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Foto von Adeolu Eletu

Coaching in Unternehmen: Ab heute läuft bei uns alles anders
Ein frommer Wunsch. Denn die Formulierung „ab heute“ passt zu den exakten Terminierungen einer Buchhaltung. Menschliche Entwicklungen, ob in Kriseninterventionen oder in Potenzialanalysen und Personalentwicklungsprozessen, wie auch Veränderungen in der Unternehmenskultur, benötigen häufig länger – und entziehen sich gerne exakten Messungen. Dass Coaching letztendlich positiv zu Buche schlägt, bleibt unbestritten. Doch ist Coaching die erlösende Antwort auf alle Ihre Fragen? Was sind die richtigen Fragen? Wer stellt sie – und vor allem wie?

Welcher Coach passt zu meinem Unternehmen und Anliegen?
Machen Sie es wie bei der Personalauswahl: Legen Sie eine Liste an, welche Art von Unternehmen Sie sind, welche Einsatzgebiete betroffen sind, welche Persönlichkeit und welches Verfahren zu Ihnen passen könnte, „Matchen” Sie: Persönlichkeit, (Unternehmens-)Kultur, Coaching-Ausbildung und angebotenen Verfahren, thematische Spezialisierungen, Berufserfahrung, Verbandszugehörigkeiten, Branchenerfahrung, Supervision, Durchführbarkeit, Finanz-, Zeit- und Raumressourcen.

Du kennst die Lösung – ich helfe Dir, sie zu finden
Bei einem Coaching „auf Augenhöhe“ wird der Coach immer darauf bedacht sein, Sie lösungs- und ressourcenorientiert dabei zu unterstützen, aus eigener Kraft eine Sachlage zu klären (wo stehen Sie?), herauszufinden, wo die Problempunkte liegen (Unterscheidung von offenen und verborgenen, von echten Problemen und „Scheingefechtsproblemen“) und zu eigenen Ideen und Lösungen zu gelangen. Wichtig: Es gibt keine Patentrezepte. Die Lösung ist immer so individuell wie Ihre Mitarbeiter, Ihr Problem und Ihr Unternehmen.

Der Lösungsprozess kann sich (muss sich aber nicht) in unterschiedliche Phasen gliedern, wie beispielsweise:

  1. Standortbestimmungs- und Klärungsphase
  2. Zielbestimmungs- und Orientierungsphase
  3. Veränderungs- und Lösungsphase
  4. Abschluss- und Abschiedsphase

Häufig sind Lösungsprozesse (wie auch die Fragetechniken) nicht so „linear“ aufeinander aufbauend, wie wir es gerne hätten. Dennoch gibt es Prozesse, die in diese Phasen eingeteilt werden können.
Ebenso können die nachfolgend beschriebenen Fragetechniken ganz flexibel und unterschiedlich angewendet werden. Eines ist vor allem wichtig, wenn man sich mit Fragen und Fragetechniken für das Coaching befasst: die Tatsache, dass es beim Coaching generell, ganz besonders jedoch am Anfang, gar nicht so sehr um das Fragen sondern um die Fähigkeit des „richtigen“, offenen, zugewandten und aufmerksamen Zuhörens geht:

Was: Aktives Zuhören – Paraphrasieren

Aktion: Von den Klienten gesagtes in eigenen Worten wiederholen, spiegeln
Absicht: Vertrauen aufbauen, auf Augenhöhe arbeiten, respektvollen Umgang pflegen, aktives Interesse zeigen, Missverständnisse vermeiden, Emotionen – und damit die Person des anderen –  wahrnehmen und auffangen. Fakten klären, den Klienten signalisieren, dass sie und ihre Emotionen und Themen Zeit verdienen, dass sie beide gut zusammenarbeiten werden.
Funktion: Sicher gehen, dass sich die Beteiligten auf einer Sprach-, Fakten- und Verständnisebene befinden, Standortbestimmung, Überprüfung des Gesagten, Spiegeln des Gesagten, Abstand schaffen durch das verständnisvolle und akzeptierende Wiederformulieren des Gesagten – für sich und das Gegenüber.
Beispiel: „Ich verstehen Sie gerade so, dass…“, „Stimmt es, dass…“, „Gehe ich recht in der Annahme, dass die Situation momentan…,“ „Ich erkenne aus Ihrer Schilderung, dass…“, „Damit ich das richtig verstanden habe, es scheint so zu sein, dass…“, „Ich wiederhole das noch einmal, unterbrechen Sie mich gerne, falls ich irgendwo etwas falsch verstanden haben sollte…“, „Habe ich Sie richtig verstanden, dass…,“ „Sie denken also, dass…“
 

Was: Hinterfragen – Nachfragen zum Realitätscheck

Aktion: Gesagtes annehmen, aufnehmen, weiterentwickeln, Aspekte hinzufügen, neue Räume öffnen und in neue Kontexte stellen.
Absicht: die Realität und die Situation ganz konkret überprüfen, Wahrnehmungen überprüfen: Ist das Problem tendenziell eher psychischer emotionaler Natur, welche konkreten Hilfsmaßnahmen könnten möglich sein?
Funktion: Standortbestimmung, Hilfe beim grundsätzlichen Abklären der gemeinsamen Vorgehensweise: Was funktioniert (heute/aktuell) in der Kommunikation mit diesem Klienten, was u.U. nicht?
Beispiel: Klient: „Ich kann den Umzug zum neuen Standort nicht mitmachen, der Fahrtweg ist zu lang.“ Coach: „Wie kommen Sie bisher zur Arbeit?“, „Gäbe es diese Verkehrsmittel auch für den neuen Standort?“ “Wie könnte man die Fahrtzeit nutzen?” “Würden Sie denn prinzipiell gerne zum neuen Standort wechseln, wenn er näher an Ihrem Wohnort läge?” “Welche Möglichkeiten des Pendelns haben Sie schon durchgespielt?” “Wäre eine Umzugshilfe oder eine Berufs-WG während der Woche eine Lösung?” “Welche Lösungen könnten Sie sich vorstellen?” “Gibt es Lösungen anderer Mitarbeiter, die Sie kennen, die für Sie auch in Frage kommen könnten?” “Was müsste getan werden, dass Sie sich mit der jetzigen Situation besser fühlen?”

Maßnahmen, um Probleme gezielt an der Wurzel packen

A. Tatsachen konkret schildern, Begrifflichkeiten und Sprache klären

Was verstehen die Beteiligten unter den verwendeten Begriffen. Was meinen sie konkret (gerne auch bei vagen Schilderungen verwendet.) Wie abstrahieren die Beteiligten? Welche Konzepte und Bilder verwenden sie?
Fragen: Coach: „Wer? Was? Wie genau?“ „Wen meinen Sie mit man?“ „Wer sagt, dass Sie das tun müssen?“

B. Verallgemeinerungen sichtbar machen und auflösen

Viele Generalisierungen erfolgen unbewusst und unreflektiert. Gezieltes Nachfragen bringt dies zu Bewusstsein und hilft, festgefahrene Denkmuster zu druchbrechen. Aktionen-Reaktionen und Zusammenhänge zwischen Denken und Handeln bei sich und anderen werden deutlicher und können leichter angesprochen und gelöst werden.
Fragen: Coach: „Wirklich niemand? Alle? Dauernd? Nie? Keiner?“

C. Höhen und Tiefen des Problems im Realitätscheck ausloten

Je „überfluteter und überforderter“ ein Klient ist, umso weniger klar ist am Anfang, wo Anfang und Ende einer Situation liegen oder lagen – wie ein Problem entstanden ist und als wie groß der Klient – aber auch Unbeteiligte – das Problem einstufen. Wo liegt der Kern des Problems, welche Auswirkungen hatte es – und hat es jetzt – und könnte es noch haben. Welche Situationen stehen representativ dafür – und wo verortet sich der Klient selbst – und andere darin?
Fragen: Coach: „Wann war es am Schlimmsten?“ „Welche Auswirkungen hat das Problem?“

D. Realitäten überprüfen und Ausnahmen von den Problemen aufzeigen

Wer sich einmal in Problemen verrannt hat, neigt dazu, zu verallgemeinern und sie in einer anderen Verhältnismäßigkeit zu erleben. Das Problemerleben gewinnt an Gewicht gegenüber (immer noch vorhandenen) positiven Erlebnissen und verstellt die Sicht auf Lösungen. Gezieltes Nachfragen kann die Wahrnehmung „zurechtrücken“ und Erleichterung schaffen, dass es „nicht immer so ist“, es „noch Hoffnung gibt“, nicht alles schwarz aussehen muss. Das Erkennen von „Ausnahmen von der Regel“ zeigt: Es geht / und ging auch anders. Anhand des Realitätschecks fällt es leichter, vorhandene Lösungsressourcen und –strategien zu aktivieren.
Fragen: Coach: „Wann und mit wem hatten Sie den Eindruck, etwas weniger allein zu sein?“ „Ist das Problem immer gleich stark?”

Eine Auswahl unterschiedlicher Fragearten

Zirkuläre Fragen „kreisen“ das Problem ein und beleuchten es aus unterschiedlichen Perspektiven. Auf diese Weise stellt man die einzelnen Stufen einer Entwicklung dar und zeigt auf, wie sie miteinander zusammenhängen. Man hilft dem Coachee außerdem dabei, eine andere Sichtweise einzunehmen: eine Außenperspektive, eine Perspektive aus einer größeren Distanz heraus oder eine Perspektive aus Sichtweite eines anderen (Beteiligte oder Unbeteiligte). Dadurch können größere Zusammenhänge, Folgen, Konsequenzen, Muster und Verstrickungen leichter sichtbar und bewusst werden. Man rekonstruiert damit gemeinsam die Entstehung problematischer Ereignisse – und auch wie eigene Handlungen und Denkmuster dazu beigetragen haben könnten. Auch Lösungsansätze werden so leichter sichtbar: „Wie würde Ihr Kollege die Situation beschreiben?“ „Was würde Ihr Vorgesetzter jetzt sagen?“
 
Paradoxe Fragen: Mit ihnen „übertreibt“ der Coach das Problem bewusst oder stellt gewohnte Denkmuster „auf den Kopf“. Dadurch werden dem Coachee Verhältnismäßigkeiten bewusst: Hat man „aus einer Mücke einen Elefanten gemacht?“ Gibt es wirklich keinen Ausweg? Ist ein bestimmter Vorfall wirklich die Quelle allen Übels? Mit der „gedachten Verschlimmerung“ geht man bewusst auch humorvolle Wege und fördert die Kreativität.

Suggestive Fragen: Sie eignen sich dazu, einen „Schulterschluss“ mit dem Gegenüber zu erreichen und zu signalisieren: Wir sind auf einer Ebene, wir verstehen uns. Denn mit suggestiven Fragen legen Sie dem Gesprächspartner die Antwort förmlich „in den Mund“: „Sie denken doch auch, dass…“
 
Dissoziierende Fragen: Auch hier geht es darum, eine andere Perspektive einzunehmen: von der Vogelperspektive oder beobachtend von einem Berg aus, oder als „allwissender Geschichtenerzähler“. Der Zweck dahinter: Abstand zu nehmen von dem Problem, Wechselwirkungen zu erkennen – und mit diesen neuen Informationen Denkprozesse zu verändern, die zu neuen Lösungsansätzen führen. Auch wird hierbei unbewusstes Wissen getriggert, das wiederum zu Lösungen führen kann: “Was meint der Fachberater Ihres Zuliefererunternehmens denn dazu?” “Was würde Ihnen der Kollege aus der Abteilung xy dazu raten?”
 
Hypothetische Fragen – auch Wunsch- oder Wunderfragen: Angenommen, dieser Mitarbeiter wäre jetzt nicht in Ihrem Team, was würde sich dann verändern? Beschreiben Sie mir doch einmal Ihren Wunscharbeitsplatz. Wenn man Ihnen nun drei Wünsche erfüllen könnte…“ In einem Wunschszenario treten Kritikbereitschaft und innere Zensur ein Stück weit zurück – und geben kreativen Raum frei für neue Lösungswege. Gleichzeitig erhöhen sie die Akzeptanz für neue Lösungen und einen leichteren (spielerischeren) Umgang mit Problemen.

 
Zum Abschluss

Nach jeder Sitzung, jedem Gespräch, jedem Prozess und jeder Lösungsfindung ist es für den Coachee wichtig, am Prozess dran zu bleiben – und die neue Situation schätzen zu lernen. Ihre Coachees dürfen sich über ihren Erfolg freuen. Transfer-, Zukunfts- und Bestärkungstechniken helfen dabei:
Fragen Sie Ihren Coachee, nach der Sitzung, was er nun konkret als nächstes angehen möchte: „Nach dem, was wir jetzt gerade besprochen haben, welche Maßnahme werden Sie jetzt als nächstes ergreifen?“ Wenn schon eine gewisse Zeit nach dem Coaching vergangen ist, fragen Sie ihn, was sich im Alltag verändert hat und wie sich das anfühlt: „Wir haben ja nun gemeinsam eine ganze Reihe von Veränderungen erarbeitet. Was sehen Sie als Ihren größten Erfolg?” “Wie fühlen Sie sich heute im Vergleich zu damals?” “Was ist besser?“

Helfen Sie Ihrem Coachee dabei, noch mögliche Hürden zu identifizieren und sich darauf vorzubereiten, u.U. noch die eine oder andere Sachlage zu klären: „Wie hat sich die Lösung des Problems auf Ihren beruflichen Alltag ausgewirkt?” “Was funktioniert jetzt besser?” “Was sagt denn Ihre Familie dazu?“ “Was könnte sich noch verändern und wie fühlt sich das an?”
Sollte das Coaching nur für einen bestimmten Zeitraum angelegt gewesen sein, dann sollte dieser Zeitraum auch eingehalten werden. Es ist wichtig, Prozesse abzuschließen, auch wenn noch ein gewisser Gesprächsbedarf besteht. Der Coachee soll wissen: Er schafft das auch gut alleine und verfügt über alle nötigen Ressourcen, seine Probleme anzugehen. Dennoch sollte es in Einzelfällen natürlich immer möglich sein, flexibel zu reagieren und bei Bedarf Nachgespräche zu arrangieren, besonders dann, wenn sich nachträglich doch noch Komplikationen oder sogar neue Problemfelder ergeben. Coaches sind jedoch immer  „nur“ Beobachter, Begleiter, Vermittler. Probleme entstehen in Unternehmen immer wieder. Sie können jedoch auch immer wieder in genau diesen Unternehmen gelöst werden