In unserer heutigen Podcast-Episode nimmt uns Professor Dr. Jörg Knoblauch mit auf Erkundungsreisen nach Kalifornien und China, die für Personaler und Unternehmer konzipiert sind. Warum diese die Rückreise nach Deutschland dann nicht selten unter Schockzustand angetreten, das erzählt uns der 71-jährige Berater und Vordenker in dieser Folge.
Jörg Knoblauch ist seit Jahrzehnten Unternehmer und mit der Frage beschäftigt, wie man die besten Mitarbeiter finden und halten kann. 1987 gründet er die Firma tempus ABC Personal GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter er bis heute ist. Jahr für Jahr organisiert er HR- und Unternehmerreisen an die spannendsten und innovativsten Ort der Welt, darunter das Silicon Valley, China oder Israel. Und das meist mit 54 Teilnehmern.
Alexander Petsch: Lieber Jörg, herzlich willkommen. Schön, dass Du da bist!
00:01:47
Jörg Knoblauch: Alex, danke für diese wunderschöne Begrüßung! Genau, die Zahl 54 fällt nicht vom Himmel, sondern so viele Sitzplätze hat ein Bus im Silicon Valley. Die in China haben weniger. Und deswegen 54, ganz einfach. Wenn jemand in das Silicon Valley geht, das ist Faszination pur. Man trifft auch Amerikaner, die alle Tränen in den Augen haben, wenn sie über Deutschland reden, und sagen, sagt mal, was ist mit euch los? Ihr kriegt ja eure PS irgendwie nicht mehr auf den Boden. Schau mal hier zum Fenster raus, da siehst du selbstfahrende Autos. In Phoenix sind es schon 700, im Silicon Valley sind jetzt auch schon die ersten Taxiflotten, Robo-Taxis und so weiter unterwegs. Also, was tut denn ihr in Deutschland noch? Ihr finanziert dort irgendwie ein Technikmuseum. Eure Corona-Billionen scheinen zu versickern. Also, ihr kommt nicht in die Gänge, genau.
00:02:54
Alexander Petsch: Und jetzt gehen mit Dir Personaler, Unternehmer und Interessierte für HR gemeinsam auf Reisen. Was sind so die Fragen, die die bewegen?
00:03:12
Jörg Knoblauch: Also, wir haben zwei Schwerpunkte. Der erste Schwerpunkt, das sind mittelständische Unternehmer, die sagen, ich muss mich um das Thema Digitalisierung kümmern, ansonsten könnte es sein, dass ich in ein paar Jahren keine Firma, kein Unternehmen mehr habe. Ich muss jetzt in die Gänge kommen. Dann haben wir Teilnehmer dabei, die haben es einfach auf die Googles, die Apples, die Teslas und deren Personalkonzepte abgesehen. Wir haben ja in der letzten Folge drüber gesprochen, dass für Google nur der A-Mitarbeiter akzeptabel ist. Wenn es einem B-Mitarbeiter gelingen würde, in unser Unternehmen einzutreten, dann wäre das, als hätten wir uns ein Virus eingefangen, dessen zu entledigen uns unendlich schwer fiele. Also, man sieht dort Menschen, die von A-Mitarbeitern besessen sind. Man kann extrem viel dort lernen im Bereich Personal. Übrigens, dort wachsen die A-Mitarbeiter auch nicht auf den Bäumen. Dort nicht und hier nicht. Natürlich kann man sagen, Google, wenn du 6000 Bewerber hast, dann wird’s ja wohl nicht schwer sein. Doch, auch mit 6000 Bewerber ist es schwer, denn dazu braucht man ein System. Google hat The Rule of Four. Erst einmal gibt es vier spannende, ausführliche Interviews. Früher ging es bis zur Zahl 25 Interviews. Larry Page hat das dann gestoppt. The Rule of Four. Es kann mehr geben, aber Minimum sind vier. Also, wenn die vier Interviews durch sind und man hat zum Konsens gefunden, ja, das wäre ein Mitarbeiter für uns, dann kommen immer noch zwei weitere Interviews. Erstens mit den zukünftigen Kolleginnen und Kollegen. Bei Google sind das kleine Gruppen, 20 bis 25 Leute, so viele sich von zwei Familienpizzen ernähren können. Das ist so, die kommen auf den Tisch und dann geht es los. Wenn jetzt einer von den 20 bis 25 dabei ist, der sagt, ich bin nicht so sicher, ob das hinhaut, folgendes an seinem Charakter stört mich oder sonst was. Dann ist das Ding tot. Das wird nicht mehr weiterverfolgt. Erledigt. Aus, vorüber. So, und das zweite Interview ist dann das Interview mit Larry persönlich. Also, bis zum 25 000. Mitarbeiter hat Larry jeden einzelnen in einem Vier-Augen-Gespräch noch einmal gebrieft und hat dann persönlich die Tür aufgemacht zu Google – oder verschlossen. Mit dieser Ernsthaftigkeit wird das halt betrieben. Das ist so eine der ersten Erkenntnisse, die unsere Teilnehmer haben, wenn sie dort aufschlagen und mit Personal und so weiter ins Gespräch kommen.
00:06:28
Alexander Petsch: Also auch die Erkenntnis, wie wichtig HR eigentlich für den Unternehmenserfolg ist.
00:06:34
Jörg Knoblauch: Ich würde das noch steigern und sagen, dass das die zentrale Geschichte für den Unternehmenserfolg ist. Denn es gibt halt nur zwei Fragen für ein Unternehmen: Das erste ist das Geschäftsmodell. Das ist bei Google klar, bei Tesla klar, war überall klar. Bleibt nur noch die andere Frage: Wie komme ich jetzt an die besten Mitarbeiter? Denn nur wer begeistert und verblüfft, wird in Zukunft Kunden haben. So, und das ist natürlich auch eine ganz eigene Familie, in die man da reinkommt. Ich sage vielleicht mal ein paar Schlagworte. Ein Schlagwort heißt Innovation durch Kooperation. Das ist so bisschen diese Start-up-Mentalität. Dass einer um neun Uhr kommt und um fünf Uhr geht, das ist überhaupt nicht vorstellbar. Start-up heißt, wir packen gemeinsam an, wir kämpfen. Vielleicht hat es schon mal jemand im Fernsehen gesehen, von Facebook oder so, diese Marathons. Freitagnachmittag gibt Mark Zuckerberg noch einige Aufgaben aus, und dann versammeln sich hunderte Jungs, die auf ihre Tasten einhauen, im großen Innenhof von Facebook. Und dann um 17 Uhr rollen die LKW rein, mit Coca Cola, Hotdogs und Hamburger beladen. Um 22 oder 23 Uhr fallen die Ersten dann vom Stuhl, und morgens um vier die Letzten. Und dann werden die Lichter gelöscht. Aber um 9 Uhr Samstagmorgen geht’s wieder los, und dann werden die Ergebnisse Mark Zuckerberg präsentiert und Preise ausgelobt, Menschen geehrt, umjubelt und so weiter. Also, wer diese Atmosphäre mal miterlebt hat, das ist etwas anderes als bei uns, wo halt die Kantine am Freitag um 14 Uhr schließt und dann musst du selbst etwas in die Mikrowelle stecken. So, dieses Gemeinsame, dieses Nicht-lange-fackeln. Ja, und das andere ist dann halt das Thema Digitalisierung. Das verblüfft unsere Unternehmer total. Diese Digitalisierung führt dazu, dass man Daten hat ohne Ende. Wir besichtigen zum Beispiel eine Großwäscherei in San Francisco, die größte Wäscherei überhaupt: Rinse. Rinse hat aber keine eigene Waschmaschine. Rinse hat auch noch nie einen Knopf angenäht an einem Hemd oder so. Du fragst dann, Moment mal, wieso bist du die größte Wäscherei in Kalifornien? Ganz einfach deshalb, weil ich die Daten habe. Ich weiß, welche Jungs für mich arbeiten. Wir bestellen unser Essen in einem Restaurant, aber das Restaurant hat keine Küche, das hat nur Daten. Aber es weiß, was für uns Germans, 54 an der Zahl, genau das Richtige ist und was wir wollen. So wie halt Uber kein Auto hat und Airbnb kein Hotel. Es sind Daten, Daten, Daten. Und wer die Daten hat, der macht das Rennen. Und wer keine Daten hat, wer nur handwerklich unterwegs ist, der braucht sich nicht zu wundern. Das Nächste, was unsere Teilnehmer verblüfft, ist das ganze Thema Faktor 10, also Think big. Unsere Leute denken, etwas 20 oder 30 Prozent besser zu machen, sei gut. Da lachen die nur und sagen, du bist ein guter Verkäufer, und wenn du sagst, du machst das 30 Prozent besser, dann ziehe ich schon mal 10 Prozent ab, bleiben also noch 20 Prozent übrig. Denkst du wirklich, ich würde wegen 20 Prozent billiger oder schneller oder Mehrleistung den Lieferanten wechseln? Hey, never ever. Ich habe eingespielte Systeme, da musst du schon ganz anders. So, und daher kommt dieser Denkfaktor 10. Entweder ist es zehnmal schneller, zehnmal besser, zehnmal preiswerter oder so. Vergiss alles andere einfach. Darf ich noch eine Geschichte loswerden?
00:10:52
Alexander Petsch: Ja klar, ich höre Dir gespannt zu.
00:11:00
Jörg Knoblauch: Es gibt dort einen Accelerator, nennt man das, Plug and Play. Da sitzen etwa 450 Start-ups und Jungunternehmer, und unter einem Dach findest du alles, den Patentanwalt, die Kapitalgeber. Es ist schön, wenn du alles beieinander hast, was du für deine Unternehmensentwicklung brauchst. Und am Freitagmorgen um 9 Uhr haben die ein kleines Theater, das hat so 200, 300 Sitzplätze, und da gehen die Lichter an, jeden Freitag. Also, wenn man im Silicon Valley ist, das ist eines der wenigen Dinge, die du ohne Beziehungen machen kannst. Geh zu Plug and Play und setze dich ins Theater. So, jetzt gehen die Lichter an um 9 Uhr, und jeder, der dort präsentieren will, also seinen Pitch um seine tolle Idee, warum er jetzt das Risikokapital braucht und so weiter, der hat dann genau sieben Minuten Zeit. Dann haben die Investoren, die sehr zahlreich vorhanden sind, 40 bis 50 davon sitzen in den ersten Reihen, zwei, drei Minuten Zeit, Fragen zu stellen. Und dann kommt der Nächste. So, da ist ein junger Mann, der sagt, ich habe ein Thema, so Trinkwasserreinigung aus dem Meer und so weiter. Und er sagt, mein Unternehmen ist jetzt zwei Jahre alt. Letztes Jahr haben wir schon eine Millionen Umsatz gemacht. Dieses Jahr haben wir die fünf Millionen geknackt und nächstes Jahr wollen wir 10 bis 15 Millionen machen. Streckt einer seine Hand, was eigentlich nicht vorgesehen ist, und sagt, ich habe dir aufmerksam zugehört. Aber entweder we are now talking billions oder wir lassen das. Also, junger Mann, Du sprichst hier von Millionen, das ist zwar sehr ehrenwert und wir können sehen, wie es Dich begeistert. Aber entweder wir reden jetzt von Milliarden oder, bitte, tritt ab! Also, diese Faktor-10-Mentalität, das ist halt, was die Menschen dort prägt. Und dann ist es halt die Unternehmenskultur, die haben wir alle schon auf Youtube gesehen. Es ist diese Work-Life-Blend. Ich habe einen Unternehmerfreund hier in Metzingen bei Stuttgart, den Andreas Maurer von easySoft, der das voll übertragen hat. Also, der hat eine Kletterwand gebaut mit 15 Meter Höhe. Der hat eine Riesenküche eingerichtet, wo die alle gemeinsam kochen. Eine Sonnenterrasse. Jederzeit steht ein Rennrad zur Verfügung, der hat ein Beach-Volleyballfeld und so weiter. Das ist Silicon-Valley-Spirit. Andreas hat mit seinen 70 Mitarbeitern 1000 Bewerber für seine 4, 5 offenen Positionen. Mein Freund David Wenger in Ulm, Ingenieurbüro mit 35 Mitarbeitern, hatte letztes Jahr 700 Bewerber. Die, die diesen Silicon-Valley-Spirit versprühen, die bringen ihren Leuchtturm zum Glänzen. Und die Idee dahinter ist natürlich, Achtung, bei uns gibt’s keine Work-Life-Balance! Die Balance stimmt bei uns nicht, wir übertreiben nach jeder Seite! Aber wir nennen das auch anders, wir nennen das Work-Life-Blend. Blend ist das Ineinanderschieben. Wir haben Work, ja, und wir arbeiten hart. Aber wir haben halt auch Life, und wir machen uns mal drei Tage frei und gehen an den Pazifik, mit Kind und Kegel und so weiter. Aber wir schieben das ineinander und wir machen das total selbstständig. Also, da wird nicht lang gefragt, sondern das wird einfach getan. So, und im Hintergrund steht halt immer das Thema The War for talent is over – Talent has won, also der Krieg um Talente ist beendet – Talente haben gewonnen. Das ist für uns klar, Talente sind das neue Gold. Nur noch das ist für uns denkbar. Und so weiter, und so weiter. Also, das ist das, was wir mit der Faszination Kalifornien vermitteln. Wenn jemand nach China mitgeht, ist das ein bisschen anders. Da kehrt man nicht fasziniert zurück, sondern eher erschrocken. Wie schnell die uns überholt haben. Wie sehr dieses Made in China mittlerweile das Made in Germany übertrumpft. Und vor allem auch natürlich wegen dieses kapitalistischen Systems. Es gibt sich kapitalistisch, ist aber natürlich ein kommunistisches-leninistisches System, das 2049 die Weltherrschaft antreten wird, das sieht man dort auf Schritt und Tritt, und das ist natürlich beängstigend. Das geht in Singapur, das geht in Seoul, Korea, das geht auch in Tokio. Das sind alles Großstädte dieser Welt, die 5G- Standard haben, wo selbstfahrende Autos unterwegs sind. Und ja, die Amerikaner sind immer nett zu uns, die sagen, ihr Deutschland habt die Datenschutzverordnung, das ist gut. Wir haben dafür den Erfolg. So hat doch jeder was. Wir müssten da ein paar Korrekturen anbringen.
00:16:54
Alexander Petsch: Ja, das war viel zum Nachdenken. Was für Tipps hast du noch zum Schluss? Welche drei Punkte würdest Du einem Personaler mitgeben und sagen, da solltest du drauf gucken, da musst du ansetzen?
00:17:09
Jörg Knoblauch: Wir alle irren, und auch im Silicon Valley wird geirrt. Und ich weiß nicht, wer den Namen Laszlo Bock kennt. Das ist der Google Personalchef. Der hat sich selbstständig gemacht. Wir waren letztes Mal bei ihm. Der hat das berühmte Buch geschrieben “Work rules!” Und ich kann nur sagen, lies das Buch dreimal und spar dir die Uni! Wir waren bei ihm, in seiner neugegründeten Firma Humu. Und er war etwas niedergeschlagen. Er sagte, er hat jetzt gerade, nach 12 Wochen, seinem besten Freund gekündigt. Und er musste das tun. Und er irrt sich und er hat sich wieder einmal geirrt, indem er Leute eingestellt hat, die sein Vertrauen nicht gerechtfertigt haben. Also, wir alle irren. Aber diesen Irrtum reduzieren, daran lass uns arbeiten.
00:18:14
Alexander Petsch: Vielen Dank, Jörg. Wir haben für Euch wie immer eine Zusammenfassung der heutigen Podcast-Folge unter hrm.de zur Verfügung gestellt. Das heißt, einfach Jörg Knoblauch in die Suche eingeben. Unter podcast.hrm.de findet Ihr auch die Zusammenfassung. Wenn Ihr Feedback oder Anregungen habt, freuen wir uns über Euer Feedback natürlich, entweder per Mail an redaktion@hrm.de oder über die Social-Media-Kanäle. Funkt uns an, sagt uns Eure Meinung, abonniert unseren Podcast, wenn es Euch gefallen hat. Lieber Jörg, herzlichen Dank für deine Insights!
00:18:59
Jörg Knoblauch: Ja, Alex, auf Gegenseitigkeit! Danke.
00:19:03
Alexander Petsch: Bleibt gesund, Glück auf, und denkt daran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für Euer Unternehmen.