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Foto von Alejandro Escamilla

 Aber wie es scheint, scheitern viele Veränderungsprozesse immer noch am Fehlen einer klaren, alle Beteiligte „abholenden“ Kommunikation zu scheitern

 Ja, man sieht allenthalben, dass es immer noch Verantwortliche gibt, die bestimmte Themen wie „Befürchtungen der Belegschaft, „Spielregeln für ein Miteinander der Kulturen“, einen „Ethikkatalog“ oder das „Markenimage“ für „weiche Themen“ halten und entsprechende Massnahmen zur „reinen Chefsache“ machen.
Zusätzlich wird eine ganz neue Sprache erfunden. Da findet man plötzlich wissenschaftliche Wortkonstruktionen, Begriffshülsen, Euphemismen. Selbst Outsourcing hat etwas mit „Ressourcen und Quellen“ zu tun, pflegt also einen positiven Ansatz. Hinter den in diesem Zusammenhang gerne propagierten sogenannten „flexiblen Beschäftigungsformen“ verbergen sich schnell Zeitarbeit, Zeitverträge, Projektverträge, ungesicherte Arbeitsverhältnisse, Quasi-Arbeitsverhältnisse (gesetzliche Sonderfälle „Heimarbeit“ oder Home-Office-Tätigkeiten), „modulare“ Arbeitsverhältnisse aus mehreren Teilzeitjobs, der Kombi Festanstellung und Freelance-Job, Selbständigkeit, Scheinselbständigkeit etc. – alles Arbeitszustände, die u.U. eine hohe Belastung für den Einzelnen und sein Umfeld darstellen können.

 

Warum das?

Die Gründe sind vielfältig, es geht ja auch um sehr viel, da möchten Entscheider die Firma schützen, das Image schonen, wissenschaftlichen Rückhalt einholen. Und tatsächlich benötigt man zuweilen auch wirklich neue Begriffe, um neue Realitäten zu benennen – und zu schaffen. Worte schaffen Realität, machen  (an)greifbar, ermöglichen Kontrolle…
 

Ist das nicht legitim und sogar innovativ?

Ja, doch es darf natürlich nicht übertrieben werden. Leere“ Begrifflichkeiten schaffen inneren wie äußeren Abstand des Gesagten gegenüber nüchternen Fakten und ermöglichen so einen vermeintlichen Aufschub und Handlungsspielraum – auf jeden Fall die Sicherheit, dass jeder etwas anderes darin sehen kann, ohne dass man jemanden darauf festlegen kann. Doch ihre Wirkung verhindert auch klare Auseinandersetzungen, führt zu unnötigen Klärungs-und Diskussionsbedarf und zu Zeitverlusten bei der Bewältigung der harten Realität hinter einer schönen aber auch abweisenden Fassade.

 

Hilft das etwas?

Definitiv nein. Höchstens kurzfristig. Langfristig kann sich das rächen. Das „Gedächtnis der Medien und Menschen“ wird zwar häufig als kurz bezeichnet, doch die Enttäuschung vieler vor den Kopf gestossener Arbeitnehmer und Kooperationspartner kann durchaus länger dauern, als Firmenstrategen sich das wünschen. Und plötzlich sind hier auch ganz konkrete Zahlen zu finden: Dann, wenn man den Imageverlust infolge mangelnder oder falscher weil auch irreführender Kommunikation in Bilanzen beziffern muss – und leider auch ganz deutlich kann. Auch darf man nicht vergessen: Unter Umständen möchte/muss eine Firma, die heute ins Ausland geht – morgen wieder zurück – im Prozess des „Re-Outsourcing, der „Rückverlagerung“. Dann braucht sie gute Mitarbeiter, Unterstützer, Befürworter. Dann ist es gut, wenn sie nicht erst wieder Boden gut machen muss.

Sie haben gerade viele Beteiligte aufgezählt, reicht es nicht, dass sich die obersten Entscheider einig sind?

Dieses Thema ist sehr sensibel. Es mag vielleicht im ersten Moment übertrieben klingen, wenn wir nun Beispiele wie „Hochzeit“, „Geburt“ oder „Scheidung“ ins Spiel bringen. Aber genauso wie bei diesen „Familienereignissen“ geht es bei Firmengründungen und -umstrukturierungen immer auch um Beziehungen. Beziehungen in der Führungsetage, zu Geschäftspartnern, Sponsoren, Finanzdienstleistern, zu Mitarbeitern, zu Gesellschaftern, Medien und Kunden…Erst in solchen Situationen wird den meisten klar, wie vernetzt und sensibel Ihr geschäftlicher Bewegungsspielraum ist – und trotz Trennung und Veränderung u.U. bleiben wird.

Das klingt jetzt sehr „soft“

Mag sein. Die Folgen können jedoch hart sein. Und es geht um harte wirtschaftliche Fakten.

 

Wo liegen dann die größten Fettnäpfchen?

Wenn Sie große und wichtige Teile Ihrer Verwandtschaft schlichtweg vergessen, oder noch schlimmer: sichtbar und bewusst ausklammern. Dann können Sie sich auf lange kräftezehrende Auseinandersetzungen einstellen. Vielen Unternehmen wird erst in prekären Zeiten bewusst: Wer sind meine guten Partner? Welche Kammern und Behörden reden in alten oder neuen Situationen mit? Wo trenne ich mich? Welche Beziehungen müssen unbedingt gepflegt werden? Was sind meine wichtigsten Kontakte, Kernkompetenzen und Kernbeziehungen? Eine sehr wichtige und sinnvolle Inventur – und manchmal auch „Abnehmkur“. Werden dabei wesentliche Gruppen nicht beteiligt und rechtzeitig mit „ins Boot“ geholt, dann sind Sie jeder Wirtschaftswelle gnadenlos ausgeliefert.
 

Sind grössere Unternehmen da nicht ohnehin schon gut aufgestellt und auf solche Situationen vorbereitet, besser als z.B. die KMUs?

Ja und nein. Vergessen Sie nicht: Auch große Unternehmen werden von Menschen geführt, die Kommunikationsabteilungen verfügen über weniger Budget als die Marketing- oder Vertriebsabteilung – und Irren und Vergessen ist menschlich.

Welche Mannschaften müssten denn sicher mit „ins Boot“?

Natürlich treue Kooperationspartner, bewährte Dienstleister, Sponsoren und Medienpartner, Gesellschafter, Aktionäre, Behörden, Ämter, Stabsstellen, Verbände, Sozialkassen etc. –  vor allem jedoch alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die von den Betriebsveränderungen betroffen sind. Also: Alle.

Was geben Firmen in ihrem Mutterland denn alles bei einer Standortverlagerung auf?

Die in der Regel eingespielten Teams, eine bekannte und besser einschätzbare rechtliche, wirtschaftliche und politische Lage – und natürlich auch die wirtschaftliche Nähe zu Kooperationspartnern und das Vertrauen in gewachsenen Handelsbeziehungen, und ausserdem die Absatznähe zu den Kunden. Man versteht sich. Man kennt sich. Man spricht die gleiche Sprache, schätzt die Reaktionsschnelle bei unvorhergesehenen Ereignissen…

Kann das im heutigen digitalen Zeitalter nicht aufgefangen werden?

Sicher. Häufig können Sie mit internen wie auch webbasierten Meetingfunktionen auch hier schnell ins Ausland kommunizieren. Dazu muss die Digitalisierung entsprechend ausgebaut sein. Aber man muss bedenken, dass die Infrastruktur im Zielland eine andere sein kann, das Netz nicht so dicht. Und dass unterschiedliche Zeitzonen schnelle Reaktionen behindern können. Ausserdem kommen datenschutzrechtliche Themen hinzu sowie eine politische und wirtschaftliche Lage, die für Aussenstehende nicht immer leicht planbar oder einsichtig ist. Hier ist hohe interkulturelle Kompetenz gefragt: Welche kulturellen Wertemasstäbe gelten im Zielland, wie ist das Gehaltsniveau dort, wie werden Hierarchien gelebt? Das muss vorher ausgelotet, gelernt, trainiert werden. Hier gerät man schnell aus der gewohnten Komfortzone. Hier gibt es am Markt aber auch kompetente Outsourcing-Partner: Beraterfirmen oder im Change-Management erfahrene Interims-Manager, die in Outsourcing-Prozessen beraten, Prozesse übernehmen.

Die Liste an Risiken ist recht lang

Genau. Von daher sind eine längerfristig aufgebaute gute Planung und Kommunikation das A und O. Gerade der Bereich Kommunikation ist in solchen Umbruchsituationen stark gefragt. Wie reagieren Kunden, wie reagiert der Markt, wenn ein Traditionsunternehmen plötzlich aus, sagen wir Simbabwe, heraus agiert – passt das dann noch zum Marken-Image? Eine Standortverlagerung beeinflusst die Beziehung und das Vertrauen zu Geschäftspartnern und Kunden in hohem Masse.
 

Das kann auch von Vorteil sein

Ja, wenn beispielsweise ohnehin ein Markenrelaunch geplant ist, die (u.U. sogar neu entwickelten) Produkte gut zu den neuen Ländern passen und auch alles von längerer Hand geplant wird, strategische Kooperationen schon bestehen oder angeknüpft wurden – dann können Betriebseinheiten im Ausland zu einem richtigen Glücksgriff werden. Es besteht im Zuge dessen auch die Chance gewünschte Image-Veränderungen zu lancieren, Konkurrenz auszuweichen oder neu zu definieren, neue Kundengruppen zu erreichen und dabei neue Strategien einzusetzen und auszutesten. Raus aus der Komfortzone heisst auch: Rein in neue (Absatz) Möglichkeiten und Geschäftsbeziehungen. Denn, und das sollte man nicht unterschätzen, auch das neue Land bietet einen Absatzmarkt und neue Kooperationsmöglichkeiten.

 

Auf keinen Fall darf sich die Verlagerung als eine reine „kurzfristige“ Optimierungslösung entpuppen. Das wird schnell und bitter entlarvt. Hinter einer Auslagerung müssen Firmenleitung, Aktionäre, Gesellschafter, Kaderstellen absolut stehen. Und eben die Mitarbeiter

Die mit Leidenschaft dabei sein sollten, im Sinne von; “Passion brought us here?”

Hillinternational rät sogar, auf die Frage: “Warum würden Sie gerne in diesem oder jenen Land arbeiten?” auf Antworten zu achten wie: “Weil ich dieses Land schon immer geliebt habe und ich mich schon immer dafür interessiere.” “Weil mich die Kultur fasziniert und ich schon immer mal die Sprache lernen wollte.” Erfolgsgeschichten von Auslandseinsätzen werden nur von “begeisterten und begeisterungsfähigen Mitarbeitern” geschrieben, die die “Geschäftsidee und die Unternehmensidentität des Stammhauses mit voller Überzeugung in die neuen Märkte tragen.” Übersetzt heisst das aber auch für das Auslands-HR: Wenn nicht von vorneherein eine Grundbegeisterung für Land, Leute, Ausland, Sprache, Teamwork und Funktion in einem Kandidaten stecken, kann man sie auch nur sehr schwer “künstlich” erzeugen.

Wirklich alle?

Ja. Die, die u.U. ihren Arbeitsplatz verlieren – und entsprechende Umschulungsprogramme, Umstrukturierungshilfen etc. benötigen. Die das Image per Mundpropaganda weitertragen, deren Familien…jedoch auch die anderen Mitarbeiter, die die Aufgaben mittragen müssen, die gute Kollegen verlieren, deren Teams sich verändern etc. Alle sind betroffen. Hier muss respektvoll, zugewandt, aber auch mit klaren Worten – vor allem rechtzeitig – kommuniziert werden.

Rechtzeitig?

Das ist der Punkt. Manche Veränderungen ergeben sich relativ kurzfristig. Auf der anderen Seite müssen einschneidende betriebliche Umstrukturierungen gründlich vorbereitet werden. Hier sollten die Kaderstellen sich dann doch zuweilen „in die Karten schauen“ lassen – und lassen dürfen: Je mehr Betroffene mit ins Boot geholt worden sind, vielleicht manche Dinge sogar mitabstimmen durften, auch, wenn das am Anfang mühsam ist – und zu bestimmten Zeiten taktisch höchst sensibel gehandhabt werden muss – umso weniger Gerüchte und Stimmungswechsel werden Sie inner- wie ausserbetrieblich bewältigen müssen. Umso besser laufen, trotz der neuen Herausforderungen, Team- und Projektarbeit (weiter).
 

Klingt das nicht wieder zu theoretisch und nach softem „lasst uns reden“?

Nein. Auslandsentsendungen, Unternehmensauslagerungen, Outsourcingprozesse – all diese Massnahmen erfordern wirklich schwierige Aufklärungsarbeit nach innen wie aussen: im Vorfeld, währenddessen – und danach – Konflikte und harte Auseinandersetzungen inklusive. Umso besser, wenn schon vorher gute Kommunikationsstrukturen aufgebaut und gepflegt wurden, didaktisch, strategisch, kreativ, organisatorisch, finanziell wie personell. Umstrukturierungen bieten hier eine echte Chance: Der Mehraufwand an Kommunikation lohnt sich in jedem Fall. Die neue Praxis kann dann in die weitere Unternehmenskultur integriert und förderhin betriebs- und ganz wichtig; vor allem auch länderübergreifend eingesetzt und vor allem auch in der Kommunikation zwischen Hauptsitz neuem Standort im neuen Ziel-Land genutzt werden: Die beste Basis für ein Gelingen des Abenteuers „Ausland“ – und der Herausforderung „Diversity“,
 

Diversity, Aber das ist jetzt ein ganz neues Thema, oder?

Nicht ganz. Diversity hat mit dem Thema ausländische oder als „ausländisch“ empfundende Mitarbeiter durchaus zu tun. Immerhin könnten ja auch Mitarbeiter und Kollegen aus den neuen Ziel-Ländern Ihrer Firma auch bei Ihnen in der Schweiz auftauchen… Und dann gibt es noch den Wunsch nach Auslandserfahrungen bei neuem Personal und beim Recruiting und und und…

 

„Ausland“ – oder „Inland“ ist eben überall. Es kommt auf die Perspektive an.

Und auf die Art, wie man Dinge beim Namen nennt.

 

 Der Titel ist bewusst als Frage formuliert. Denn natürlich wird in den Auseinandersetzungen und Verhandlungen, die Umbruchsituationen wie eine Standortverlagerung begleiten, verbal oft mit „harten Bandagen“ gekämpft, zählen die „hard facts“ – meistens verhandelt vom „harten Kern“ einer Firma. Wenn Sie jedoch Unternehmen hinsichtlich Ihrer Kommunikationspolitik genau unter die Lupe nehmen, dann sind Abteilungen der Unternehmenskommunikation oder „Public Relations“ oft ganz unterschiedlich „verortet“. Mal „hängen“ sie im Organigramm an der Geschäftsführung, mal am Vertrieb, mal beim Marketing, mal ganz woanders. 

Warum?

Es zeigt eine gewisse Unschlüssigkeit darüber, die Wirtschaftlichkeit von Kommunikations-Leistungen zu beziffern und den Soft-Skill „Kommunikationsfähigkeit“ nüchtern zu bewerten. Sein Erfolg ist zuweilen schwerer mit „harten Zahlen“ belegbar als der einer Vertriebseinheit. Deswegen ordnet man ihn jeweils firmenspezifisch immer einer anderen wertschöpfenden Abteilung zu. Dabei sehen erfahrene Consultants in gelungener Kommunikation – nach innen wie nach aussen  – ein wichtiges Asset – und den entscheidenden Hebelpunkt für Erfolg- oder Misserfolg modernen Change-Managements.

Stichwort PR, Public Relation. Wenn es heisst, Standortverlagerungen zu „verargumentieren“, heisst das nicht auch, in geübter Weise Umstände „schönzureden“

Zur PR gehört auch die „ nüchterne“ und sehr solide, sachliche Pressearbeit, deren Tätigkeit nicht unter dem Titel Public Relations mit Marketing-Massnahmen vermischt werden sollte. Change-Management hat derart einschneidende Auswirkungen auf alle Beteiligten, dass es respektlos und kurzsichtig wäre, nicht in angemessener zugewandter, aber auch klarer und eindeutiger Form, die Fakten zu benennen. Nur dann kann man gemeinsam die nötigen Pläne A, B oder C erarbeiten und eine hohe Compliance erreichen.
 

Also ist es gut, Dinge positiv zu konnotieren?

Auf jeden Fall. Es muss ja gar nicht die Notwendigkeit bestehen, Dinge „schönzureden“, denn als strategische Entscheidung nach einer intensiven Sourcing- und Wertschöpfungsanlyse kann Outsourcing  u.a. in der Form einer Standortverlagerung im Einzelfall ja echte Chancen mit sich bringen. Gerade deswegen sollte man sich nicht scheuen, alle Seiten gründlich zu beleuchten und klar zu kommunizieren.