Mr. Briscoe, die Zahl der internationalen Fusionen und Übernahmen steigt. Was kann HR zum Erfolg der Transaktionen beitragen?
HR muss sehr früh in den Prozess integriert werden – und zwar gleich am Anfang der Diskussionen. Viele Aspekte einer Fusion oder Übernahme fallen in den Verantwortungsbereich der Personalmanager. Sie sollten daher schon während der Due Diligence mit am Tisch sitzen, um zu schauen, wie gut die beteiligten Unternehmen im Hinblick auf ihre Human Resources zusammenpassen. Fusionierende Unternehmen gehen viele HR-Angelegenheiten ganz unterschiedlich an, zum Bespiel bezogen auf Vergütungssysteme und Sonderleistungen, Trainingsprogramme und Nachfolgeplanungen. Wenn Unternehmen über diese Themen erst nachdenken, wenn die Übernahme schon perfekt ist, kann das zu hohen Kosten führen, die höchstwahrscheinlich Personalabbau nach sich ziehen. Was sich Manager bewusst machen müssen ist: Personalfragen sind die kritischen Themen jeder Fusion – viel kritischer als zum Beispiel finanzielle Fragen oder Aspekte wie Produktanpassungen.
Wie sieht denn die Realität aus? Wann wird HR in eine Transaktion einbezogen?
In der Realität sind die HR-Manager oft die letzten, die einbezogen werden. Sie werden oft nicht als Mitglied des Top-Teams respektiert, was zum Teil an ihrer eigenen schlechten Vorbereitung liegen mag, aber auch daran, dass viele Manager HR grundsätzlich nicht ernst nehmen – ein großer Fehler aus meiner Sicht.
Was sind die größten personalbezogenen Herausforderungen einer Fusion oder Übernahme?
Ein zentrales Problem betrifft die Fusion der Unternehmenskulturen, die sich zum Beispiel an der Art und Weise zeigt, wie Unternehmen Geschäfte machen und ihre Mitarbeiter behandeln. Ohne im Detail auf dieses Beispiel eingehen zu wollen: Daimler Benz und Chrysler haben gezeigt, wie problematisch unterschiedliche Unternehmenskulturen in einer Fusion sein können.
Nicht nur die Kulturen, sondern auch die HR-Organisationen müssen in einer Fusion zusammenwachsen. Wie gehen HRManager eine solche Aufgabe am besten an?
Es gibt drei Optionen: Das akquirierende Unternehmen kann der anderen Organisation seine Strukturen aufzwingen. Alternativ dazu können beide Firmen ihre Systeme zu einer hybriden HR-Struktur verbinden – oder etwas völlig Neues schaffen. In den meisten Fällen wird die dominante Organisation ihre HRPraktiken und -Prozesse allerdings auf die neue Organisation übertragen. Es wäre zwar manchmal besser, eine Mischform zu finden oder etwas gänzlich Neues zu entwickeln,aber in großen Unternehmen ist das nicht so einfach. Außerdem ist es nicht unbedingt schlecht, ein System auf das andere zu übertragen, wenn der Wandel gut ausgeführt wird. Und das heißt: konstante Kommunikation. Die Mitarbeiter der Personalabteilung müssen in die Pläne einbezogen werden und sie müssen wissen, wie die neue HR-Organisation aussehen soll. Auch wenn es Personalabbau geben sollte, müssen die HR-Mitarbeiter von Anfang an involviert werden. Andernfalls wird das Unternehmen Schlüsselkräfte in der Personalorganisation und im gesamten Unternehmen verlieren.
Sie sagen, dass HR-Manager heutzutage lernen müssen, mit Chaos umzugehen. Ist das Geschäftsleben heute chaotischer als in der Vergangenheit?
Ja, die Geschäftswelt verändert sich laufend, so dass Regeln, die wir einmal gelernt haben, uns vermutlich nicht mehr helfen. Es gibt einige wohlbekannte Treiber für diese Entwicklung – angefangen von der Globalisierung und dem Einfluss der Technologie bis hin zum demografischen Wandel. Diese Kräfte treiben Veränderungen voran – und HR muss lernen, wie es damit umgeht.
Wie verändert sich die HR-Arbeit konkret?
Da sich die einzelnen Jobs sehr schnell ändern, muss das HR-Management zum Beispiel laufend Stellenbeschreibungen anpassen sowie Trainings- oder Vergütungssysteme auf die neuen Bedingungen abstimmen. Der technische Fortschritt verändert die Art und Weise, wie Menschen interagieren, kommunizieren, arbeiten und lernen. Mit anderen Worten: Die eben genannten Treiber beeinflussen so ziemlich die gesamte HR-Arbeit. Und die meisten dieser Veränderungen sind global, wie zum Beispiel der demografische Wandel, der zunehmende Mangel an Talenten sowie der wachsende internationale Wettbewerb, der Fusionen und Übernahmen fördert.
Gleichen sich die HR-Instrumente und –Praktiken angesichts der Globalisierung des Personalmanagements an?
Chris Brewster, ein englischer Autor, hat einiges zu diesem Thema veröffentlicht. Er ist der Frage nachgegangen, ob sich das Human Resource Management in Europa und Nordamerika angleicht. In einigen Fällen fand er Belege für eine Angleichung, in anderen nicht. Es gibt zum Beispiel wenig Übereinstimmung in den Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, aber einige bezogen auf Vergütungssysteme und Benefits. Angleichungstendenzen sind da. Zum Beispiel beschweren sich Mitarbeiter amerikanischer Firmen häufig über die langen Urlaubszeiten ihrer Kollegen in Europa. Ich denke, dass sich Amerika in diesem Punkt irgendwann an das europäische Modell annähern wird, um seine Arbeitnehmer zufrieden zu stellen. Denn wenn europäische Firmen die besseren Benefits bieten, müssen amerikanische Arbeitgeber fürchten, dass ihre besten Leute gehen.
Ein Schlüsselbegriff, den wir in diesem Zusammenhang immer wieder hören, ist der des Talent Managements. Leider ist er sehr vage …
Das sehe ich genauso. Niemand scheint diesen Begriff genau zu definieren. Einige beziehen ihn auf ihre gesamte Belegschaft, andere nur auf Top-Leute – im Hinblick auf Performance oder Position. Fakt ist jedenfalls, dass wir zu wenig Menschen mit jenen erfolgskritischen Fähigkeiten haben, die mittlerweile in fast jedem Job benötigt werden, wie zum Beispiel Computerkenntnissen. Wir haben einen sehr breiten Mangel an Talenten – und das bedeutet, dass Länder besser ausbilden müssen und dass Recruiting schwieriger wird, weil die Fähigkeiten, die wir wirklich brauchen, rar werden. HR muss dieses Thema angehen, denn Personalmanager können es sich nicht leisten, Positionen lange Zeit unbesetzt zu halten.
Glauben Sie, dass HR auf die von Ihnen skizzierten internationalen Herausforderungen gut vorbereitet ist?
Ich würde sagen, dass HR-Manager nicht gut darauf vorbereit sind – und das liegt in der Natur des Personalmanagements. HR ist ein lokales Problem, denn Personalverantwortliche müssen sich vor allem mit den lokalen Gesetzen und Regelungen sowie dem lokalen Arbeitskräftemarkt beschäftigen. Andererseits muss HR zunehmend global arbeiten, also die Gesetze und Regelungen verschiedener Länder kennen, herausfinden, ob verschiedene nationale Bildungssysteme vergleichbar sind und wie man vor Ort rekrutiert.
Ich muss Ihnen eine Geschichte erzählen, die ganz gut dazu passt. Vor ein paar Jahren war ich im BMW-Headquarter in München undbekam ein Briefing zu einigen Personalthemen. Die Verantwortlichen berichteten, dass sie einen Mangel an Ingenieuren und IT-Mitarbeitern hatten und diese Kräfte international rekrutieren wollten – unter anderem in den USA. Nach dem Meeting stand ich an einer Bahnhaltestelle und sah die Anzeige einer amerikanischen Firma, die deutsche Ingenieure anwarb – und ich dachte, „O.k., das ist genau, was internationales Recruiting heißt: Alle sind hinter derselben Gruppe von Menschen her“. Das ist einer der Gründe, warum die Welt für HR sehr komplex geworden ist.
Interview: Bettina Geuenich
Literaturtipps:
International Human Resource Management: Policy and Practice for Multinational Enterprises.
Von Dennis Briscoe, 3. Aufl., Routledge 2008 (erscheint voraussichtlich im Dezember).
International Human Resource Management: A European Perspective.
Hrsg. von Michael Dickmann, Chris Brewster und Paul Sparrow, 2. Aufl., Routledge 2008.
Quelle: personal manager 05/2008