Um ihren High Potentials eine Entwicklungskarriere anzubieten, tendieren Unternehmen dazu, diese nach gewisser Einarbeitungszeit als Führungskräfte einzusetzen. Schließlich ist mit der Funktion einer Führungskraft Image, Vollmacht und finanzieller Aufstieg verbunden. Doch ein High Potential bewährt sich in der Regel zu Beginn seiner Karriere primär als Fachexperte. Daraus resultiert nicht automatisch, dass er auch über Sozial- und Führungskompetenzen verfügt. Oft kann deshalb ein solcher Aufstieg ins Nichts führen. Studien belegen, dass sich die Fluktuation der High Potentials erhöht, wenn die Unternehmen neben der Entwicklung zur Führungskraft nicht genügend Karrieremöglichkeiten bieten. Hinzu kommt, dass die heute flacheren Organisationen längst nicht mehr so viele Führungskräfte benötigen wie beispielsweise noch vor zehn Jahren.

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Foto von Arlington Research

Das alles spricht für die Notwendigkeit, besondere Karrierelaufbahnen für High Potentials zu generieren: den Aufstieg zum Fachexperten. Dieser soll über das gleiche Image, die gleichen Vollmachten, Kompetenzen und monetären Rahmenbedingungen verfügen wie High Potentials, die sich zur Führungskraft entwickelt haben: Ein Fachleiter ist ein hochkarätiger Experte mit herausragendem Fachwissen, das er auf strategisch wichtigen Feldern des Unternehmens einsetzt. Er verfügt auf seinem Gebiet über Richtlinienkompetenz und ist dabei verantwortlich für den Wissenstransfer innerhalb und außerhalb des Unternehmens. In der Regel hat der Fachexperte jedoch keine Personalverantwortung.

Daneben gibt es die Führungslaufbahn zur stellvertretenden Führungskraft. Diese Laufbahn eignet sich für High Potentials, die durch ihre Kompetenz sowie ihre berufliche Entwicklung das Know-how haben, Personalverantwortung zu übernehmen.

Sie arbeiten und „trainieren on the job“, zum Beispiel als Abteilungsstellvertreter. Sobald eine Abteilungsposition vakant ist, wird diese hauptamtlich übernommen. Der generelle Unterschied zwischen Fachexperten und stellvertretenden Führungskräften besteht in der Konzentration des allein projektverantwortlichen Fachexperten auf sein Fachwissen, während die Führungskraft sich als Generalist auf die Aufgabe der Führungsverantwortung konzentriert.

Stellen für stellvertretende Führungskräfte werden geschaffen, um sicherzustellen, dass die Führungsaufgabe kontinuierlich in der für den Erfolg der Einheit erforderlichen Qualität wahrgenommen wird. Der Leiter einer Einheit arbeitet mit seinem Stellvertreter als Führungsteam zusammen, die Aufgaben- und Kompetenzverteilung erfolgt je nach Zielen, Ausrichtung und Organisation des Unternehmens.

Das Entwicklungskonzept in der Praxis

 

Bei der Phoenix Contact GmbH, einem Hersteller elektronischer Interface- und industrieller Automatisierungstechnik gibt es schon seit vielen Jahren Konzepte zur Führungskräfteentwicklung. Die Entwicklung zum Experten oder zur stellvertretenden Führungskraft ist in den letzten Jahren hinzugekommen. Gründe waren Probleme, die sich bei der Entwicklung der High Potentials gezeigt hatten: High Potentials wurden nicht ausreichend systematisch im Unternehmen geortet, nicht optimal ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt und zum Teil unterfordert. Im Schnitt wurde ihr Potenzial nur zu 60 Prozent vom Unternehmen genutzt. Dementsprechend sank auch die Motivation.

Die Entwicklung zum Fachexperten oder zur stellvertretenden Führungskraft hatte die Stärkung der Mitarbeiterbindung zum Erfolg, damit höhere Leistung und weniger Fehlbesetzungen. Hinzu kommt der Image- und Attraktivitätsgewinn des Unternehmens aus der Sicht kompetenter Experten. Expertenwissen kann dementsprechend einfacher rekrutiert, besser ausgebaut und genutzt werden. Für die Mitarbeiter selbst zeigt das Konzept klare Perspektiven bei hohem Engagement und verstärkt die Identifikation mit der Position.

Drei Stufen zum Fachexperten

 

Die Entwicklung zum Fachexperten geschieht in drei Stufen: In der ersten Stufe erhält der High Potential die Stelle eines Fachreferenten mit der Möglichkeit, in der zweiten Stufe zum Fachleiter aufzusteigen. Die Einstufung zum Fachbereichsleiter schließlich bildet die Spitze. Der Verantwortungsbereich dieser drei Stufen zeigt sich in der Zuständigkeit, Ergebnis- und Kostenverantwortung und der Unterstellung (Geschäfts-, Ressort-, Bereichsleitung). Zur Verdeutlichung ein Beispiel für die unterschiedliche Ergebnisverantwortung der drei Funktionen:

  • Der Fachbereichsleiter ist dafür verantwortlich, dass die Lösungen, Produkte oder Dienstleistungen aus seinem Themenspektrum im gesamten Unternehmen auf dem weit überdurchschnittlichen Niveau liegen, das zur Sicherung der Marktstellung erforderlich ist.
  • Der Fachleiter ist für die Qualität der Lösungen, Produkte oder Dienstleistungen aus seinen Themenfeldern bereichs- und abteilungsübergreifend verantwortlich.
  • Der Fachreferent ist für die Qualität der Lösungen, Produkte und Dienstleistungen seines Themenfeldes im gesamten Bereich beziehungsweise in der gesamten Abteilung verantwortlich.

Entwicklungsstufen der Führungskraft

 

Auch in der Entwicklung zur Führungskraft sind drei Ebenen vorgesehen: stellvertretender Gruppen-, stellvertretender Abteilungs- und stellvertretender Bereichsleiter. Dabei sind als Parameter im Verantwortungsbereich jeweils stufenabhängig definiert: Führung, Personalverantwortung, Zuständigkeit, Ergebnisverantwortung, Kostenverantwortung, Prozessverantwortung, Unter- und Überstellung. Außerdem besitzt die Führungskraft Planungs- und Entscheidungsvollmacht.

Ein Beispiel der Differenzierung dieser Führungsebenen in der Personalverantwortung: Der stellvertretende Bereichsleiter ist dafür verantwortlich, dass die Führungskräfte und Mitarbeiter des Bereichs nach den Unternehmensleitlinien geführt und so eingesetzt werden, dass sie engagiert und loyal die Ziele des Unternehmens realisieren. Der stellvertretende Abteilungsleiter ist dafür verantwortlich, dass die in der Abteilung arbeitenden Führungskräfte und Mitarbeiter zielorientiert eingesetzt und geführt werden. Der stellvertretende Gruppenleiter ist dafür verantwortlich, dass die in der Gruppe arbeitenden Mitarbeiter zielorientiert eingesetzt werden und dass sie engagiert und kompetent arbeiten.

Auswahl der geeigneten Kandidaten

 

Wie ist nun der Prozess von der ersten Überlegung bis zur Ernennung eines Entwicklungskandidaten gestaltet? Zunächst muss eine Führungskraft eine neu geschaffene oder frei werdende Position in Form eines Stellenbilds und Kompetenzprofils definieren. Anschließend schlägt sie einen High Potential zur Entwicklung vor, Mitarbeiter können sich selbstverständlich auch selbstständig für die Entwicklung vorschlagen beziehungsweise bewerben.

In einem Potenzialworkshop wird überprüft, inwieweit das Anforderungs- dem Kompetenzprofil entspricht. Dieser Workshop entspricht einer Variante eines Assessment Centers. Auf Grundlage der Präsentation werden die Soll-Ist- Abweichung festgehalten und konkrete Entwicklungsvereinbarungen mit Inhalten und Terminen abgeleitet. Eine Abschlusspräsentation, bei der Vorgesetzte und Mitarbeiter des Personalressorts die Jury darstellen, beendet das Personalentwicklungsprogramm, das aus Coaching, Training-on- und -off-the-job besteht. Nach erfolgreichem Abschluss erfolgt die offizielle Ernennung zum Experten oder zur stellvertretenden Führungskraft.

Quelle: personal-expo