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Foto von Sigmund

Z-Blog von Prof. Dr. Christian Scholz

SWR-Interview mit Prof. Dr. Christian Scholz

Herausgeberband des Roman Herzogs Instituts

Sinus-Studie 

Verleitung zur Unruhe | Bernhard Heinzlmaier




Einen Z an seinem Weltbild erkennen

Selbstredend sind die Menschen einer Generation völlig verschieden; und so auch bei der Generation Z. Doch gewisse Lebensansichten teilen viele aus ihr, weil sie gemeinsame prägende Erfahrungen mit ihrer Umwelt machen; dazu zählt zum Beispiel der freie Personenverkehr in der Europäischen Union, die Zunahme von Migration, steigende Reglementierung des Schulunterricht oder die allseits gegenwärtige steigende Digitalisierung. Ein repräsentatives Bild vom Lifestyle der Jungen liefert die 17. Shell Jugendstudie. Sie hat Stimmen und Meinungen von bundesweit 2.558 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren zusammengetragen, welche Trends offenlegt. Sie erschien im Herbst letzten Jahres.

Eines der auffälligsten Ergebnisse ist, dass Z Arbeit nicht zum Leben allgemein erklärt. Hatten vorige Generationen die Arbeit zu ihrem Leben gemacht – sei es, weil sie vor allem groß rauskommen wollten, nicht mit dem Leben anfangen konnten oder sich zivilgesellschaftlich engagierten – so sucht ein typischer Zler die Balance zwischen Arbeit und Privatleben; wobei je nach Typ die Präferenzen verschieden ausfallen.

Die Studie unterscheidet vier Typen beruflicher Orientierung.

>> Durchstarter (37 Prozent),
>> Idealisten (18 Prozent),
>> Bodenständige (27 Prozent) und
>> Distanzierte (18 Prozent).

Durchstarter meinen, das Arbeiten habe sich an das Leben anzupassen. Dazu bedürfe es der Planbarkeit. Die Karriereorientierung sei in dieser Typengruppe hoch ausgeprägt, so die Studie. Idealisten erwarten von ihrem Job hingegen, sinnvoll tätig werden zu können. Sie wollen gemeinsam mit anderen Menschen etwas bewegen, dafür ist ihnen Planbarkeit nicht so wichtig. Auch Karriere interessiere sie weniger. Den Bodenständigen liegt eine Karriere sehr wohl am Herzen, jedoch wie bei den Durchstartern und Machern will man sich auf planbare Schritte verlassen. Dafür macht diese Gruppe auch gern Abstriche bei der Erfüllung im Job. Distanzierte hingegen halten sich in allen angeführten Punkten eher zurück. Sie sind denn auch am wenigsten gut anzusprechen, beziehungsweise zu triggern.

Individuell, aber irgendwie auch pseudo

Wesentlich kritischer als Christian Scholz äußert sich der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. Er ist Mitbegründer des Institutes für Jugendkulturforschung Wien und Leiter des Hamburger Marktforschungsunternehmens tfactory. Letztes Jahr gab er ein streitbares Buch unter dem Titel „Verleitung zur Unruhe“ heraus, in dem er kritisierte, dass Kinder und Jugendliche ab Kindergarten zur normierten Anpassung erzogen würden. In einem Interview mit dem Magazin „Wirtschaftswoche“ gab er sich davon überzeugt, dass Junge dem bestehenden Gesellschaftssystem den Rücken zukehren. Er verwies dazu auf die Tatsache, dass junge Menschen sich auf kommunaler Ebene nicht engagieren. Auch gingen sie weniger in Parteien als vielmehr in regionale Initiativgruppen  oder spontanen Aktionen. Doch allzu viel Substanz hat das wohl kaum. Bernhard Heinzlmaier kritisiert im Interview nämlich weiterhin, dass Jugendliche heute durch die Ökonomisierung der Gesellschaft einen Egozentrismus pflegten, der „sich vor jeder Verbindlichkeit drückt, der sich aus der Gemeinschaft verabschiedet, sich ihr nicht mehr moralisch verpflichtet fühlt, sondern nur noch den eigenen Interessen folgt“. Erschwerend kommt für den Jugendforscher hinzu, dass ein Pseudoindividualismus dadurch entstehe, dass Unternehmen heute nach dem ganzen Menschen greifen. „Individuell“ ist jetzt Programm für mehr Menschen als da solche sind, die es sein möchten; auch unter den jungen Leuten.

Diese wenigen Einblicke von verschiedenen Forschern zeigen: Über Z gehen die Meinungen  auseinander; je nachdem wie detailliert und umsichtig sich die Verantwortlichen mit ihrem Subjekt auseinandersetzen. Klar scheint jedoch zu sein: Da kommen große Aufgaben auf Arbeitgeber bei der Integration von Z zu. Doch wo liegen nun eigentlich Chancen und Drehpunkte?

Prof. Dr. Christian Scholz: Achtung! Z!

Es gibt aber auch Stimmen, die in den Einstellungen der Generation Z Anlass zur Sorge sehen. Dazu gehört zum Beispiel der saarländische BWL-Professor und Wirtschaftsforscher Prof. Dr. Christian Scholz. Anders als die Shell-Studie beurteilt er die politische Aufgeschlossenheit der Zler weniger positiv. In einem Beitrag zum Jugendband „Die Generation von morgen“ – herausgegeben vom Roman Herzog Institut – beschreibt der Professor Z als „politikfreie Generation“. Dass Politiker sich zu wenig um die Belange junger Menschen kümmerten, beschere ihnen im Gegenzug ein Desinteresse bei dieser Zielgruppe. Dabei seien Zler weder frustriert noch verärgert. Sie hätten grundsätzlich politisches Interesse, blendeten aber Politiker aus ihrem Leben aus. Mit anderen Worten: Spannend ist, was gerade läuft und was das für das eigene Leben bedeuten könnte, doch die Person, die Persönlichkeit oder das Amt eines Politikers ist offenbar redundant.

Wenn Christian Scholz über die Generation Z schreibt, dann spricht jemand, der als einer der ersten Forscher in Deutschland dieselbe an die großen Glocken der Medienwelt und Wissenschaft gehängt hat.  
 
In 2014 erschien sein gleichnamiges Buch, das er auf der Grundlage seiner eigenen Forschungen verfasste. Seither betreibt Scholz zudem einen laufenden Blog zum Thema. Dieser inkludiert Presseartikel, Literatur und ein Z-Wiki – erstellt von Studenten der Vorlesung „HR-Communication und Media Management“. Auch in Funk und Fernsehen trommelt Christian Scholz für die Generation Z. Warum dieses Engagement? Wieso so viel Aktion?

In einem Interview mit dem Sender SWR sagte Christian Scholz im Januar 2016, dass Unternehmen sich mehrheitlich auf die Generation Y eingestellt hätten und so notwendigerweise viele Zler weniger gut ansprechen könnten; zum Beispiel mit Arbeitszeit- und Organisationsmodellen. Daher müsse man sich jetzt dringend mit den Jüngsten befassen. Weiterhin gab es zu Bedenken: Es sei jetzt schon zu sehen, dass Z zwar kreativ wird, um sich eine Welt zu bauen, doch machten sie es sich darin allzu gemütlich, stellten sich ungern den großen Fragen der Zeit und übernähmen ungern Führungsaufgaben. Alarmierend sei auch, dass die jungen Menschen sich eigentlich nicht mehr mit ihrem Arbeitgeber identifizieren; was wiederum darauf hinweist, dass da eine eigene Welt entsteht.

Als Chance sieht Christian Scholz hingegen, dass Z und Babyboomer eine gewisse Machermentalität – „Wir machen das schon“ – verbinde. Zudem hätten Zler mehr Sinn für Realismus als die Generation vor ihnen: „Die wissen, wie Unternehmen ticken, die wissen, was die Politik macht, die wissen, was Medien machen“, sagte er im SWR-Interview. Das wäre vielversprechend, wäre da nur nicht die Neigung der Jugend dazu zwar mitreden, aber keine Verantwortung übernehmen zu wollen. Diese aber ist das Fundament der Wirtschaft. Weitere Konfliktpotentiale sieht Christian Scholz  darin, dass Z in Kollision mit X,Y und Babyboomern geraten könnte, weil sie eigene Ideen davon haben, wie eine Arbeitswelt aussehen soll. Allein die Idee – so Scholz – dass zum Beispiel ein Talentmanager im Betrieb den Berufsweg eines Zler mitgestaltet, kann diesen aufregen, während andere Beschäftigte das völlig normal finden.     

Wiederum positiv sieht der Wirtschaftsforscher, dass Zler miteinander sehr aufmerksam umgingen. Sie akzeptierten Regeln und fragten aktiv nach Grenzräumen, innerhalb derer etwas zu tun oder zu lassen wäre. Dies ginge jedoch teilweise soweit, dass Z sogar für Streiks nach Regeln fragt und Expertise von Organisationen einholt, von denen sie Fachwissen in der Materie erwarten.

Dieses Verhalten klingt grundsätzlich vernünftig, entbehrt aber einer gewissen Komik nicht. Für diese Tendenz, sich an Mentoren zu orientieren, macht Christian Scholz unter anderem Helikoptereltern sowie das durchstrukturierte Schulwesen verantwortlich.

Wer gehört denn nun zur „Generation Z“?!

Wer sich mit der neuen Jugendgeneration beschäftigt, muss immer bedenken, dass die Forschung zur Jugend speziell für den Arbeitsmarkt und für die Wirtschaft erst am Anfang steht; was allzu logisch ist, da viele Zler wirklich noch Kinder sind. Beachtet werden muss weiterhin, dass sich Forscher zudem nicht über das genaue Anfangsjahr einigen können, ab welchem jemand zu den Zler gehört. Prof. Dr. Christian Scholz spricht von der Mitte der 1990er Jahre. Andere wie der Jugendforscher Klaus Hurrelmann wiederum sagen, Jahrgänge nach 2000/2001 seien betroffen. Praktisch liegt man nicht falsch, wenn man jene Menschen zu den Zlern zählt, die um die Jahrtausendwende geboren wurden.    

Laut Statista.de betrug der Anteil der unter 20jährigen in Deutschland in 2014 10,8 Prozent. Im Endeffekt handelt es sich um keine vergleichsweise große Altersgruppe, da aber demografisch gesehen der Altersdurchschnitt in allen Bundesländern inzwischen mindestens über 40 Jahre liegt, kommt ihr eine große Bedeutung zu. Wird sie weiterführen, was vorige Generationen begonnen haben? Schließt sie sich Lifestyles jener an, die ihre persönlichen Traumziele für ihr Leben zum Beispiel in den 1990er Jahren formulierten?

Z erreichen: Chancen und Drehpunkte

Prof. Dr. Christian Scholz rät, dass alle Mitgenerationen – von den Eltern über die Kollegen bis hin zu den Chefs – Z einerseits mehr Freiraum geben müssen, damit sie lernen, abseits von Regeln selbst aktiv zu werden. Andererseits müssten sie konstruktive Kritik erfahren, um mehr über sich selbst nachzudenken. Denn oftmals schätzt ein Zler seine Qualifikation als zu gut ein. Christian Scholz gibt aber auch zu, dass gerade diese konstruktive Kritik geübt sein will.   

Weitere Maßgaben ergeben sich aus der jüngst veröffentlichten SINUS-Jugendstudie. Für sie wurden 72 Tiefeninterviews mit Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren geführt; im Auftrag zahlreicher Organisationen wie der Bundeszentrale für politische Bildung, der VDV-Akademie und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Auch sie ermittelt, dass keine Generation Krawall herangewachsen ist, beziehungsweise wächst. Doch sie kommt zu positiveren Einsichten. Angehalten vom Klimawandel, Flüchtlingswanderungen, Naturzerstörung und anderem wollen Jugendliche an einer nachhaltigen Zukunft aktiv mitarbeiten. Allerdings äußerten sie Angst vor dem Leistungsdruck im Arbeitsalltag und sie finden es schwierig, herauszufinden, welche Unternehmen in Belangen von CSR tun, was sie sagen. Sie wünschen sich, so die Studienautoren, ein gutes Verhältnis zu ihren Vorgesetzten sowie ein gutes Betriebsklima. Und die legen Wert auf vernünftige Arbeitsbedingungen. Außerdem anerkannten die meisten Jugendlichen, dass ein gemeinsamer Wertekanon für alle gelten müsse, der Freiheit, Aufklärung, Toleranz und soziale Werte umfassen müsse. Die Studienautoren geben aber auch zu bedenken, dass die Frage, wie Jugendliche allgemein ticken, unmöglich beantwortet werden könne. Darum hat es die Interviewten repräsentativ in sieben Typen eingeteilt. Unternehmen könnten aus den Typbeschreibungen Anhaltspunkte für ihre Integrations- und Schulungsansätze gewinnen. Es bleibt denn auch keinem Arbeitgeber erspart, sich selbst auf den Weg zu machen und die jungen Menschen kennenzulernen. Wichtig ist, dass Generation Z zum Thema wird, Austausch dazu passiert und nicht nur über, sondern auch mit den jungen Menschen. Das wäre ein echter Brückenschlag. Im Sozialen bauen immer mindestens zwei – und eben nicht einer – an einer Brücke.   

Z-Welt in der Baustelle „Welt“?

Insgesamt fallen die Studienergebnisse  hervorragend bis besorgniserregend aus, wenn man nämlich berücksichtigt, dass Jugendliche aus sozial und finanziell besser gestellten Schichten optimistischer in ihre Zukunft blicken als jene, die mehr für ihr Fortkommen tun müssen, weil Geld und Achtung fehlen.

Dass den meisten Jugendlichen gemeinsam ist, dass sie auf Sicherheit Wert legen und auch gern auf große Reichtümer verzichten, um stabile Beziehungen zugunsten ihrer Verankerung im Leben zu pflegen, weist wieder einmal darauf hin, dass junge Menschen sehr wohl in die Welt und auf das politische Geschehen blicken. Und da müssen sie sehen: Seit 2000 haben sich sozialklimatische Katastrophen gemehrt. Börsenkrach, Griechenlandkrise, Flüchtlingsdrama, Klimawandel und vieles mehr prägen das Wirklichkeitsbewusstsein der Zler. Die Shell Studie hat gesondert erhoben, wie es um das Polit-Interesse bestellt ist. Während im Jahr 2002 30 Prozent der damals Befragten solches bekundet hatten, sind es nunmehr 41 Prozent. Allerdings gilt wie schon zuvor: Je gebildeter ein Jugendlicher ist, desto mehr Interesse bringt er auf. Wer damit rechnet, kaum mitmischen zu können, schaltet erst gar nicht in die Nachrichten.  

Abgesehen von jenen Jungen, die in Deutschland typischerweise im toten Winkel stehen und von denen schlechterdings viel Veränderung erwartet werden kann, führt das wachsende Politbewusstsein dazu, dass Z tendenziell aufgeklärter, toleranter und ökologischer eingestellt ist als vorige Generationen.

Viele große und kleine Steine, doch wo bleibt der Mörtel im sozialen Gefüge? Fakten, Fakten, Fakten zur Genüge auf allen Medienkanälen und eine Generation junger Menschen, die ihnen nüchtern in die Augen sieht. Ihre Reaktion: Keine öffentliche Rebellion. Keine Abdriften in Phantasiewelten – die Kinder der Realität misstrauen Versprechungen der Gesellschaft und Wirtschaft – Brücken in eine bessere Welt – und bleiben gleich da, wo sie sind. Wo auch immer das ist.

Der Employer Branding-Slogan lautet: „Wir zählen auf Dich. Bei uns zählt der Mensch.“? Löst bei vielen Zler wenig aus. Die Politparole besagt: „Mit uns zu mehr Wachstum.“? Der Zler denkt nach und meint: „Was für ein Wachstum? Da wurden doch schon wieder in der Branche XY Menschen entlassen.“ Junge Leute können heute in einem nie zuvor gekannten Ausmaß informiert sein. Tatsächlich sind es viele von ihnen. Sie wissen, dass am gesellschaftlichen und politischen Horizont die Wolken seit ein paar Jahren ziemlich tief hängen. Was wird da ein junger Mensch – ganz praktisch gesehen – wohl tun? Jedenfalls versucht er im Hafen dessen zu bleiben, was er hat. Und jedes Schiff, das vorfährt besieht er sich genau.

So steht das natürlich in keinem Forschungswerk zur Generation Z geschrieben; aber wer die Stimmen von Personalwirtschaftsexperten und Jugendforschern zusammenzählt, der kommt auf diese Bilder, der kann sich ein Verhalten erklären, das offenbar den Kontakt mit anderen Generationen scheut. Letzteres allerdings haben Forscher so dokumentiert.