Qualität: Durchwachsen, aber stetige Verbesserung
Die Qualität der verschiedenen OER-Sammlungen ist naturgemäß recht unterschiedlich. Wie die Fachplattform e-teaching.org berichtet, pflegen solche Provider aus dem Bildungsbereich ihre Ressourcen in der Regel besser, welche sich damit Reputation, viele Bildungsinteressenten und Publicity erwarten. Daneben gäbe es aber auch Anbieter, die nur punktuell aktiv werden oder eher lückenhaft arbeiten.
Laut e-teaching.org ist außerdem zu beachten, dass viele OER-Projekte im Hochschulfeld als Bottum-Up-Initiativen starten. Das bedeutet, dass nicht jedes Projekt auch die Zustimmung der Hochschulleitung findet. Das ist insofern nicht ganz unerheblich, da mit einem Zuspruch oft auch die Einbindung in ein professionelles Lernmanagementsystem, beziehungsweise eine solide Rahmenordnung gewährleistet ist. OER – so e-teaching.org – sei leider kein Selbstläufer.
Die Reihe der sorgfältig aufbereiteten Portale, Datenbanken und Websites zeigt jedoch, dass OER von vielen Interessensgemeinschaften, Bildungsbeauftragten und Anwendern als wichtig eingestuft werden und entsprechende Pflege erfahren. Ein Vorzeigebeispiel dafür ist die Open Knowledge Foundation Deutschland. Der gemeinnützige Verein setzt sich für offenes Wissen, offene Daten, Transparenz und Beteiligung ein. So hat er unter anderem 325.000 Kulturdaten unter dem Label „Coding da Vinci“ für alle zugänglich und nutzbar gemacht. Das berühmteste OER-Exempel ist inzwischen fast jedem Bürger bekannt, der Internet besitzt: Die Wissensplattform Wikipedia wird von Menschen für Menschen geschrieben und genießt inzwischen mehr Aufmerksamkeit als der Duden.
Ausblick: Digitalisierung könnte OER beflügeln
Auch wenn OER in der Weiterbildung noch einige Hürden nehmen müssen, so spricht der Zeitgeist doch für sie. Digitale Lernangebote setzen sich immer weiter durch, nicht zuletzt durch ihre Verfügbarkeit. Der MMB-Trendmonitor zeigt, dass rund 60 Prozent der Unternehmen E-Learning einsetzen. Weitere 20 Prozent hätten dies zumindest geplant.
Auch die Autoren des OER-Whitepapers sehen bessere Zeiten für freie und digitale Selbstlernmaterialien kommen. Sie schreiben in ihrem Trendausblick: „Die Entwicklung der Perspektiven für OER ist mit der Digitalisierung der Medien verknüpft. Digitale Medien erleichtern die Verteilung und Bearbeitung von Materialien. In der Weiterbildung schreitet die Digitalisierung voran. Das hängt nicht nur mit dem Einsatz von E-Learning zusammen, sondern auch damit, wie Arbeits- und Lernmaterialien in den Präsenzveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Immer häufiger verzichten Trainer und Dozenten auf gedruckte Unterlagen und bieten stattdessen ihre Materialien in digitaler Form an.“
Diese positive Prognose darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Zukunft der OER an ihrer Qualitätssicherung entscheidet. Da viele Selbstlernmaterialien im Prinzip des Teilens und Tauschens sowie Fortschreibens entstehen, fällt es schwer, ihre Güte zu besiegeln. Zu viele Herausforderungen stehen dem entgegen: Zweck, Anwendungsgebiete, Erfahrungen der Hersteller sowie Nutzer und Weiteres falten ein komplexes Feld auf. Das Projekt „Mapping OER“ der Wikimedia Deutschland e.V. versucht Basics zu vermitteln und stellt erste Qualifizierungsmodelle vor. Wer sich für OER interessiert, der erhält hier wertvolle Hinweise für seine eigene OER-Arbeit. Dabei sollte er jedoch stets beachten: OER ist – trotz vorbildlicher Projekte – work in progress. Und das wird noch eine ganze Weile so bleiben.
OER kommt erst langsam in den Unternehmen an
Laut einem OER-Whitepaper – unter anderem herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung, der Open Knowledge Foundation Deutschland und der Technologiestiftung Berlin – haben Unternehmen in Deutschland sowie viele kommerzielle Anbieter der innerbetrieblichen Weiterbildung das Thema noch nicht auf ihrem Radar. Faktisch spiele es so gut wie keine Rolle. Die Autoren sehen den Grund dafür unter anderem darin, dass Materialien oft noch geschützt bleiben; zumal Geschäftsgeheimnisse und Urheberrechte gewahrt bleiben sollen. Detail-Studien dazu gibt es allerdings kaum. Das Thema OER ist jung und wurde bislang wenig erforscht. Dies zeigt nicht zuletzt das Design des MMB-Trendmonitors II/2014 des Institutes für Medien- und Kompetenzforschung. Er erhob erstmals die Meinung der Teilnehmer zu OER. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen gaben an, dass es ihnen schwer falle, passende Open-Content-Angebote zu finden. Immerhin berichteten sie aber auch, dass OER von den Beschäftigten zum selbstorganisierten Lernen im Internet genutzt würden. Laut Report zeige sich jedoch, dass KMUs sowie Großunternehmen immer noch vorrangig auf kostenpflichtige Inhalte setzen. OER werde in der betrieblichen Weiterbildung als Ergänzung zum vorhandenen Lernangebot gesehen. Formelle Abschlüsse und qualitätsgeprüfte Zertifikate haben einen ungebrochen hohen Stellenwert.
Auch erste – zum Teil informelle – Erhebungen in der Anbieterschaft zeigen, dass diese mit dem Thema kritisch umgehen. Immerhin müssen sie befürchten, dass ihnen Umsätze wegbrechen. Der MMB-Trendmonitor zeigt, dass mehr als die Hälfte der befragten Experten Gefahren auf die E-Learning-Wirtschaft zukommen sieht. Allerdings räumen 70 Prozent der Befragten ein, dass OER für öffentliche und private Bildungseinrichtungen eine große Chance darstellen.
Die Autoren des OER-Whitepapers sehen für OER in der beruflichen Weiterbildung am ehesten Ansätze, die sich aus strategischen MOOC-Partnerschaften zwischen Unternehmen und zwischen Hochschulen und Unternehmen ergeben könnten. Eine weitere konkrete Perspektive für die Integration von OER in die innerbetriebliche Weiterbildung eröffneten kurze Lerneinheiten – so genannte „Small OER“, die sich in komplexere Konzepte einbinden lassen.
OER: Vorrangig im englischsprachigen
Ausland, Deutschland holt auf
Die großen Provider von OERs kommen zumeist aus dem englischsprachigen Raum; allen voran große Universitäten aus Großbritannien oder aus den USA; wie zum Beispiel die Pennsylvania State University, die Montana State University oder die Harvard University. Das zeigt die Übersichtsseite oercommons.org. Aber auch Forschungsgemeinschaften, große Bibliotheken sowie die BBC sind in der Auflistung vertreten. Kommerzielle Anbieter wie beispielsweise Youtube tauchen kaum auf.
OER im deutschsprachigen Raum lagen jahrelang hinter dem internationalen Feld, haben inzwischen aber aufgeholt. Dies zu zeigen, bemühte sich zumindest jüngst das OER-Festival 2016, welches in Berlin stattfand. Die Initiatoren geben den OER-Atlas 2016 für Deutschland, Österreich und die Schweiz heraus; und zwar unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission e.V.. Mehr als 150 Einträge konnten für den Atlas gesammelt werden. 139 Einträge davon stammen aus Deutschland, 14 aus Österreich und drei aus der Schweiz. Unter den deutschen Adressen liegen die Baden-Württemberger, Bayern, Berliner und Nordrhein-Westfalen vorne. Die wenigsten Adressen sind in Brandenburg, Bremen, im Saarland und in Sachsen-Anhalt gelistet.
Die Provider bieten mehrheitlich OER für Berufsausbildung, Hochschule, Weiter- und Erwachsenenbildung und Non-Profit sowie Informale Bildung an. Die Angebote reichen von Lehrbuchplattformen, Referatorien, Wikis bis zu Massive Open Online Courses und ähnlichen Angeboten. Die gebotenen Themen decken nahezu alle Wissensgebiete ab; ob Wirtschaft, Informatik, Ingenieurswesen oder Erziehungswissenschaften und Dienstleistungen – für alle Bildungslevel ist etwas dabei.
Im Gegensatz zum englischsprachigen Raum sind Hochschulen unter den deutschsprachigen Provider nicht mehrheitlich vertreten. Es finden sich auch viele freie Marktanbieter, wie zum Beispiel die edeos – digital education (edeos), die Siemens Stiftung, die Technologiestiftung Berlin, Werde Digital, Cogneon Wiki oder edutags.
Der Begriff der „Open Educational Resources“ (OER) lehnt sich an die Open Source-Bewegung im Computerbereich an. Er wurde von David Wiley geprägt; einem Professor der Lehrpsychologie und -technologie. Dieser befasste sich mit der freien Verfügbarkeit wissenschaftlicher Lehr- und Lernmaterialien sowie Informationen. Er definierte fünf Merkmale von OER:
>> Verwahren/Vervielfältigen,
>> Verwenden,
>> Verarbeiten,
>> Vermischen,
>> Verbreiten.
Diese Merkmale haben sich heute zum großen Teil durchgesetzt. Sie gewährleisten, dass jeder User kostenlos und in der Zusammenarbeit mit anderen Anwendern OER im Prinzip des Teilens und Tauschens nutzen und gestalten kann.
Dafür mussten in der Vergangenheit viele Diskussionen über Urheberrechte und Lizenzen geführt werden. Den Anstoß zu dieser Entwicklung gaben große Organisationen: Als das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in 2001 eine Initiative gründete, um freien Zugriff auf ihre Materialien zu gewähren, bekam OER ein prominentes Forum. Die UNESCO griff das Schlagwort 2002 auf und verschaffte ihm damit endgültig breite Beachtung. Sie erkannte in den Materialien eine Chance, sogenannten Entwicklungsländern freien Zugang zu Wissensressourcen zu gewähren.
Obwohl OER inzwischen ein Eigenbegriff ist, gibt es keine einheitliche Definition. Berücksichtigt man Definitionen der OECD und der Informationswissenschaft im weitesten Sinne, so umfassen OER Ressourcen, die …
… informellen oder formellen Charakter haben,
… kostenlos oder kostengünstig sind,
… mit und ohne Lizenzen verfügbar sind.
… im Hochschulbereich eingesetzt werden oder noch nicht erprobt wurden.
… aus Lern- oder Kursmaterialien, Datenbanken, Infosammlungen oder
Learning Objects (z.B. Grafiken, Textbausteine) bestehen.