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Foto von Alejandro Escamilla
Drei Faktoren beeinfl ussen die demografi sche Entwicklung maßgeblich: die Geburtenrate, die Lebenserwartung und der Wanderungssaldo. Für Österreich sind die Zahlen deutlich. Die Geburtenrate sinkt seit langer Zeit und ist mittlerweile bei einer Kinderzahl von knapp 1,4 pro Frau angelangt. Die Lebenserwartung (Frauen 82,9, Männer 77,4 Jahre) ist so hoch wie nie und wird kontinuierlich weiter ansteigen. Durch Zuwanderung kann Österreich zwar von einer relativ gleich bleibenden Erwerbsquote ausgehen (Statistik Austria 2010), doch werden die Auswirkungen des demografi schen Wandels früher oder später jedes Unternehmen in Österreich erreichen. Dies bringt besondere Herausforderungen für das HR-Management mit sich. Vier dieser Herausforderungen sind:

  • Das Alter der Belegschaft wird in den nächsten Jahren markant steigen.
  • Die Leistungsfähigkeit der Unternehmen wird immer maßgeblicher beeinflusst von der Gesundheit, der Motivation und der Qualifikation gerade der älteren Mitarbeiter.
  • Die Verfügbarkeit qualifizierter Fachund Führungskräfte wird zukünftig stark abnehmen.
  • Die Bindung gerade qualifizierter Fach- und Führungskräfte im eigenen Unternehmen wird deutlich schwieriger.

Der langsam gekochte Frosch – und weitere Besonderheiten

Die beschriebenen Herausforderungen des demografischen Wandels charakterisieren ihn als umfangreich wirkenden Veränderungsprozess, der nicht nur die Rahmenbedingungen der Unternehmen nachhaltig verändert, sondern auch das Gesicht jedes einzelnen Unternehmens. Beide Auswirkungen erfordern besondere Veränderungsleistungen durch die Unternehmen, bei denen das HR-Management im Fokus steht. Wichtige Besonderheiten dieser Veränderungsprozesse sind:

Der demografische Wandel vollzieht sich als „schleichender Prozess“:

Viele kennen das Beispiel des Frosches, der in einen Topf mit heißem Wasser geworfen wird und umgehend wieder herausspringt. Wird der gleiche Frosch jedoch in wohltemperiertes Wasser gesetzt und die Temperatur nur langsam erhöht, fühlt er sich wohl, genießt die Wärme, wird kontinuierlich schlapper und lässt sich kochen, bis er tot ist. Schleichende Prozesse sind gefährlich, da man sich an sie gewöhnt, anstatt die Warnsignale frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Maßnahmen ergreift, um ihnen wirkungsvoll zu begegnen.

Der Schlüssel, um dieser Besonderheit wirksam zu begegnen, liegt in pointierten, regelmäßig durchgeführten Analysen. Sie liefern aussagefähige Kennzahlen und geben damit wichtige Anhaltspunkte für das Personalmanagement. Beispielsweise kann mit der Altersstruktur- oder Personalbedarfsanalyse einerseits die aktuelle Ausgangssituation abgebildet werden, in der sich das Unternehmen befindet. Andererseits wird ein klares Bild der zukünftigen Personalstruktur gezeichnet, wie es sich unter Berücksichtigung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens ergeben wird.

Der demografische Wandel wirkt vielschichtig:

Der demografische Wandel bedeutet für Unternehmen nicht nur, in Zukunft mit einer älteren Belegschaft zu arbeiten und größere Schwierigkeiten zu haben, neue Fachkräfte zu finden. Das wäre zu einfach gedacht. Die Wechselwirkungen, die diese Veränderungen mit sich bringen, sind viel umfangreicher. So wird durch das sinkende Angebot an qualifizierten Arbeitskräften auch der sogenannte „War for Talents“ mit immer konsequenteren Mitteln betrieben. Die Folge: Unternehmen werden sich verstärkt darauf einrichten müssen, die bestehende Belegschaft – ob Jung oder Alt – durch glaubwürdige Konzepte langfristig an das Unternehmen zu binden. Andernfalls werden sich vor allem die guten Mitarbeiter umorientieren oder den immer lauter werdenden Lockrufen der Konkurrenz nachgeben.

Weiterhin ist die Belegschaft durch altersgruppenspezifische Lernkonzepte mit aktuellem Know-how auszustatten, um als Unternehmen in der zunehmend komplexeren Wettbewerbssituation zu bestehen.

Die Beispiele zeigen: Es reicht in der Regel nicht aus, mit einzelnen Maßnahmen fallweise zu planen. Um den durch den demografischen Wandel angeschobenen Veränderungsprozessen aktiv und strategiepassend zu begegnen, ist ein unternehmensindividuelles Bündel von parallel verlaufenden und aufeinander aufbauenden Maßnahmen zu schnüren, das an verschiedenen Hebeln innerhalb der personalwirtschaftlichen Wertschöpfungskette ansetzt. Die Abbildung 1 listet entsprechende Ansatzpunkte auf.

Abbildung 1: Ansatzpunkte für ein demografieorientiertes Personalmanagement entlang der HR-Wertschöpfungskette

(Quelle: Gordpark GmbH Unternehmensberatung)

Der demografische Wandel, aber auch die ergriffenen Maßnahmen wirken zeitverzögert:

Weder der demografische Wandel noch die angedeuteten Ansatzpunkte, die den damit verbundenen Gefahren begegnen, entfalten ihre Wirkung von heute auf morgen. So ist es nicht nur wichtig zu wissen, wie „heiß“ die Temperatur des Wassers aktuell ist. Entscheidend ist vor allem, ein umfassendes Messinstrument zu besitzen, das die Wirkungsweisen der unternehmensindividuellen Maßnahmen im Zeitverlauf abbilden kann. Nur so kann ein langfristiges Steuern der Maßnahmenumsetzung sichergestellt werden.

Erfolgreiche Veränderungsprozesse im Unternehmen im Hinblick auf den demografischen Wandel basieren auf kontinuierlichen Analysen, die dem HR-Management hochwertiges Zahlenmaterial liefern. Dabei muss selbstverständlich die strategische Ausrichtung des Unternehmens berücksichtigt werden. Nur so können passgenaue Maßnahmenbündel entwickelt und ihr Umsetzungserfolg überwacht und gesteuert werden. So weit die Theorie. Doch was zeigt die Praxis?

Der Praxis fehlt zumeist die Datenbasis

Studien verdeutlichen zum einen, dass Personalabteilungen nur sehr eingeschränkt in der Lage sind, Auskunft über wichtige Kennzahlen der Belegschaft zu geben. Danach halten nach Steria Mummert fast 90 Prozent der Führungskräfte die zur Verfügung stehende Datenmenge im Personalmanagement für nicht ausreichend, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Zum anderen wird HRControlling in den Unternehmen vorwiegend zur Kostensteuerung eingesetzt. Die Quantifizierung inhaltlicher HR-Themen ist fast überall erst im Entstehen (Deloitte 2011). So verwundert es nicht, wenn 87 Prozent aller in einer Studie befragten 700 österreichischen Unternehmen angaben, noch keine demografieorientierten Strategien zu verfolgen (Zukunftsforum Österreich 2009).

In den meisten Unternehmen leben die HRAbteilungen mit einer permanenten Unschärfe im Hinblick auf die Ausgangssituation und die Abschätzung zukünftiger Entwicklungen ihrer Belegschaft. Das ist bezüglich des demografischen Wandels verhängnisvoll, denn notwendige Veränderungsprozesse werden nicht erkannt. Genauso können gesetzte Maßnahmen nicht nachhaltig gesteuert werden.

Das demografieorientierte HR-Cockpit

Das nachfolgend vorgestellte HR-Cockpit nimmt sich dieser Problematik an. Es ist ein Controlling- und Steuerungsinstrument, das aussagekräftige Kennzahlen in Bezug auf personalwirtschaftliche Veränderungsprozesse abbildet. In Bezug auf den in diesem Artikel beschriebenen Hintergrund leistet es einen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen des demografischen Wandels. Die im demografieorientierten Cockpit abgebildeten Zahlen beziehen sich auf folgende Dimensionen:

  • Wie wirkt sich der demografische Wandel auf unsere Belegschaft aus? Wie sind wir aufgestellt? Was sind Kennzahlen, die wir aufgrund der Analyse unbedingt im Auge behalten müssen?
  • Wo wollen wir hin? Welche demografieorientierten Maßnahmen ergreifen wir und welche Ergebnisse peilen wir dabei an (Soll–Zielgrößen)?
  • Was haben wir bereits erreicht? Welchen Grad der Zielerreichung haben wir hinsichtlich der gesetzten Maßnahmen erreicht (Soll–Ist-Abgleich)?

Der jeweilige Zielerreichungs- oder Gefährdungsgrad wird in Form einer Ampel dargestellt. Das HR-Cockpit basiert dabei auf dem Gedankengut der erfolgreichen Balanced Scorecard. Der besondere Unterschied: Das HR-Cockpit nimmt die Perspektive der gesamten personalwirtschaftlichen Wertschöpfungskette ein. Somit deckt das HR-Cockpit alle wichtigen Personalmanagementbereiche ab und verschafft den Entscheidungsträgern einen schnellen und doch sehr aussagekräftigen Überblick.

Abschließend noch einige wichtige Hinweise, die den erfolgreichen Einsatz des HR-Cockpits in der Praxis gewährleisten:

  • Die Datenanalyse ist bei Weitem nicht so aufwendig, wie auf den ersten Blick angenommen. Eine Vielzahl der benötigten Informationen ist einfach zu beschaffen oder liegt bereits im Unternehmen vor. Sie müssen nur identifiziert und systematisch aufbereitet werden.
  • Das HR-Cockpit lebt von aktuellen Daten. Es kann seine Steuerungsfunktion nur entfalten, indem Unternehmen Trends rechtzeitig erkennen und die Effektivität von Entscheidungen überprüfen. Bei einzelnen Kennzahlen der Wertschöpfungskette sind monatliche bis quartalsweise Erhebungszyklen sinnvoll.
  • Möglichst wenige, dafür aber aussagekräftige Kennzahlen verwenden: Dieser Fokus ist wichtig, um der Gefahr zu begegnen, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Unsere Erfahrung hat uns gelehrt, dass zehn bis zwölf Kennzahlen einen aussagekräftigen und trotzdem fokussierten Überblick liefern.

Klare Verankerung im Unternehmen

Das HR-Cockpit ist „nur“ ein Instrument. Über seine Leistungsfähigkeit entscheidet die stringente Systematik bei der Erhebung, Auswertung und Reflexion der Daten. Die Verankerung eines klar definierten Anwendungsprozesses im Unternehmen ist essenziell. Er regelt, wer wann dafür verantwortlich ist, aktuelle Zahlen zu erheben, und in welcher Personenkonstellation diese reflektiert werden. Notwendig ist ebenso, dass das HR-Cockpit dabei eine breite Aufmerksamkeit im Unternehmen erhält und relevante Anspruchsgruppen (vor allem Geschäftsführung, Führungskräfte und Betriebsrat) in den Prozess integriert werden.

Selbstverständlich ist: Jedes Unternehmen muss für sich selbst herausfinden, welche Kennzahlen der personalwirtschaftlichen Wertschöpfungskette die richtigen sind. Dazu sind die spezifische demografische „Betroffenheit“ und die jeweils verfolgte Strategie von Unternehmen zu Unternehmen zu verschieden.

Fazit: Das HR-Cockpit ist ein universell einsetzbares Instrument. Mit seiner am Wertschöpfungsprozess orientierten Struktur ermöglicht es dem Personalmanagement Transparenz zu wichtigen Belegschaftsfragen. Dem großen Problem der Praxis, der permanenten Unschärfe in Bezug auf die Ausgangssituation ihrer Belegschaft und die Abschätzung zukünftiger Entwicklungen, wird durch den Einsatz eines Instrumentes, das aktuelle und unternehmensrelevante Daten liefert, begegnet. Die Notwendigkeit eines solcherart klaren Blicks wurde in diesem Artikel am Beispiel des demografischen Wandels aufgezeigt. Die Auswirkungen des demografischen Wandels werden durch das HR-Cockpit transparent und greifbarer, was sie bearbeitbarer macht. Die unternehmensindividuell aufgestellten Kennzahlen dienen als Indikatoren für notwendige Veränderungsprozesse. Sie fundieren Entscheidungen, überwachen und steuern die getroffenen Maßnahmen.

Erwähnenswert ist abschließend: Mit dem HR-Cockpit erhalten HR-Abteilungen eine gute Möglichkeit, sich weiter aus der administrativen Rolle zu emanzipieren und eine aktivere, strategieorientiertere Position im Unternehmen einzunehmen.

Literaturtipps

  • HR-Benchmark 2011. Don’t miss the train. Von Nikolaus Schmidt, Nika Mizerski und Julian Mauhart. Deloitte Human Capital Österreich, 2011.
  • Ageing Society – Eine Herausforderung für Gesellschaft und Wirtschaft. Von Anselm Eder, Isabella Hager, Michaela Hudler- Seitzberger und Tanja Wimmer. IT Verlag 2009.

Quelle: personalmanger - 6/2011