In ihrem Bericht „Our Common Future“ aus dem Jahr 1987 beschreibt die von den Vereinten Nationen einberufene World Commission on Environment and Development (WCED) den Begriff der Nachhaltigkeit wie folgt: Nachhaltige Entwicklung begegne den Anforderungen der Gegenwart, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu unterwandern, ihre Bedürfnisse zu decken.

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Foto von Tim Gouw

Diese Definition lässt sich auch auf das Human Resource Management übertragen: Nachhaltige Personalarbeit bezieht sich nicht nur auf den aktuellen Konjunkturzyklus, sondern denkt für künftige Mitarbeitergenerationen mit. Es stellt die notwendigen Weichen dafür, dass der Personalbedarf des Unternehmens auch in Zukunft gedeckt ist – und berücksichtigt dabei wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen.

Welchen Herausforderungen sich das Personalmanagement zukünftig stellen muss und wie es ihnen begegnen kann, untersuchten EAPM und Boston Consulting Group in der Studie „Creating People Advantage – How to Tackle the Major HR Challenges During the Crisis and Beyond“. An der quantitativen Befragung zum Thema „Herausforderungen in der Personalarbeit“ nahmen im Jahr 2008 mehr als 3.300 Manager aus Europa teil. Hinzu kamen rund 100 vertiefende Interviews mit Seniormanagern in sogenannten Fokusländern, darunter Österreich und Deutschland.

Vier Trends prägen die Personalarbeit

Der Studie zufolge zeichnen sich vier „Megatrends“ ab, die das Personalmanagement langfristig prägen werden:

  • Fach- und Führungskräftemangel: Personalressourcen werden zunehmend begehrt sein – vor allem in jenen Unternehmen, in denen Mitarbeiter schon jetzt der wichtigste Produktivfaktor sind.
  • Alternde Belegschaften: Die Baby- Boomer-Generation befindet sich auf dem Weg in den Ruhestand und immer weniger Nachwuchskräfte rücken nach.
  • Internationalisierung: Zwar mag die Rezession die Expansionstendenzen von Unternehmen kurzfristig dämpfen. Doch auf lange Sicht setzt sich die Internationalisierung fort.
  • Commitment und Work-Life-Balance: Der Ausgleich zwischen Beruf und Privatleben hat angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage für viele Unternehmen keine Toppriorität. Doch die Mehrheit der Befragten betrachtet das Mitarbeiter- Commitment als zentrale Herausforderung künftiger HR-Arbeit – und Work-Life- Balance ist eine Voraussetzung dafür.

Sieben Handlungsfelder für das Personalmanagement

Neben den großen Trends des Human Resource Managements beschreibt die Studie die wichtigsten Tätigkeitsfelder einer zukunftsgerichteten Personalarbeit. In einer Onlinebefragung wählten die befragten Personalverantwortlichen aus 21 HR-Themen sieben Handlungsfelder aus, denen sie eine besonders große Bedeutung beimessen. Das Ergebnis:

  1. Talent-Management: Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels hat das Identifizieren und Entwickeln von Talenten für Personalverantwortliche in nahezu allen Ländern Toppriorität.
  2. Führungskräfteentwicklung: Auch die Bedeutung von Leadership-Development ist aus Sicht der Personalisten hoch. Der Hintergrund: Mit Führungskräfteentwicklung können sie die Leader von morgen aufbauen – und ihre Leitungsebene in der Krise unterstützen. Die meisten Führungskräfte haben eine Rezession wie die jetzige noch nicht erlebt und benötigen Hilfestellungen für das Krisenmanagement.
  3. Strategische Personalplanung: Eine langfristige Personalplanung ist in wirtschaftlichen Umbruchzeiten zwar schwierig. Aber immer mehr Personalverantwortliche erkennen, dass gezielte Planung eine unabdingbare Voraussetzung erfolgreicher Personalarbeit ist.
  4. Mitarbeiter-Commitment: In einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2007 spielte das Thema Commitment noch keine Rolle. Doch aktuell wird Personalverantwortlichen zunehmend bewusst, dass sie engagierte Mitarbeiter benötigen, um die Rezession zu bewältigen und sich auf Zeiten vorzubereiten, in denen die Wirtschaft wieder anzieht.
  5. Performance managen: Der Erfolg von Unternehmen hängt von der Leistung der Mitarbeiter ab. Daher arbeiten viele Unternehmen an Instrumenten und Methoden, mit denen sie die Performance ihrer Beschäftigten messen und verbessern können.
  6. Management von Veränderungen und Kulturtransformationen: Die Wirtschaftswelt ist durch zunehmenden Wandel geprägt. Diesen gezielt zu begleiten, ist aus Sicht der Befragten ein weiteres zentrales Handlungsfeld der Personalarbeit.
  7. Eine lernende Organisation gestalten: Da Arbeitgeber in der Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft von den Kenntnissen und Fertigkeiten ihrer Beschäftigten leben, ist es zunehmend wichtig, dieses implizite und explizite Wissen in den Organisationen zu halten.

Nicht in allen Handlungsfeldern einer zukunftsgerichteten Personalarbeit fühlen sich Personalverantwortliche gleichermaßen zu Hause. So schätzten sie ihre Fähigkeiten in den Bereichen „strategische Personalplanung“, „Mitarbeiter-Commitment“ und „Veränderungsmanagement“ eher niedrig ein.

Beispiel Personalplanung: Nur 15 Prozent der befragten europäischen Unternehmen planen ihren Personalbedarf für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren. Fast jede zweite Organisation (47 Prozent) beschränkt sich auf einen Horizont von einem Jahr. In mehr als der Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) ist die strategische Unternehmensplanung langfristiger ausgerichtet als die Personalplanung. Das bedeutet: Diese Organisationen können nicht vorhersagen, ob sie genügend Mitarbeiter und Kompetenzen haben, um ihre Strategien umzusetzen.

Darüber hinaus vernachlässigen viele Arbeitgeber ein wichtiges Instrument der HR-Planung – nämlich die Untersuchung der Jobkategorien. Die Personalarbeit unterscheidet drei Typen von Jobkategorien:

  • Jobfunktionen umfassen vergleichbare Tätigkeiten, die ein Training von drei Monaten voraussetzen.
  • Jobfamilien sind vergleichbare Tätigkeiten, die ein Training von 18 Monaten voraussetzen.
  • Jobgruppen beinhalten vergleichbare Tätigkeiten, die ein Training von 36 Monaten voraussetzen.

Diese Unterteilung ist maßgeblich für die Recruiting- und Trainingsaktivitäten einer Organisation. In der Praxis werden sie jedoch oft nicht gelebt. Zwar haben zwei Drittel der Studienteilnehmer angegeben, diese Differenzierungen vorzunehmen, aber nur ein Drittel arbeitet gezielt daran, den Bedarf zu decken, der sich daraus ergibt.

Hier gibt es Nachholbedarf: Eine langfristig angelegte Personalplanung, die sich von der Unternehmensstrategie herleitet, stellt wichtige Weichen für eine nachhaltige Personalarbeit. Diese langfristige Perspektive ist in allen Bereichen des Human Resource Managements entscheidend – ob in Recruiting, Weiterbildung und Personalbindung oder bei Themen wie Gesundheitsmanagement und Work-Life-Balance. Denn sie bilden zentrale Hebel für den Erfolg des Unternehmens.

Quelle: personal manager 5/2009