Der MBTI gehört zu den bekanntesten und am häufigsten eingesetzten Verfahren der Potenzialanalyse. Er basiert auf der Typenlehre des Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung, die 1921 veröffentlicht wurde. Jung ging davon aus, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen über seine Präferenzen beschreiben lässt, und teilte die Menschen – ja nach Vorlieben und Neigungen – in Typen ein. Katharine Briggs und ihre Tochter Isabel Briggs Myers griffen Jungs Theorie auf und entwickelten sie weiter zum MBTI, der 16 Persönlichkeitstypen umfasst.

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Foto von Alex Knight

Seit mehr als 50 Jahren ist das Verfahren nun schon im Einsatz. Der MBTI liegt in einer amerikanischen und einer europäischen Version vor und ist derzeit in Deutsch, Englisch, Niederländisch, Französisch, Schwedisch, Dänisch, Spanisch, Italienisch und Norwegisch verfügbar. In Europa ist er vor allem in Großbritannien verbreitet, wie eine Erhebung der britischen Beratungsgesellschaft OPP zeigt, welche die Rechte am MBTI für Europa hält. Sie präsentierte im September eine Stichprobe von 53.000 Anwendern des MBTI. Darunter waren 24.259 Anwender aus Großbritannien, 4.059 Deutsche, 2.430 Schweizer und 242 Österreicher.

Das Verfahren

Der MBTI beschreibt Präferenzen, die eine Persönlichkeit ausmachen. Er zeigt, wie Menschen bevorzugt kommunizieren, zusammenarbeiten und Informationen verarbeiten. Diese individuellen Vorlieben misst das Verfahren anhand von vier Präferenzpaaren, sogenannten Dichotomien, die acht Funktionen umfassen:

Extraversion (E) und Introversion (I)

Menschen mit einer Präferenz für Extraversion finden leicht Kontakt und legen Wert auf Beziehungen. Sie konzentrieren sich auf die Außenwelt, fällen Entscheidungen rasch und überlegen oft später. Introvertierte Menschen wirken dagegen eher zurückhaltend und reserviert, behalten ihre Gefühle für sich und konzentrieren sich auf ihre Innenwelt. Bevor sie Entscheidungen fällen, überlegen sie gründlich.

Sensitives Empfinden (S) und Intuition (N)

Wer eine Präferenz für „Empfinden“ besitzt, achtet auf Details, betrachtet Situationen realistisch und konkret, lebt in der Gegenwart und sucht pragmatische Lösungen. Menschen mit einer Präferenz für „Intuition“ achten eher auf die großen Zusammenhänge, schätzen Kreativität und Inspiration, betrachten Möglichkeiten und machen sich Gedanken über die Zukunft.

Denken (T) und Fühlen (F)

Menschen mit einer Präferenz für „Denken“ entscheiden mit dem Kopf, sie handeln vernünftig und logisch nachvollziehbar, legen Wert auf Gleichbehandlung aller, erkennen rasch, was nicht stimmt, und finden schnell Fehler. Wer eine Präferenz für „Fühlen“ besitzt, bewertet hingegen Situationen auf der Grundlage von Überzeugungen, schätzt harmonische Beziehungen, strebt nach Fairness und individueller Behandlung, zeigt sich gefühlvoll und nimmt Anteil an seiner Umgebung.

Urteilen (J) und Wahrnehmen (P)

Personen mit einer Präferenz für „Urteilen“ schätzen eindeutige Entscheidungen, bevorzugen geregelte Abläufe und planen im Voraus. Sie stehen ungern unter Zeitdruck und möchten das Leben im Griff haben. Wer eher zum „Wahrnehmen“ neigt, hält sich gerne Alternativen offen, lebt gerne spontan und flexibel, schöpft Energie aus Zeitdruck und erlebt Stress positiv. Aus diesen vier Präferenzpaaren ergibt sich ein Code aus vier Buchstaben, der Auskunft über die Präferenzen des Probanden gibt und ihn einem bestimmten Typ zuordnet.

Typendynamik

In einem zweiten Auswertungsschritt lässt sich mithilfe des MBTI eine Rangfolge der Präferenzen definieren. So können Anwender, die zu S (Sensitives Empfinden) und T (Denken) neigen, feststellen, welche dieser Funktionen die dominantere ist. Diese vertiefende Analyse erlaubt das Verfahren für die Funktionen S, N, T und F. Dabei greift der MBTI auf die sogenannte Typendynamik zurück. Danach hat jeder Mensch eine dominante Funktion, eine Hilfsfunktion, eine Coaching-Funktion und eine inferiore Funktion. Die dominante Funktion steuert unsere Persönlichkeit am stärksten. Wir nutzen sie besonders gerne und häufig, sie ist der Quell unserer Motivation. Ist unsere dominante Funktion N, lassen wir uns vor allem über kreative Freiräume motivieren und sehen gerne das „große Ganze“. Doch wir können uns nicht allein auf diese Funktion verlassen. Wir benötigen eine Hilfsfunktion, die unsere dominante Funktion unterstützt, zum Beispiel S. Während wir kreativ arbeiten, sorgt diese Funktion dafür, dass wir die Details nicht aus dem Blick verlieren.

Die tertiäre Funktion ist noch entwicklungsbedürftig, stellt aber ein Potenzial dar, das Menschen im Lauf ihres Lebens erkennen und ausbauen können. Die inferiore Funktion ist kaum erkennbar. Sie entspricht häufig dem, was Menschen an sich ungern wahrnehmen, weil es ihrem Ideal-Ich widerspricht. Sie kommt häufig bei starkem Stress negativ zum Vorschein. Die aktive Auseinandersetzung mit der inferioren Funktion kann für die Persönlichkeitsentwicklung fruchtbar sein.

Anwendung

Der MBTI sagt nichts über die Fähigkeiten oder Kompetenzen eines Menschen aus, sondern stellt Präferenzen dar, ohne sie zu bewerten. Daher ist er als Auswahlinstrument nicht geeignet. Er wird primär in der Personalentwicklung eingesetzt, zum Beispiel in Führungskräfte- oder Kommunikationstrainings, aber auch in Teambuilding- und -coachingprozessen.

Versionen

Anwender können zwischen dem Step I und dem Step II wählen. Der Step I enthält 88 Items, der Step II umfasst 77 zusätzliche Fragen und geht noch ausführlicher darauf ein, wie sich Präferenzen im Verhalten eines Menschen niederschlagen. Die Versionen lassen sich in 30 Minuten (Step I) und 60 Minuten (Step II) bearbeiten. Beide sind in einer Papier-und-Bleistift-Version, aber auch online verfügbar. Anwender, die das Online-Verfahren wählen, erhalten den Fragebogen per Mail.

Beratungsgespräch

Im persönlichen Auswertungsgespräch bittet der Berater den Anwender zunächst, sich selbst einzuschätzen. Diese Selbsteinschätzung vergleicht er anschließend mit dem Testergebnis. Mehr als 70 Prozent aller Teilnehmer finden sich laut Anbieter in den Ergebnissen des Verfahrens voll wieder.

Reliabilität

Die Wahrscheinlichkeit, beim erneuten Ausfüllen des Verfahrens wieder demselben Buchstaben-Code zugeordnet zu werden (Test-Retest-Variabilität) liegt dem Anbieter zufolge bei 82 bis 87 Prozent. Die innere Konsistenz des Instruments beträgt im deutsprachigen Raum r = 0,75 bis 0,78.

Service

Der MBTI wird immer in Verbindung mit einem Beratungsgespräch, einem Training oder Workshop angeboten, die Preise und Konditionen variieren je nach Berater. Die Firma A-M-T ist Lizenznehmer für den MBTI im deutschsprachigen Raum und bietet Lizensierungsseminare für Personalisten und Trainer an, die den MBTI professionell einsetzen möchten.

Webtipps

www.a-m-t.de

(A-M-T Management Performance AG)

www.opp.co.uk

(OPP Ltd.)

Quelle: personal manager 6/2006