Oliver Maassen, Vorstandssprecher des deutschen Arbeitskreises für Personalmarketing, gehört zu den Kritikern. Er findet es verdächtig, wenn sich eine Firma auf einem Onlineportal kostenpflichtig präsentiert und dort gleichzeitig als empfehlenswerter Arbeitgeber gerühmt wird. Maassen spricht damit einen Trend unter den Bewertungsportalen an, die sich zunehmend als Plattformen für das Personalmarketing positionieren.

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Foto von Tyler Franta

Ursprünglich lag der Fokus der Portale auf der reinen Bewertung. Die Idee: Mitarbeiter bewerten ihre Arbeitgeber in Kategorien wie Vergütung, Arbeitszeiten, Führungsstil oder Betriebsklima. Darüber hinaus können sie einen Kommentar oder Erfahrungsbericht schreiben, um anderen Usern mehr Hintergründe über das Unternehmen zu geben. Zu den bekanntesten Anbietern gehören heute Kununu.com, Jobvoting.de, Arbeitgebercheck.at und Kelzen.com.

Ihre Betreiber sehen sich nicht als Internetgewerkschaft oder gar Onlinefraktion für gefrustete Arbeitnehmer. Kununu-Gründer Martin Poreda möchte vielmehr „möglichst umfassende Informationen über Arbeitgeber“ bieten, Sandra Wiesinger, Initiatorin von Kelzen, geht es um „Einblicke in das Betriebsklima einer Firma“. Dafür benötigen sie viele Bewertungen – oder mit den Worten Ronny Skrzebas, des Betreibers von Jobvoting: „Es geht darum, eine große Community aufzubauen“. Ihm lägen derzeit rund 5.000 Bewertungen vor, Kununu gibt 50.000 an. Arbeitgeberrankings würden beide dennoch nicht anfertigen wollen, weil die Datenbasis pro Firma zu schwach sei. Außerdem wolle man nicht unter den Firmen polarisieren, ergänzt Poreda.

Anbieter erweitern ihre Dienste

Kununu gilt unter Mitbewerbern als technisch am weitesten entwickelt. Die Plattform bietet Arbeitgebern bereits viele Möglichkeiten der Präsentation: Kunden können Fotos aus ihren Betrieben, Videofilme und Selbstbeschreibungen einstellen. Die Kosten liegen bei Kununu je nach Firmengröße zwischen 3.000 und 20.000 Euro jährlich. Doch auch für die Zielgruppe Arbeitnehmer soll das Portal attraktiver werden: Seit Juni 2009 kooperiert Kununu mit Karriere.de, dem Onlineportal der Zeitschrift „Karriere“, einem Magazin der deutschen Verlagsgruppe Handelsblatt. Für die User bringt die Zusammenarbeit unter anderem die Möglichkeit, gezielt nach Jobs zu suchen – eine Anwendung, die Jobvoting mit Jobscout24.de umsetzt.

Portalbetreiber Skrzeba geht mit Jobvoting einen ähnlichen Weg wie Kununu. Auch bei ihm präsentieren sich Arbeitgeber mit Videos und Selbstporträts auf seinem Portal. Geplant ist, Unternehmen noch gezielter anzusprechen und das Design des Portals entsprechend zu relaunchen.

Sandra Wiesinger von Kelzen, die selbst im Personalwesen tätig ist, möchte sich in dieser Hinsicht abgrenzen: „Wir sind eine reine Plattform für Bewertungen. Eine Kommerzialisierung ist nicht geplant. Ich denke, dass die Bewertungen an sich dem Personalmarketing schon nützen. Eine gute Quote erhöht die Arbeitgeberattraktivität und hat somit eine positive Aussagekraft.“ Um die Zahl der Bewertungen pro Firma zu erhöhen, kooperiert sie mit Jobvoting. Die Votings auf beiden Portalen fließen zusammen. Auch Wiesinger relauncht gerade: Sie will bei den Bewertungen zum Beispiel Fragen zu aktuellen HR-Themen einbinden, wie unter anderem „Entgeltsysteme“ oder „Talent-Management“.

Absender unbekannt

Während die Betreiber der Portale ihre Anwendungen optimieren, bleibt Grund zur Skepsis. Denn beim Durchklicken der Seiten zeigt sich schnell, dass einzelne Einträge veraltet sind. Zudem schaffen es nur wenige Unternehmen auf mehr als fünf Bewertungen. So scheint der häufig vorgetragene Vorwurf verständlich, dass Bewertungsportale nur Einzelmeinungen abbilden würden. Sandra Wiesinger meint dazu: „Sehr oft ist schon am Sprachstil erkennbar, dass da wohl kein Angestellter postet. Und auch daran, dass zum Beispiel in einem knappen Zeitraum viele positive oder negative Wertungen kommen.“

Wiesinger gibt ebenso wie Martin Poreda zu, dass ihre Portale nur Anhaltspunkte geben, die ein Arbeitnehmer im Gespräch mit der Firma verifizieren müsse. Allerdings träumt Poreda auch davon, „dass HR-Abteilungen sich künftig ihr Stimmungsbarometer ausdrucken und so besser auf Fehlstellungen hinweisen können“, was bereits vereinzelt der Fall sei. Und noch etwas lässt ihn hoffen: Hatten sich schlecht gerankte Firmen anfangs im aggressiven Ton gemeldet, riefen sie nunmehr freundlich an, weil ihnen bewusst sei, dass Wertungen bei Kununu nicht einfach vom Tisch gewischt werden können.

Allzu ausfallende Kommentare müssen die Arbeitgeber jedoch nicht fürchten: Alle Anbieter kontrollieren die Einträge und löschen Beleidigungen oder Kommentare, die unter die Gürtellinie gehen.

Gesamtbild über verschiedene Kanäle verbessern

Dabei gilt es auch die Bewerber nicht zu unterschätzen. Qualifizierte Fach- und Führungskräfte sollten in der Lage sein, Informationen aus unterschiedlichen Internetkanälen zu einem objektiven Bild eines Unternehmens zusammen zu setzen. Ralf Tometschek, Partner bei der Branding-Agentur Identitäter plädiert deshalb für einen Mix diverser Personalmarketingaktivitäten, beispielsweise weitere Social-Media-Plattformen wie Twitter, aber auch klassische Messen und Unikontakte.

Um ein repräsentatives Bild eines Unternehmens zu vermitteln, sind Arbeitgeber gut beraten, auf diesem Weg in direkten Kontakt mit den Bewerbern zu treten. Wie Firmen diesen Dialog am besten gestalten, darüber denkt man auch bei den Arbeitgeberbewertungsplattformen nach. Martin Poreda erlebt es häufig, dass ihm Unternehmen unglaubwürdige Hochglanzpräsentationen schicken, weswegen er versuche, sie zu coachen. „Einige Firmen füllen alten Wein in neue Schläuche. Für Portale wie Kununu braucht es zum Beispiel nicht den normalen Imagefilm, sondern authentische Inhalte und Videoformate, wie wir sie aus Youtube kennen“, hat auch Tomatschek beobachtet.

Die Bewertungsplattformen schlössen zwar eine Marktlücke, seien aber dennoch nicht der Weisheit letzter Schluss, glaubt der Experte von Identitäter. Peter Rieder, Leiter Recruiting und Personalentwicklung bei der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, sieht dennoch Chancen in der Arbeitgeberbewertung: „Das Spannende an den Portalen ist, dass sie das Potenzial haben, die klassische Werbung auszuhebeln“, so der Personalverantwortliche. „Sie können heute als Arbeitgeber nicht mehr glaubwürdig behaupten, dass Sie ein offenes und gutes Betriebsklima haben, wenn zehn Leute auf einem Bewertungsportal das Gegenteil sagen.“ Unternehmen müssten sich in ihrer Kommunikation somit bemühen, authentisch zu bleiben.

Für Rieder ist eine Beschäftigung mit den Portalen ein Muss: Mitarbeiter und Bewerber nutzten das Internet schon jetzt aktiv, um sich zu informieren. Grund genug also, sich auf das Thema einzulassen.

Quelle: personal manager 3/2010