Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass wir uns in der klassischen Eignungsdiagnostik – also in der Einschätzung von Eignung in Personalauswahl und Talent Management – natürlich in erster Linie mit den Kandidaten beschäftigen. Was diese können und welche Potenziale sie haben, das wollen wir möglichst treffsicher herausfinden.

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Foto von Arlington Research

Uns selbst halten wir dabei für weitestgehend objektiv, rational und klar – ein wenig, als seien wir ein Messgerät: Wir wissen, wonach wir suchen, und wir meinen es zu erkennen, wenn es uns z. B. im Auswahlprozess begegnet. Was wir dabei unterschätzen, und davon handelt dieses Buch, ist die Tatsache, dass wir automatisch immer diejenigen Muster und Verhaltensweisen präferieren, die mit unseren eigenen Mustern und Verhaltensweisen kompatibel sind. Weil wir in Deutschland gerne klar, fokussiert und mit einer analytischen Logik argumentieren, ist es uns wichtig, nicht vage oder mehrdeutig zu sein, selbstbewusst zu wirken und „auf den Punkt“ zu kommen. Und dasselbe erwarten wir dann natürlich auch von unseren Kandidaten. Andererseits kann eben auch ein expressiver, beziehungsorientierter, übertreibender und ausholender Kommunikationsstil eines Brasilianers erfolgreich sein, genauso wie die abwartende, leise, vorsichtige, ganzheitliche und gut zuhörende Art einer Japanerin.

Der Autor geht damit zentralen Fragen zur Abgrenzung eigener persönlicher Vorstellungen und auch Vorlieben von objektiven Notwendigkeiten und Anforderungen im Berufsleben vor dem Hintergrund unterschiedlicher kultureller Wertvorstellungen im internationalen Kontext nach. Und wer international erfolgreich, innovativ und flexibel sein und sich im Zuge des demografischen Wandels neue Bewerbergruppen erschließen möchte, kommt nicht umhin, offener für unterschiedliche Ansätze auch bei der Personalauswahl zu werden, selbst wenn sie uns auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig erscheinen.

Das Buch gibt dem Leser hierfür viel Hintergrundwissen, bettet dieses aber in die Analyse reeller Sequenzen aus interkulturellen Vorstellungsgesprächen ein. Zudem sind in jedes Kapitel

praktische Handlungsempfehlungen eingearbeitet, und über 50 Seiten des Buches befassen sich mit konkreten Hinweisen für die kultursensible Gestaltung von Bewerbungsgesprächen und Assessment-Centern.

Für wen ist das Buch gedacht: Auf jeden Fall ist die Lektüre ein Mehrwert für alle Personaler und Führungskräfte, die internationale Mitarbeiter auswählen oder in internen Development-Centern ihre Potenziale erkennen wollen. Aber auch im nationalen Recruiting steigt die Zahl der internationalen Bewerbungen. Selbst im Auszubildendenbereich kommen mehr und mehr Kandidaten mit einem Migrationshintergrund oder – das wird in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen sicher noch zunehmen – mit einer Flüchtlingsbiographie.

Nicht zuletzt vermittelt das Buch einige sehr spannende Einblicke und Erkenntnisse in Bezug auf die kulturell unterschiedlichen Selbstkonzepte und Denkstile in Asien und Osteuropa gegenüber denen in Westeuropa und den USA. Es kann also selbst für diejenigen von Interesse sein, die sich kaum mit der Personalauswahl befassen, aber viel international unterwegs sind.

Fazit: Auch für Nicht-Psychologen eine flott geschriebene und trotzdem differenzierte Darstellung mit vielen erhellenden Einblicken und hilfreichen Empfehlungen für die Praxis.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht | Ausgabe 11 – 2015 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de