Die Messe Zukunft Personal machte deutlich: Der zentrale Treiber für die Personalarbeit in Unternehmen und Organisationen ist der demografische Wandel. „Wir als Mittelständler in Ostwestfalen-Lippe haben früh erkannt, dass ein Zug auf uns zurollt“, sagte Dachdecker- und Klempnermeister Anton Plenkers von Solarteur auf einer Podiumsdiskussion des ddn (Das Demographie Netzwerk). Schon vor Jahren habe er gezielt damit begonnen, eher schwache Realschüler als Auszubildende zu fördern, da nicht genügend Interesse an den 110 freien Ausbildungsplätzen pro Jahr bestehe.

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Foto von Adeolu Eletu

Auch die älteren Mitarbeiter versucht er gezielt zu halten. „Mir wird angst und bange, wenn ich daran denke, dass ich diese erfahrenen Handwerker irgendwann ersetzen muss“, so der Unternehmer. Plenkers setzt deshalb auf einen Mix an Tätigkeiten, auf Körperhilfen und einen offenen Umgang. „Wer zugeben darf, dass es ihm gerade nicht so gut geht, gönnt sich auch die nötigen Pausen. So lässt es sich auch problemlos bis 69 arbeiten.“

Ansätze in Finnland gehen noch einen Schritt weiter: Rudolf Kast, Geschäftsführer von „Die Personalmanufaktur“, erzählte von einer 96-jährigen Mitarbeiterin, die dort kürzlich von Teilzeit auf Vollzeit wechselte. Auch für die Ausbildung forderte er einen Paradigmenwechsel: „Wir müssen ältere Menschen in Ausbildung bringen – wir brauchen Azubi 50plus“. Der ehemalige Personalleiter der Sick AG Kast berichtete von einer Buchhandelskette, in der Mutter und Sohn gemeinsam eine Ausbildung absolvierten. Die Personalverantwortlichen in den Unternehmen äußerten sich etwas zurückhaltender: „Bei den Azubis haben wir noch keine Engpässe, aber wir sind für vieles offen“, so Stefan Gryglewski, Leiter Personal von Trumpf.

Talentmanagement für Frauen: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Neben Ansätzen, wie Unternehmen ältere Mitarbeiter länger beschäftigungsfähig halten können, debattierten die Personalexperten in Köln über Diversity im Hinblick auf das Geschlecht der Beschäftigten – insbesondere in den Führungsetagen. Zum Auftakt der Podiumsdiskussion „Quote sei Dank – Talentmanagement für Frauen“ wunderte sich Erwin Stickling, Chefredakteur der Zeitschrift „Personalwirtschaft“, was aus dem angekündigten „Jahrhundert der Frauen“ geworden sei. „Die Personalentwicklung hat versagt“, erklärte der Moderator angesichts der wenig gelungenen Einbindung beider Geschlechter auf höchster Führungsebene. Für Frauen gelte nach wie vor die Option „Chefsessel oder Spielplatz“, zitierte er einen Zeitungsbericht.

„Karrieren werden beim Pinkeln gemacht“, ist Thomas Sattelbergers Erfahrung. Um die Aufstiegschancen von Frauen signifikant zu erhöhen, hat der Personalvorstand der Deutschen Telekom in seinem Haus die Quote eingeführt. Doch ist diese Zwangsverordnung sinnvoll? Die Meinungen dazu gingen in den Reihen der Personaler deutlich auseinander. Dr. Peter Körner von der Deutschen Telekom, der derzeit mit der Umsetzung der 30-Prozent-Vorgabe „gut zu tun hat“, befürwortete die Maßnahme. „Pinguine stellen Pinguine ein, niemals Eisbären. Aber ohne Eisbären gibt es keine Innovation“, gab der Personaler zu bedenken. Dieses Prinzip beziehe sich nicht nur auf das Geschlecht, sondern auf alle möglichen Unterschiede. „Wir sollten nicht nur Menschen mit Einser-Abschlüssen, 1000 Praktika und Auslandserfahrung rekrutieren.“ Stattdessen sei eine Talent-Pipeline aufzumachen, die ganzheitlich gefüllt werde – auch in internationaler Hinsicht.

Auch Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp, Leiterin Obere Führungskräfteentwicklung der REWE Group, bemängelte die zähe Weiterentwicklung in Deutschland. „Ich finde den Vorstoß von Herrn Sattelberger toll! Denn ohne Druck geht es offensichtlich nicht.“ Allerdings wünscht sich Schütze-Keilkamp mehr Flexibilität nach dem Motto „Quote ja, aber nicht pauschal mit 30 Prozent Frauen in Führungspositionen“. Bei REWE gebe es bereits genug Dynamik. „Wir brauchen keine Quote.“

Gemischte Teams fördern

„Ich bin kein Freund der Frauen-Quote“, erklärte Dr. Simone Siebeke, Corporate Vice President Human Resources Cosmetics bei Henkel. „Für uns sind immer die individuelle Leistung und Qualifikation entscheidend.“ Sie habe die Erfahrung gemacht, dass auch Frauen diese Haltung schätzten: „Sie möchten wegen ihrer Leistung befördert werden und nicht wegen einer Quote.“ Mit diesem Ansatz beschäftige Henkel bereits heute 30 Prozent Frauen in Führungspositionen. Zudem müsse die Diskussion breiter geführt werden: „Gemischte Teams sind am erfolgreichsten. Neben einer guten Mischung von Frauen und Männern gehört auch eine diverse Zusammensetzung in Hinblick auf Alter, Nationalität und Erfahrungshintergrund dazu.“

So sieht das auch Dr. Thomas Böhle, Personal- und Organisationsreferent der Landeshauptstadt München. In seinem Vortrag zum demografieorientierten Personalmanagement der bayerischen Metropole berichtete er etwa, wie die Landeshauptstadt gemeinsam mit der Ludwig-Maximilian-Universität ein neues Personalauswahlverfahren entwickelt hat, das die interkulturelle Kompetenz berücksichtigt. Gleichzeitig richtet der Personalmanager den Fokus auf Beurlaubte und Rückkehrerinnen – mit verschiedenen Teilzeitmodellen, Leitfäden für Beurlaubungs- und Rückkehrgespräche und Betreuungsmodelle. Damit adressiert er ein Hauptproblem der Frauenförderung: Junge Frauen starten oft vielversprechend in die Karriere, springen dann aber wieder ab. Der Anteil von Teilzeitarbeit in Führung ist laut Böhle durch die eingesetzten Instrumente in München von 1998 bis 2010 um mehr als 10 Prozent auf 15,7 Prozent gestiegen. „Wir erleben Teilzeit als Wettbewerbsvorteil“, so Böhle.

In jedem Personaler steckt ein Verkäufer

Um solche Pluspunkte als Arbeitgeber auch unter potenziellen Kandidaten publik zu machen, wählen die Betriebe immer häufiger den Weg über Online-Medien oder Social Media. „Beim Social Media Recruiting begeben sich Unternehmen aber auf dünnes Eis“, warnte Karin Hohn, Geschäftsführerin der Job Ambition GmbH. Es bestehe die Gefahr, einen Image-Verlust zu erleiden. HR-Fachleute müssten sich deshalb neue Kompetenzen zulegen und sich stärker als Marketing-Fachleute und Vertriebler verstehen.

„Unternehmen, die Social Media richtig nutzen, verleihen ihren Verlautbarungen eine höhere Glaubwürdigkeit“, zeigte sich Prof. Marion Büttgen von der Universität Hohenheim überzeugt. Brands könnten in sozialen Netzwerken nahezu menschliche Züge annehmen. „Recruiting, Beziehungsmanagement und Employer Branding sind stark miteinander verzahnt“, gab Markus Schroll, Geschäftsführender Gesellschafter der innowise GmbH, zu bedenken. Es sei ein Spagat, in Stellenanzeigen auch die emotionale Seite anzusprechen.

Online-Stellenbörsen haben diese Unsicherheiten in den Unternehmen erkannt und bieten zunehmend verschiedene Angebote aus einer Hand. „Beratung ist ein elementares Gut – hier unterscheiden sich Stellenbörsen voneinander“, betonte Bernd Kraft, Vice President und General Manager Central Europe bei Monster Worldwide. Wie viele andere Jobbörsen arbeitet Monster auf Hochtouren daran, die Social-Media-Angebote zu verbessern. Jüngstes Projekt in dieser Hinsicht: Der Relaunch der Social Media App BeKnown.

„Beim E-Recruiting ist es wichtig, eine gute Bewerbung sofort zu erkennen, um schnell darauf reagieren zu können“, befand Hermann Arnold, CEO von Umantis. Das sei wie bei einer Flugbuchung im Internet: „Die Antwort ‚Vielen Dank für Ihr Interesse. Wir melden uns in einer Woche bei Ihnen‘, kommt einfach nie gut an.“ Die Zeit für eine Stellenbesetzung sollte aber nicht generell kurz ausfallen – im Gegenteil. „Die time to hire ist wenig bedeutsam. Viel wichtiger ist es, die Richtigen zu finden.“

Immer mehr Unternehmen schicken zudem die Mitarbeiter, die schon an Bord sind, an die Rekrutierungsfront. Die Beschäftigten sollen in direkten Kontakt mit den Bewerbern treten und einen authentischen Eindruck vermitteln. Die SNT Deutschland AG setzt laut Leo Staub-Marx beispielsweise Azubis bei Azubi-Bewerbertagen ein. „Damit haben wir beim CallCenterProfi-BewerberCheck einen Quantensprung von einem schlechten Image auf Platz 1 gemacht“, so der Manager Human Resources.

Infrastrukturen für „Mehrhirndenker“ schaffen

Social Media ermöglichen auch völlig neue Formen der Zusammenarbeit. Cloudworker, die ständig online sind, vernetzen sich bei der Arbeit mit Kollegen und Experten. „Diese ‚Mehrhirndenker‘ agieren in und mit der virtuellen Welt“, so Franz Langecker, Chefredakteur der Zeitschrift „HR Performance“.

„Die Wertekultur in Unternehmen verändert sich durch neue Formen der Collaboration“, erklärte Anu-Cathrin Beck, Co-Founder bei Betahaus Köln. Gefragt seien heute kurze Kommunikationswege und Offenheit – keine kühle Business-Welt, sondern ein emotionales Umfeld. „Je mehr Freiheiten Cloudworker erhalten, desto mehr Verantwortung tragen sie“, kennzeichnete sie die Kehrseite der Medaille. „Die meisten schaffen 150 Prozent“. Dies sei ein Problem, aber kein Grund zur Umkehr. Die Entwicklung zu einem solchen Enterprise 3.0 sei nicht nur ein Abteilungsthema, ergänzte Stephan Grabmeier, der als Head of Culture Initiatives bei der Deutschen Telekom das Thema vorantreibt. „Collaboration ist ein Konzernthema, das Personaler moderieren sollten.“

Eine Moderatorenrolle nehmen Personalmanager laut Bob Rosenfeld, CEO von Idea Connection Systems Inc., auch in punkto Innovationen ein. „HR-Manager haben eine Mission: Sie müssen die Ideen und das Innovationspotenzial von Menschen besser verstehen“, so Rosenfeld. Jede Organisationen brauche unterschiedliche Typen von Innovatoren für verschiedene Stufen in ihrer Entwicklung – von der Evolution über die Expansion bis hin zur Revolution.

Da Personaler Führungskräfte entwickeln oder selbst Führungskräfte sind, tragen sie auch Verantwortung für die Unternehmenskultur. „Sie sind Organisationstherapeuten in einer Multioptionsgesellschaft“, benannte Theresia Volk, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv), eine weitere Herausforderung für die Personalmanager von heute und morgen. Die Autorin des Buches „Unternehmen Wahnsinn“ empfahl ihnen, die Betriebsstrukturen von einer erhöhten Plattform aus zu betrachten.

Hoher Besucherzustrom an allen drei Tagen

Insgesamt lieferten mehr als 220 Vorträge, Podiumsdiskussionen und Präsentationen Anregungen zur kompletten Bandbreite des Personalmanagements. Neben Keynote-Speakern wie Prof. Dr. Wim Veen von der Technischen Universität Delft, Prof. em. Dr. Dr. h.c. Lutz von Rosenstiel von der Ludwig-Maximilians-Universität München und Prof. Steve Wheeler von der University of Plymouth (UK) gehörten auch die Aktionsflächen Training, auf denen Trainer und Coachs ihr Angebot auszugsweise präsentieren konnten, zu den Besuchermagneten der Zukunft Personal 2011.

Mit den Themenreihen „Personal & Gesundheitswirtschaft“, „Personal & Verwaltung“ sowie „HR Career“, bot der Veranstalter spring Messe Management tägliche Highlights für Personalverantwortliche aus verschiedenen Branchen. Aufgrund ihres Erfolgs werden die Vortragsreihen auch im nächsten Jahr wieder aufgelegt: Vom 25. bis 27. September 2012 ist es wieder so weit. Europas größte Messe für Personalmanagement bezieht dann die Hallen 11.1, 11.2, 11.3.

Besucherstimmen zur Zukunft Personal

Ausstellerstimmen zur Zukunft Personal

Weitere Informationen: www.zukunft-personal.de