grayscale photography of corporate room
Foto von Drew Beamer

Wer High Potentials fördert, unterstützt nicht nur deren Entwicklung, sondern steigert auch ihre Verweildauer im Unternehmen. Studien zeigen, dass Talente eher in einem Unternehmen bleiben, wenn ihre Arbeitgeber sie fördern. Mitarbeiter, die wissen, dass Vorgesetzte ihre Potenziale erkennen und ihnen weitere Karrierewege aufzeigen, fühlen sich mit ihrem Unternehmen eher verbunden als „durchschnittliche“ Mitarbeiter. Talente zu fördern lohnt sich somit auch mit Blick auf die Fluktuation. Doch wen gilt es überhaupt zu fördern – und für welchen Karriereweg?

Fördern Sie Fach- und Führungskarrieren

Viele Unternehmen sehen die als Talent identifizierten Mitarbeiter für Führungskarrieren vor – oftmals ohne kritisch hinterfragt zu haben, ob sie a) überhaupt eine Führungsposition übernehmen wollen und b) dafür geeignet sind. Aus diesem Grund sei an dieser Stelle besonders darauf hingewiesen, dass sich das Talentmanagement nicht nur auf potenzielle Führungskräfte beschränken, sondern auch die Entwicklung in Richtung Fach- oder Projektkarriere unterstützen sollte. Die Förderung in diesem Bereich ist in manchen Branchen und Arbeitsbereichen sogar recht einfach, da eine weitere Qualifizierung oftmals mit Zertifizierungen oder standardisierten Abschlüssen verbunden ist. Unabhängig davon, ob Sie in Ihrem Unternehmen alternative Karriere- und Entwicklungspfade zur Führungskarriere definiert haben, sollten Sie sich bei der Einführung von Talentmanagement die Frage stellen, welche Karrieremöglichkeiten Sie Ihren Talenten anbieten können und möchten. In kleineren Unternehmen kann dies durchaus individualisiert erfolgen (indem Sie die individuellen Entwicklungsvorstellungen der jeweiligen Mitarbeiter/innen als Basis für die weitere Karriereplanung heranziehen), in größeren und großen Unternehmen ist es sinnvoll, gezielt Fachkarrieren zu definieren.

Ob für die Fach- oder die Führungskarriere: Einige Aspekte entscheiden sehr häufig über den Erfolg von Talentförderprogrammen:

Definieren Sie Lernziele

Was selbstverständlich sein sollte, vernachlässigen Arbeitgeber oft in Weiterentwicklung und Bildung: Sie versäumen es, den Soll-Zustand und damit verbundene überprüfbare Lernziele zu definieren. Dies gelingt, wenn Unternehmen standardisierte Instrumente wie Assessment- beziehungsweise Development-Center oder Potenzialanalysen nutzen, um Talente zu identifizieren. Der Einsatz solcher Instrumente ist sehr empfehlenswert, um Objektivität und Vergleichbarkeit zu fördern.

Leiten Sie Ihre Lernziele auch – so vorhanden – aus einer Kompetenzmatrix ab, mit deren Hilfe Sie die strategisch relevanten Anforderungen an eine Stelle in Form von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen darstellen. Nur wenn Sie den Zielbereich festlegen, können Sie sicherstellen, dass sich die geplante Talenteförderung am Bedarf des Unternehmens orientiert.

Mithilfe einer Kompetenzmatrix lassen sich Kompetenzlücken sehr leicht aufzeigen, da hier unternehmensweit – beziehungsweise bei sehr heterogenen Stellenbeschreibungen bezogen auf ähnliche Stellen – definiert ist, über welche strategischen Kompetenzen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in welcher Ausprägung verfügen sollen.

Bei der Entwicklung einer Kompetenzmatrix definieren Sie zunächst Metadimensionen (wie zum Beispiel fachliche, persönliche, soziale, methodische Kompetenzen) und brechen diese auf einzelne Kompetenzbereiche herunter – etwa im Bereich der persönlichen Kompetenz „Selbstvertrauen“ oder „Eigeninitiative. Danach geben Sie beispielsweise auf einer 5-stufigen Skala an, wie sehr der jeweilige Kompetenzbereich in einer bestimmten Position vonnöten ist, womit der Soll-Wert definiert ist. Bei der Mitarbeiter-Bewertung legen Sie nun fest, wie sehr eine Person den jeweiligen Kompetenzbereich erfüllt (Ist-Wert). Damit die Beurteilungen zwischen unterschiedlichen Führungskräften vergleichbar sind, ist es wichtig, dass jede Kompetenz mit konkreten Verhaltensankern unterlegt ist, die beschreiben, was beispielsweise unter dem Begriff „Selbstvertrauen“ zu verstehen ist (zum Beispiel „Ist sich eigener Stärken und Schwächen bewusst“, „Stellt in Diskussionen den eigenen Standpunkt positiv dar“).

Konzentrieren Sie sich darauf, Stärken zu entwickeln

Insbesondere dann, wenn Sie Talente mit standardisierten Verfahren identifizieren, werden Sie neben den Stärken, die einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zum Talent machen, auch Schwächen feststellen. Zumeist neigen wir dazu, an den Schwächen anzusetzen und diese ausbügeln zu wollen. Doch das erfordert oft viel mehr Anstrengungen als Stärken auszubauen – wenn es nicht sogar vergeblich ist. Gerade Persönlichkeitseigenschaften wie zum Beispiel Introversion oder unzureichende Gewissenhaftigkeit lassen sich meist nicht „umtrainieren“. Dies ist auch der Grund, warum mehrere Karrierepfade wichtig sind. Jemand, dem Führungs- und Gestaltungsmotivation fehlt, wird in einer Führungsposition nicht glücklich werden, ebenso wie sich ein kreatives Genie vermutlich in einer starren Projektorganisation nicht verwirklichen kann.

Suchen Sie die geeignete Lernform und individualisieren Sie die Förderung

Beim Thema „Förderung von Talenten“ denken wir meist an  Trainings und Seminare. Tatsächlich bestehen die meisten Talentprogramme aus mehrmoduligen Lehrgängen, die klassischerweise Führungsgrundlagen und/oder Soft-Skills vermitteln. Dies ist auch sinnvoll, wenn beispielsweise ausgewählte Soft-Skills als Basiskompetenzen definiert sind. Die Möglichkeiten, Lernen und Weiterentwicklung zu fördern, gehen allerdings weit über das Lernen in einem Seminar hinaus. Instrumente, die Ihnen hierfür zur Verfügung stehen, sind zum Beispiel:

  • Mentoringprogramme
  • Kaminabende
  • Projektarbeit
  • Jobrotation
  • Auslandsaufenthalte
  • Self-Learning (zum Beispiel über E-Learning oder klassisches Literaturstudium)
  • Standardisierte Reflexionsschleifen bei neu erworbenen Tätigkeiten
  • Internes und externes Coaching (zur Reflexion von Einstellungen und Glaubenssätzen)
  • Netzwerkbildung
  • Kollegiale Fallbesprechungen und Peercoaching (als Förderinstrumente für den Erfahrungsaustausch)

Moderne Talentprogramme verknüpfen mehrere dieser Lernformen, da sie dadurch nicht nur den Transfer in den Arbeitsalltag fördern, sondern auch das Lernen selbst unterstützen. So könnte ein entsprechendes Programm beispielsweise folgendermaßen aussehen: Im Zentrum steht ein Lehrgang, der aus fünf Modulen besteht, von denen drei Seminare Pflicht und zwei frei wählbar sind. Am Beginn des Lehrgangs steht eine Potenzialanalyse, aus deren Ergebnissen Mitarbeiter und Führungskräfte Lernziele für das Programm ableiten und die zwei Wahlseminare auswählen. Vor Besuch eines Seminars erhalten die Teilnehmer Beobachtungsaufgaben und Selbstlern-Lektionen im unternehmensinternen E-Learning-Programm als Vorbereitung auf das Präsenztraining und nach jedem Modul bekommen sie eine Umsetzungsaufgabe. Zwischengespräche mit dem Vorgesetzten dienen der Überprüfung von Lernzielen und passen die Aufgabenstellung im Unternehmen an das erworbene Wissen an. Ergänzt werden könnte dieser Ablauf noch um ein Kamingespräch mit der Geschäftsführung am Ende des Lehrgangs, begleitendes Coaching oder Mentoring. Welche Lernformen ausgewählt werden und ob die Seminare klassische Präsenztrainings, Planspiel- oder Laboratoriums-Charakter haben, hängt von den Lernzielen, Inhalten und Methoden ab.

Die Planung und Vorbereitung von qualitativ hochwertigen Talentprogrammen erfordert Zeit (auch wenn Unternehmen Konzeption und/oder Durchführung an externe Dienstleister vergeben). Durch die Kombination unterschiedlicher Formate und eine genaue Abstimmung der Inhalte erreichen Arbeitgeber aber zweierlei. Zum einen gelingt es, die Förderungen zu individualisieren und an die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer anzupassen. Zum anderen stellt ein solches Vorgehen den Lerntransfer sicher, weil es Theorie und Praxis, Lernen und Arbeiten verknüpft.

Begleiten Sie aktiv die Förderung Ihrer Talente

Programme zur Talententwicklung enden meist nach ein bis zwei Jahren. Manche Talente entwickeln sich in dieser Zeit auch karrieretechnisch weiter. Stellt sich die Frage, was mit denen passiert, die nach wie vor die gleiche Position innehaben? Eine Gefahr besteht darin, dass dann die Begleitung endet und die Förderung wenig nachhaltig ist. Dies bedeutet nicht, dass Talente während oder nach einem Programm permanent umsorgt werden müssen. Lassen Sie ihnen viel Gestaltungsfreiraum, begleiten Sie aber vor allem in kritischen Phasen die Entwicklung, wie beispielsweise bei der Übernahme von neuen Projekten oder einem planmäßigen Positionswechsel bei einer Jobrotation. In diesen Phasen besteht einerseits die Gefahr, dass Talente Leistungen erwarten, die das Unternehmen noch nicht erbringen kann. Andererseits übersehen möglicherweise die Führungskräfte, dass sie eine engere Führung brauchen. Denn Talent sein heißt nicht, alle Aufgaben sofort zu beherrschen, sondern aufgrund bisher erbrachter Leistungen das Potenzial zugeschrieben zu bekom-men, (große) Herausforderungen zukünftig zu meistern. Damit ist das Fördern von Talenten eine Investition in die Zukunft, die sich in den meisten Fällen auch rechnet.