Für den Bereich Gesundheitsmanagement wird schnell die Senkung der Arbeitsunfähigkeitsquote (AUQuote) zur Legitimationsgrundlage. Zu Unrecht, denn wie allgemein bekannt, unterliegt die Standard-Kennzahl vielen Störeinflüssen, auf die Gesundheitsmanager kaum einwirken können: Arbeitsplatzunsicherheit beeinflusst die Quote generell positiv, auch autoritäre Führung schlägt sich oft in erhöhter Anwesenheit nieder. Beides hat sicher keine nachhaltig positive Wirkung auf die Mitarbeitergesundheit. AU-Daten sind als Analysewert im internen Vergleich von Bereichen und Abteilungen großer Unternehmen nutzbar.

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Foto von Danielle MacInnes

Bei genauer Betrachtung stößt man leider auch hier schnell an die Grenzen der Aussagefähigkeit: Zeugt die niedrigere AU-Quote von Abteilung A nun von einer gesünderen Belegschaft als in Abteilung B, obwohl in B ältere Mitarbeiter, eine zweifelhafte Führungskraft oder die längere durchschnittliche Betriebszugehörigkeit in der Auswertung berücksichtigt wurden? Warum ist B trotz allem produktiver? Bestenfalls signalisiert der interne AU-Vergleich weiteren Diagnosebedarf. Viel mehr leider nicht.

Gesundheit managen

Gehen wir einen Schritt weiter und trauen wir uns, die generelle Frage zu stellen: Welchen Aufwand rechtfertigen Unterschiede in der AUQuote von einem bis drei Prozent, wenn zwischen rein Anwesenden und begeisterten Leistungsträgern 20 bis 30 Prozent Leistungsdifferenz besteht? Es ist Zeit für eine Abkehr von der klassischen Gesundheitsmanagement- Mission „Fehlzeitenreduktion“, hin zur Schaffung und Vermittlung von Gesundheitskompetenz und -routine.

Verschaffen wir Mitarbeitern positive Gesundheitserfahrungen und machen wir den Zusammenhang zwischen persönlichem Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit und Innovationskraft spürbar. Und konzentrieren wir den Blick auf den gesundheitsförderlichen Kontext, der Arbeitgeberattraktivität und Unternehmensimage beflügelt. Ein Faktor, der in Zeiten nahenden Fachkraftmangels an Bedeutung gewinnen sollte. Wir möchten klarstellen, dass es selbstverständlich Aufgabe der Gesundheitsmanager ist und bleiben sollte, Erkrankungspotenzial in den Arbeitsverhältnissen und im menschlichen Verhalten zu identifizieren und diesem entgegenzusteuern.

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement für Langzeiterkrankte und umfangreiche Rehabilitationsangebote gehören zum Einmaleins jedes ganzheitlichen Gesundheitsmanagement-Konzepts. Aber ist es nicht ebenso wichtig, sich um die restlichen 95 Prozent der Belegschaft zu kümmern, als seine Energie ausschließlich in die sowieso schon Abwesenden zu stecken? Wir sollten tolerieren, dass Menschen schon immer erkrankten und immer erkranken werden. Denn Mitarbeiter am richtigen Platz eingesetzt mit einer erfüllenden Aufgabe, einem fürsorglichen Arbeitgeber und dem Recht auf Erkrankung leisten mehr und arbeiten besser.

Gerade was das Recht auf Erkrankung angeht, zeigen Beratungsunternehmen schon seit Längerem die Probleme von anwesenden aber nicht produktiven Mitarbeitern auf – Stichwort Präsentismus. Begraben wir also das Fehlzeiten- Schreckgespenst, indem wir gesundheitsförderliche und wohltuende Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiter schaffen. Wenn sich diese Strategie dann positiv auf die AU-Quote auswirkt, schließt sich der Kreis wie von Geisterhand.

Quelle: PERSONAL - Heft 12/2008

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