. Zum einen habe ich mit meinem Team den Initiatoren geholfen, ihre Ideen auszuformen, zum anderen habe ich sie so durch die Organisation gelenkt, dass sie das nötige Sponsoring bekamen. Ideen brauchen in Unternehmen oft eine Art Fremdenführer.

Was ist aus Ihrer Sicht der Unterschied zwischen Innovation und Kreativität?

Kreativität ist die Erschaffung neuer oder neuartiger Ideen. Das ist wichtig, denn ohne neue Ideen kann keine Innovation entstehen. Aber Kreativität ist nicht gleich Innovation. Es ist einfacher für eine Organisation, kreativ zu sein, als innovativ.

Innovation entsteht, wenn eine kreative Idee oder Handlung messbar und bewertbar wird. In einem Unternehmen wäre das etwa der Gewinn, der Marktanteil oder prozentuale Profit, während es für eine Universität die Anzahl der Absolventen sein könnte.

Wofür ist Innovation noch gut?

Es ist das Lebenselexier jeder Organisation. Unternehmen können eine gewisse Zeit „Business as usual“ betreiben, aber irgendwann zwingt sie die Außenwelt oder der Markt, sich neu zu erfinden. Innovation betrachte ich als ein Kontinuum von der Evolution über die Expansion bis hin zur Revolution. Evolutionäre Ideen sind stufenartige Verbesserungen, expandierende Ideen vergrößern die gegenwärtige Sichtweise und revolutionäre Ideen erfolgen außerhalb etablierter Denkmuster, sind also wirkliche Durchbrüche.

Um Innovationen zu erhalten, müssen Organisationen alle drei Bereiche im Auge haben und in alle drei investieren. Evolutionäre Ideen benötigen Unternehmen, um ihre aktuelle Produkt- oder Dienstleistungspalette aufrecht zu erhalten und stufenweise zu verändern – etwa indem sie Betriebssysteme, Produktlinien oder das Verpackungsmaterial anpassen. Expandierende Ideen sind zum Beispiel der Selbstbedienungsservice in Banken oder der Bankautomat. Und revolutionäre Ideen machen Unternehmen zukunftsfähig.

Um die komplette Bandbreite an möglichen Innovationen in einer Organisation in Gang zu halten, sollten Unternehmen ein Innovationsportfolio aufbauen, das ihnen erlaubt, in alle drei Bereiche zu investieren. Ohne ein solches Portfolio sind Unternehmen sehr verletzlich.

Viele Organisationen versuchen Innovationen zu schaffen, indem sie nach kreativen Leuten suchen. Ist das eine Garantie für Innovation?

Die Frage ist: Welche Art von Kreativität möchte das Unternehmen haben? Jeder ist kreativ, nur auf eine andere Art. Suchen die Recruiter nach Kreativität, die Vorhandenes ausbaut, expandiert oder revolutioniert? Organisationen benötigen Mitarbeiter aus dem ganzen Spektrum. Es geht darum, die richtigen Mitarbeiter an der richtigen Stelle einzusetzen, dort wo sie wirklich gut sind und gerne arbeiten. Außerdem müssen Sie die unsichtbare menschliche Dynamik von Innovationen erkennen und beeinflussen.

Wie können Personaler oder Führungskräfte herausfinden, zu welchem Innovationstyp ein Mitarbeiter oder Bewerber gehört?

Sie müssen sich auf die kognitiven, konativen und affektiven Eigenschaften der Person konzentrieren. Wir haben viele psychologische Indikatoren ausprobiert und schließlich einen eigenen entwickelt, der auf Innovation spezialisiert ist, den ISPI (Innovation Strengths Preference Indicator – ISPI®, Anm. d. Red.). Dieses Instrument erlaubt es, Innovationsvorlieben zu messen und herauszufinden, wie jemand in Gruppen oder Teams zusammenarbeitet. Es beantwortet Fragen wie: Wie viel Kontrolle brauche ich? Netzwerke ich gerne? Fälle ich rasche Entscheidungen oder wäge ich Alternativen ab, bevor ich handle?

Personalmanager können also Innovationen stimulieren, indem sie möglichst heterogene Teams aufbauen?

Es kommt drauf an. Personalmanager müssen unterscheiden, wann sie wen brauchen. Manchmal bedarf es einer guten Mischung von Leuten, manchmal ist auch ein homogenes Team mit ganz ähnlichen Menschen notwendig. Wenn ein Unternehmen revolutionäre Innovationen erreichen möchte, muss es eine Gruppe von „Pinggers“ zusammenstellen. So nennen wir Personen, die eine andere Vorstellung von Risiko haben als die meisten Menschen und die in anderen Dimensionen denken. Sie assoziieren doppelt so stark wie andere, was dazu führt, dass sie scheinbar Nebensächliches zusammenbringen. So erzeugen sie ganz einzigartige Ideen. Mehrere solche Menschen in einem Team erzeugen eine gedankliche Explosion und verändern die bisherigen Grundvoraussetzungen komplett. In gemischten Gruppen können Pinggers ihre Fähigkeiten hingegen nicht entfalten, denn andere Menschen haben oft Probleme mit ihrem Tempo Schritt zu halten und bremsen sie dadurch aus.

Ist der Innovationstyp auch eine Frage des Alters?

Der Innovationstyp ändert sich mit dem Alter kaum. Es ist eher das Leben und die Erfahrungen die einen Wandel bewirken, wenngleich gewiss nicht bis zum anderen Ende des Innovationsspektrums. Jüngere Menschen tragen weniger Lasten der Vergangenheit mit sich herum. Wenn wir älter werden, haben wir eher ein Problem damit, dass etwas woanders erfunden wurde oder nehmen die Haltung ein, „Wir haben das vor 20 Jahren schon probiert und es hat nicht funktioniert“. Eine Killerphrase ist auch „Das ist interessant, aber wir haben nicht das Geld dafür“. Der Vorteil am Alter ist, dass Menschen besser verstehen, wie Organisationen funktionieren.

Jüngere Leute haben eher originelle Gedanken, die vielleicht auch schon einmal ausprobiert wurden. Da sich die Welt aber ändert, lassen sich nun möglicherweise Dinge umsetzen, die vorher gescheitert sind. Doch die Jüngeren müssen auch verstehen, dass es nicht jede Idee schafft, auch wenn sie gut ist. Tatsache ist, dass von 100 Ideen 10 Prozent finanziert werden, 3 bis 4 Prozent es zur Marktreife bringen und nur 1 bis 3 Prozent wirklich erfolgreich sind.

Welche Hindernisse für Innovationen beobachten Sie noch bei Ihrer Zusammenarbeit mit Unternehmen?

Es gibt einige weitere Dinge, die Menschen in innovativer Hinsicht blockieren – viele sind organisationaler Art, die meisten haben aber mit menschlicher Dynamik zu tun. So haben zum Beispiel manche Menschen Probleme damit, wenn andere Ideen haben, auf die sie selbst nicht gekommen sind.

Ich erinnere mich an ein Meeting, damals 1978 bei Kodak, bei dem jemand eine Idee vorgestellt hat: Einige Teilnehmer waren komplett geistesabwesend, andere haben den Ideenbringer attackiert, fast so als ob sie eine Pistole herausholen würden und auf ihn schießen, weil er mit einer so ungewöhnlichen Idee ankam. Natürlich war die Idee noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Zum Schluss war der Tenor: „Kommen Sie wieder, wenn Sie das richtig durchdacht haben.“ Natürlich kam der Initiator der Idee nie wieder damit an. Das passiert, wenn Menschen nicht wirklich aufeinander hören, sich nicht wertschätzen und die unsichtbaren Seiten der Kommunikation vernachlässigen.

Neben solchen organisatorischen und psychologischen Blockaden gibt es auch eine finanzielle: Die verfügbaren Mittel sind meistens beschränkt.

Was ist also genau die Aufgabe von HR, um Innovationen zu stimulieren?

Erstens müssen HR-Fachleute als gute Business-Partner den Beschäftigten helfen herauszufinden, wo ihre Stärken und besten Einsatzfelder in punkto Innovation liegen und wie sie am besten in Teams arbeiten. Zweitens können Personaler Manager und Führungskräfte dabei unterstützen und schulen, wie sie die richtigen Leute zusammenbringen. Und drittens sollten sie dann wiederum den Beschäftigten Feedback geben, wie gut sie ihre Innovationsfähigkeiten nutzen.

Dafür sollten Personalmanager das Lexikon der Innovation verstehen und es der gesamten Organisation beibringen. Die Führungsebene sollte gemeinsam mit HR in der Lage sein, alle Innovationstypen zu orten und sie dafür zu loben, was sie gut machen. Vor allem sollten sie darüber reden, wie Innovationen entstehen können, denn nur dann entstehen sie tatsächlich. In jeder Organisation sind die nötigen Komponenten dafür vorhanden. Personalmanager und Führungskräfte müssen sie orchestrieren.

Interview: Stefanie Hornung