Herr Büdel, spätestens seit der Finanzkrise 2009 gilt das Bankenwesen als äußerst risikoreiche Branche. Auf der gesamten Welt gibt es Proteste angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise. Benötigen Personalmanager in diesem Umfeld mehr Mut zum Risiko als in anderen Geschäftsfeldern?

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Foto von Jess Bailey

Nein, personalpolitisch hat der Begriff Risiko eine andere Bedeutung. Unsere Risiken sind eher, dass wir nicht ausreichend über Personalressourcen verfügen oder dass wir passende Kompetenzen in der gebotenen Zeit ins Unternehmen bekommen. Das hat mit der aktuellen Situation der Finanzmarktkrise und den damit einhergehenden Risiken nur bedingt etwas zu tun.

Ein spezielles Personalrisiko im Finanzsektor ist vielleicht, dass wir durch einen gewissen Imageverlust befürchten müssen, zukünftig nicht genügend Know-how-Träger zu finden, so dass Wissenslücken entstehen könnten. Das gilt aber angesichts demografischer Veränderungen für alle Branchen – für die einen mehr, für die anderen weniger. Momentan sehen wir aber noch nicht, dass die Bewerberzahlen einbrechen.

Experten streiten sich heftig darüber, in welchem Ausmaß der demografische Wandel einen Fachkräftemangel zur Folge haben wird. Ist der Engpass an Personal wirklich ein Risiko im Personalmanagement?

Definitiv. Dem Arbeitsmarkt werden signifikant weniger Menschen als Erwerbstätige zur Verfügung stehen. Das ist Fakt. Und die Situation wird sich in den nächsten Jahren verschärfen, da nicht ausreichend neue Arbeitskräfte nachkommen – sei es durch qualifizierte Migration oder Geburten. Selbstverständlich spielt auch die Region, in der ein Unternehmen ansässig ist, eine Rolle. Manche Speckgürtelregionen in Deutschland haben eine größere Anziehungskraft auf Nachwuchs- und Fachkräfte als andere. Gerade in Randregionen wird der Kampf um Talente besonders stark entbrennen – teilweise ist er schon entbrannt.

Wie risikoreich entwickelt sich die Altersstruktur und Nachwuchssituation bei Ihnen im Unternehmen?

Speziell für unsere Branche ist der War for Talents auch ein Thema. Deshalb engagieren wir uns an Schulen und Hochschulen, um etwas vom Nachwuchskuchen abzubekommen. Die demografische Situation der DZ PRIVATBANK an unserem Hauptsitz Luxemburg ist aber noch vergleichsweise erfreulich. Momentan sind wir die größte Bank deutscher Provenienz am Luxemburger Finanzplatz und profitieren von unserer Wachstumsstrategie, entgegen dem Markttrend. Es gibt hier viele deutsche Banken wie z.B. die Landesbankentöchter, die in Luxemburg ihre Aktivitäten einstellen oder reduzieren und deshalb Personal abbauen. Auch bei unserer Tochtergesellschaft in der Schweiz sind wir von der Altersstruktur her noch ganz gut aufgestellt. Aber ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass wir in fünf bis zehn Jahren noch immer in einer so komfortablen Lage sind.

Sie haben bereits vor Jahren bei der DekaBank ein Konzept zur lebenszyklusorientierten Personalarbeit entwickelt. Ist dieser Ansatz heute noch aktuell?

Ja, dieses personalpolitische Konzept wollen wir auch peu à peu in der DZ PRIVATBANK einfließen lassen. Dabei geht es darum, dass wir in einer ganzheitlichen Konzeption verschiedene Personalinstrumente für alle Phasen im Erwerbsleben der Mitarbeiter anbieten – speziell auch für ältere Arbeitnehmer und Frauen. Dafür müssen wir den Personalbestand zunächst nach Kriterien wie Erwerbs-, Innovations- oder Hochleistungsfähigkeit analysieren, um die Mitarbeiter entsprechend unterstützen zu können. In verschiedenen beruflichen Phasen haben die Beschäftigten jeweils andere biologische und kognitive Stärken oder andere Bildungsschwerpunkte, denn auch die beruflichen Ziele und die privaten Interessen ändern sich im Lauf des Erwerbslebens.

Wirken solche Ansätze an sich schon als Retention-Instrument?

Abwerbungsprogrammen der Konkurrenz, die ganz gezielt vorgehen, können wir damit nicht wirklich entgegensteuern. Das ganze Thema regelt sich doch seit jeher traditionell über den Preis: Je neuralgischer die Besetzung von gewissen Fachgebieten ist, in denen eine Vakanz besteht, desto höher ist meistens auch das Gehaltsangebot. Trotzdem hat die lebenszyklusorientierte Personalarbeit einen gewissen Bindungseffekt. Wenn Unternehmen auch private Interessen und Lebensmodelle berücksichtigen und entsprechend zeitgemäße Regelungen für Arbeitszeit und -ort an den Tag legen, dann wissen das die Beschäftigen zu schätzen. Das kann auch die Arbeitsmotivation positiv beeinflussen.

Immer wieder sind die Boni der Manager Anlass für Ärgernisse in der breiten Bevölkerung. Inwiefern eignet sich diese Praxis trotzdem dazu, Motivationsrisiken zu vermeiden?

Der Durchschnittsbonus eines Bankangestellten liegt weit unterhalb von 100.000 Euro. Die Institutsverfügungsverordnung hat die Bezahlung von variablen Bezügen extrem reglementiert. Umstrittene Boni, die angeblich Fehlverhalten erzeugt haben, waren höhere Zahlungen an Investmentbanker. Das ist aber für unsere Branche nicht repräsentativ. Ein vernünftiger Bonus, für den ein Mitarbeiter gut und erfolgreich an seinen vereinbarten Zielen gearbeitet hat, wird immer ein zusätzliches Anreiz-Instrument zum Fixgehalt bleiben.

Wiederholt sind angesehene Banker wegen Insiderhandel oder Betrügereien in die Schlagzeilen geraten. Inwiefern müssen Sie zur Risikominimierung bei der Auswahl des Nachwuchses stärker auf den Charakter der Kandidaten achten?

Darauf haben wir schon immer besonders geachtet. Das Bankengeschäft ist und bleibt seriös. Momentan wird der Eindruck vermittelt, dass jeder, der einen Anstellungsvertrag bei einem Kreditinstitut hat, generell verdächtig ist, Mitauslöser der Finanzmarktkrise zu sein. Das ist aber im Bereich des Investmentbankings eine ganz kleine Gruppe von Menschen in ein paar Großbanken. Diese sollten sich Gedanken über ihre Sicherheitslücken machen. Normalerweise sind die vorhandenen Compliance-Programme aber ausreichend. Deshalb müssen nicht alle Banken generell stärker auf die Moral ihrer Angestellten achten. Da wir bei der Personalauswahl schon immer sehr sorgfältig vorgehen, hat das für uns keinen direkten Einfluss.

Die moderne Arbeitswelt ist geprägt von einem ständigen Wandel. Wird es demnach wichtiger für Personalmanager, Veränderungen und Unwägbarkeiten zu managen?

Auf jeden Fall. Die Intervalle von Veränderungen werden kürzer und deshalb müssen Personaler häufiger Überzeugungsarbeit leisten. Das ist eine Herausforderung für Branchen, die sehr lange über stabile Strukturen verfügten. Doch gerade das Bankenwesen hat sich schon auf diesen neuen Rhythmus der Arbeitswelt eingestellt. In vielen Banken laufen permanent Veränderungsprozesse. Wenn das nicht funktionieren würde, könnten die Unternehmen gar nicht mehr wettbewerbsfähig sein.

Dafür müssen sie aber Sinnfragen der Mitarbeiter nach dem „Wieso, Weshalb, Warum“ beantworten können. Je besser das gelingt, umso leichter können Mitarbeiter die nötigen Veränderungen nachvollziehen. Damit lassen sich Risiken minimieren – wie beispielsweise, dass Beschäftigte den Wandel boykottieren.

Sind also die Risiken in der Arbeitswelt tatsächlich höher oder haben wir heute eigentlich mehr Sicherheiten als früher und sind nur risikoempfindlicher?

In der Unternehmenspolitik herrscht jedenfalls eine risikoscheue Haltung vor. Wir stellen eher selten die Dinge komplett in Frage, indem wir uns Gedanken darüber machen, wie etwas auch ganz anders funktionieren könnte. Meistens geht es darum, Fehler zu vermeiden. Das ist – insbesondere zum gegenwärtigen Zeitpunkt – nachvollziehbar und der Situation angemessen, bremst aber auch Veränderungsprozesse. Und obwohl angesichts dieses Risikobewusstseins unsere Systeme – auch im Bankenwesen – eher defensiver Natur sind, lässt sich letztendlich nicht jedes Risiko permanent ausschließen.

Interview: Stefanie Hornung