KPIs sind wahre Helfer im modernen Recruiting geworden – sie bieten einen klaren Überblick über Rekrutierungsprozesse, helfen aber auch dabei, Prozesse kontinuierlich zu verbessern. Sie können zudem dabei helfen, langfristige Lösungen für bestehende Herausforderungen in Ihrem Unternehmen zu entwickeln.
Wie das geht und worauf Sie achten müssen, erklärt Marcel Rütten in der 98. Folge der HRM Hacks und spricht mit Host Alexander Petsch darüber, wie KPIs in Ihrem Unternehmen eingesetzt werden können, um Prozesse zu optimieren.
KPIs (key performance indicators) werden in der Betriebswirtschaftslehre allgemein als Kennzahlen bezeichnet, die sich auf den Erfolg, die Leistung oder Auslastung des Betriebs, seiner einzelnen organisatorischen Einheiten oder einer Maschine beziehen
KPIs als Schlüssel zur Prozessverbesserung
Eines der Hauptziele beim Einsatz von KPIs im Recruiting ist die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und deren Qualitätssteigerung. Indem Unternehmen relevante KPIs definieren und überwachen, können sie ihre Rekrutierungsstrategien gezielt optimieren.
Doch wie geht man bei der Analyse von KPIs vor? Zunächst sollte man sich bewusst machen, dass KPIs nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Marcel Rütten betont, dass Sie KPIs immer nur im Zusammenhang sehen und verstehen sollten, um zu verstehen, wie sie miteinander verflochten sind. Wenn beispielsweise viele Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, ist dies nur das Symptom eines tiefer liegenden Problems. Der wahre Grund könnte in der schlechten Führungskommunikation oder in fehlenden Führungstrainings liegen. Diese Ursachenforschung ist ein entscheidender Schritt, um die richtigen KPIs zu definieren und darauf basierend gezielte Maßnahmen zu ergreifen.
Ursachenforschung im Recruiting: Der Weg zu den richtigen KPIs
Ursachenforschung ist hier das Stichwort: Ursachenforschung ist ein systematischer Prozess, der helfen kann, Probleme zu identifizieren und nachhaltig zu lösen. Ein effektiver Ansatz, um eine solche Ursachenanalyse zu betreiben, ist die Visualisierung eines Entscheidungsbaums. Hierbei wird das Symptom, etwa die hohe Fluktuation von Mitarbeitern, als Ausgangspunkt genommen und schrittweise Ursachen und Unterursachen abgeklopft. So wird klar, dass die Fluktuation möglicherweise durch mangelnde Führungsqualität bedingt ist, was wiederum auf fehlende Führungskräftetrainings zurückgeführt werden kann.
Die Wurzel des Problems zu identifizieren, ermöglicht es, gezielt Lösungen zu entwickeln, die langfristig wirken. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Thema Führungskräfteentwicklung. Wenn die Ursache für hohe Mitarbeiterfluktuation in mangelnder Führungskompetenz liegt, kann das Unternehmen daraufhin gezielt ein Schulungsprogramm für Führungskräfte aufsetzen, um diese Schwäche zu beheben und langfristig eine höhere Mitarbeiterbindung zu erreichen.
DIe KPI Time-to-Hire
Ein KPI, der im Recruiting häufig verwendet wird, ist die Time-to-Hire. Diese misst, wie lange es dauert, bis eine ausgeschriebene Stelle besetzt ist. Auf den ersten Blick mag dieser KPI sinnvoll erscheinen, da er die Geschwindigkeit des Recruiting-Prozesses widerspiegelt. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Time-to-Hire allein keine umfassende Aussagekraft hat.
Marcel Rütten betont, dass die Herausforderung darin liegt, die Time-to-Hire nicht standardisiert zu bewerten. Sie ist stark von der Art der Position und den regionalen Gegebenheiten abhängig. Ein Recruiting-Prozess für eine Führungskraft in einer großen Stadt wie München ist mitunter deutlich schneller abgeschlossen als der für einen spezialisierten Techniker in einer ländlichen Region. Zudem kann die Time-to-Hire durch künstlich festgelegte Zielvorgaben negativ beeinflusst werden. Ein Unternehmen könnte beispielsweise versuchen, die Time-to-Hire zu verkürzen, indem der Prozess beschleunigt wird, ohne jedoch die Qualität der Auswahl zu gewährleisten. Dies führt zu suboptimalen Ergebnissen, da es in vielen Fällen besser ist, einen längeren Auswahlprozess in Kauf zu nehmen, wenn er zu einer besseren Einstellung führt.
Daher ist es ratsam, nicht nur die reine Time-to-Hire zu betrachten, sondern auch realistische Zielvorgaben zu setzen und die Zeitmessung an die jeweilige Situation anzupassen. Anstelle einer starren Zahl sollte ein realistischer Zeitrahmen definiert werden, der sowohl die Komplexität der Position als auch die regionalen Besonderheiten berücksichtigt.
Eine ausgewogene Betrachtung von Zeit, Kosten und Qualität
In der Praxis ist es entscheidend, alle drei Dimensionen – Zeit, Kosten und Qualität – im Recruiting zu berücksichtigen. Häufig liegt der Fokus auf der Geschwindigkeit des Prozesses, was in vielen Unternehmen zu einer Vernachlässigung der Qualität führen kann. Ein schnelles Recruiting mag auf den ersten Blick effizient erscheinen, doch es kann langfristig zu Problemen führen, wenn dadurch weniger geeignete Kandidaten eingestellt werden.
Die Kosten des Recruiting-Prozesses sind ebenfalls eine wichtige Kennzahl. Unternehmen sollten die Kosten pro Bewerbung und die Kosten pro Einstellung genau im Blick haben. Doch auch hier gilt: Es kommt nicht nur auf die absolute Zahl an, sondern auf das Verhältnis von Kosten und Qualität. Ein höherer Preis für eine Recruiting-Maßnahme, wie etwa für den Einsatz eines Headhunters, kann sich dann lohnen, wenn dieser qualitativ hochwertigere Bewerbungen liefert. Der Schlüssel ist, die verschiedenen Kanäle miteinander zu vergleichen und prädiktiv zu entscheiden, wo ein Budgetumschichten sinnvoll ist.
Zu guter Letzt ist die Qualität ein zentraler KPI, der in der Rekrutierung häufig unterschätzt wird. Eine Möglichkeit, die Qualität von Bewerbungen zu messen, ist das Mitarbeiterempfehlungsprogramm, das oft zu einer höheren Bewerberqualität führt, da Mitarbeiter in der Regel nur Kandidaten empfehlen, die sie für geeignet halten. Eine weitere Methode zur Messung der Qualität von Neueinstellungen ist die regelmäßige Erhebung von Feedback, sowohl von den neuen Mitarbeitenden als auch von den Hiring Managern. Dies kann über einfache Umfragen erfolgen, bei denen die Zufriedenheit mit der Einstellung auf einer Skala bewertet wird – ähnlich dem Net Promoter Score (NPS), der in vielen Bereichen verwendet wird.
Dashboards zur kontinuierlichen Überwachung und Optimierung
Um KPIs effizient zu überwachen und zu analysieren, sind Dashboards ein nützliches Tool. Sie ermöglichen eine schnelle und visuelle Auswertung der wichtigsten Kennzahlen und helfen dabei, den Überblick zu behalten. Besonders wertvoll ist die Integration von Daten aus verschiedenen Quellen, wie etwa der Besuchsstatistiken auf Karriereseiten und den Daten aus dem Bewerbermanagementsystem. So lässt sich der gesamte Recruiting-Trichter analysieren – vom ersten Besuch auf der Karriereseite bis hin zur finalen Einstellung.
Eine regelmäßige Überprüfung der KPIs und der Entwicklungstrends ist jedoch wichtig, um rechtzeitig auf Schwachstellen im Recruiting-Prozess reagieren zu können. Es reicht nicht aus, einmalig die Zahlen zu analysieren und dann darauf basierend Maßnahmen zu ergreifen. Stattdessen muss der Erfolg kontinuierlich gemessen und die Strategie entsprechend angepasst werden.
Die erfolgreiche Umsetzung von Recruiting-Prozessen erfordert somit eine sorgfältige Analyse und kontinuierliche Optimierung. KPIs sind ein wertvolles Werkzeug, um den Erfolg von Maßnahmen zu messen und Schwächen im Prozess zu identifizieren. Dabei ist es wichtig, nicht nur isolierte Kennzahlen wie die Time-to-Hire zu betrachten, sondern eine ausgewogene Sicht auf Zeit, Kosten und Qualität zu haben. Durch eine gezielte Ursachenforschung und die kontinuierliche Überwachung von KPIs können Unternehmen ihre Recruiting-Prozesse nachhaltig verbessern und gleichzeitig die Zufriedenheit von Bewerbern und neuen Mitarbeitern steigern. Ein ausgewogenes Zusammenspiel von Kennzahlen ist dabei der Schlüssel, um langfristig erfolgreich zu rekrutieren.
Zur Person: Marcel Rütten ist seit über 15 Jahren im Personalmanagement tätig und als Global Talent Acquisition Lead, HR-Blogger, Podcaster und Autor ein weithin bekannter HR- und Recruiting-Experte. Durch seine vielfach ausgezeichnete Arbeit bei verschiedenen Unternehmen vom Global Player bis zur NGO hat seine Arbeit das Recruiting, Personalmarketing und Employer Branding in Deutschland über viele Jahre mitgeprägt. In seinem Blog HR4Good schreibt er über Ideen, Innovationen und Trends im Personalmanagement und berät Unternehmen zu strategischen und operativen Recruitingfragen. Als Initiator der Recruitingkonferenz „Schicht im Schacht“ will er die weitere Professionalisierung des Berufstands im deutschsprachigen Raum vorantreiben.