Ob Megadeal oder scheinbar handliche Kleinakquisition: Das Thema Personal ist ein Schlüssel zum M&A-Erfolg. Das bedeutet, dass Personal-Know-how bereits vor der eigentlichen Kaufentscheidung in das Projektmanagement eingebunden werden muss. Personalexperten können – Handlungs- und Prozesskompetenz vorausgesetzt – dann aktiv an der Formulierung beziehungsweise Revision von Akquisitionszielen und Vertragsinhalten mitwirken. Dabei ist die Due Diligence von entscheidender Bedeutung, da sie zwischen strategischen Entscheidungsprozessen und Integrationsmanagement steht. Während der Due Diligence müssen Informationen über das Zielunternehmen vor dem Hintergrund der Akquisitionsziele bewertet werden. Dass die hohe Bedeutung der Due Diligence für ein professionelles HRM in der Unternehmenspraxis grundsätzlich erkannt wurde, zeigt die hohe Verbreitung von HR-Analysen. So zeigten Wolfgang Berens und Joachim Strauch in einer Studie für den deutschsprachigen Raum aus dem Jahr 2002, dass in mehr als 71 Prozent der von ihnen erfassten Due-Diligence-Analysen auch HR-Due-Diligence-Analysen erstellt wurden. Ähnliche Werte für Deutschland nennen auch Kai-Uwe Marten und Annette Köhler (1999). Es lohnt sich also, sich als Personaler mit den zentralen Aufgaben und Hürden einer HR Due Diligence auseinanderzusetzen.

person stepping down on brown wooden stairs aerial photography
Foto von Raphael Koh

Begriff und Hauptaufgabe

Der Begriff Due Diligence bedeutet „mit gebührender Sorgfalt“. Er entstammt nicht der M&A-Praxis, sondern beschreibt einen im US-amerikanischen Kapitalmarkt- und Anlegerschutzrecht einzuhaltenden Sorgfalts- und Verhaltensmaßstab. Heute bezeichnet er vor allem Maßnahmen der Analyse und Begrenzung von Risiken bei M&A vor Vertragsabschluss.

Ziel der Due Diligence ist es, erfolgskritische Eigenschaften des Zielunternehmens zu analysieren und so bestehende Informationsasymmetrien zwischen den Vertragspartnern zu überwinden. Der Käufer sieht sich mit einer doppelten Unsicherheit konfrontiert: Er kennt weder den Status quo noch die zukünftige Entwicklung beziehungsweise die Erfolgspotenziale des Zielunternehmens. Zukünftige Chancen und Risiken lassen sich in einer Due Diligence nur insoweit abschätzen als das Datenmaterial zum Kaufzeitpunkt Zukunftsszenarien zulässt. Das Human Resource Management muss sich im Rahmen einer strategieorientierten HR Due Diligence vier zentralen Herausforderungen stellen.

Herausforderung 1: HR frühzeitig in den Akquisitionsprozess einbinden

Ausgangspunkt einer strategieorientierten HR Due Diligence sind die Akquisitionsziele des Käufers. Diese können einerseits als Rahmen für die HR Due Diligence verstanden werden. Andererseits ist es Aufgabe der Due Diligence, Informationen und Analysen bereitzustellen, die Auskunft darüber geben, wie sich diese Ziele realisieren lassen.

Nur wenn das Käuferunternehmen sein Personalmanagement in die Planungsprozesse einbindet, die der Due Diligence vorgelagert sind, kann es differenziert herausarbeiten, welche strategische Bedeutung die Mitarbeiter des Zielunternehmens haben. Dabei sind sowohl die strategischen Ziele auf der Akquisitionsebene wie auch auf der Integrationsebene von zentraler Bedeutung. Die Dealstruktur hat ebenfalls Auswirkungen auf personalwirtschaftliche Fragestellungen – vor allem im europäischen Kontext.

Die Akquisitionsstrategie definiert das Hauptziel der Transaktion. Für das HRM stellt sich vor allem die Frage nach der Bedeutung der Mitarbeiter des Zielunternehmens für den Akquisitionserfolg. Diese Erfolgsrelevanz ist nicht immer gleich. Eine wissensorientierte Akquisitionsstrategie zielt beispielsweise darauf ab, den langfristigen Transfer von Wissen aus dem Zielunternehmen zu sichern. Bei einer Restrukturierungsstrategie steht die Reorganisation des Zielunternehmens im Mittelpunkt und den Mitarbeitern kommt somit eine andere Rolle zu. Die Integrationsstrategie ist gerade für das HRM zentral. Die Bewertung potenzieller Integrationsrisiken ist eine wichtige Aufgabe der HR Due Diligence. Sie ist nur dann möglich, wenn der Käufer sich über die Integrationsziele im Klaren ist, was eine Zielrevision im Zuge der HR Due Diligence nicht ausschließt. Akquisitionsstrategien sind mit unterschiedlichen Integrationsgraden kombinierbar. Der Transfer von Wissen und die Restrukturierung des Zielunternehmens können innerhalb der Integrationspole einer autonomen Fortführung und einer vollständigen Absorption erfolgen. Welche Risiken die jeweilige Integrationsstrategie mit sich bringt und welche Maßnahmen erforderlich sind, um Risiken vorzubeugen, sollte das Käuferunternehmen deshalb in der vorvertraglichen Due Diligence beschreiben.

Mehrere strategische Szenarien können bei Unternehmensakquisitionen gleichzeitig auftreten. Gerade bei der Akquisition größerer Zielunternehmen spielen unterschiedliche Strategieszenarien eine Rolle. So können bestimmte Regionen, Business Units oder Funktionsbereiche des Zielunternehmens enger mit dem Käufer vernetzt werden als andere. Die klare Definition und Abstimmung teilspezifischer Akquisitions- und Integrationsstrategien ist für den Akquisitionserfolg von hoher Bedeutung, da nur so eine zielgerichtete Bewertung, Integration und Erfolgskontrolle der Akquisitionsziele erfolgen kann.

Herausforderung 2: Ressourcen und Kompetenzen bereitstellen

Die Durchführung einer HR Due Diligence setzt den Aufbau sowohl von Prozess- als auch von Fachkompetenz auf Seiten des Käufer-HRM voraus. Für die Prüfung muss das Käuferunternehmen ausreichend personelle beziehungsweise zeitliche Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Größe und Zusammensetzung des HR-Due-Diligence-Teams hängt auch davon ab, wie groß und international ausgerichtet das Zielunternehmen ist. Wenn das Käuferunternehmen auf Wissenstransfer setzt, benötigt das HR-Due-Diligence-Team andere Kompetenzen als bei der Analyse von Reorganisationsszenarien. Stehen Reorganisationskosten im Mittelpunkt der Analysen, legt dies zum Beispiel einen stärkeren Einsatz arbeitsrechtlich geschulter Personalexperten nahe. Zielt die HR Due Diligence darauf ab, Wissensträger zu ermitteln und zu binden, sollten Experten für Retention oder Performance Management zum Team gehören.

Herausforderung 3: Analyseinhalte strategisch fokussieren

Sind die strategischen Ziele der Akquisition definiert und die Kompetenzen verteilt, muss das HR-Team in einem dritten Schritt die strategiespezifischen Prüfschwerpunkte festlegen. Das Team muss jene erfolgsrelevanten Prüfinhalte definieren, deren Analyse zeitliche, personelle und informatorische Priorität hat. Die Prüfung zu fokussieren ist vor allem mit Blick auf zeitliche und informatorische Restriktionen im Due Diligence-Prozess wichtig.

In der Dissertation „Strategieorientierte HR Due Diligence“ hat der Autor dieses Beitrags sieben nationale und internationale HR-Due-Diligence-Prozesse der Industrie und des Dienstleistungssektors untersucht. Die Fälle zeigen, dass die Käuferunternehmen sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext regelmäßig ein integratives Prüfkonzept verfolgen, das personalwirtschaftliche, unternehmenskulturelle und arbeitsrechtliche Aspekte zu verbinden versucht. Strategieunabhängige Themen, die in den Fallstudien fast immer geprüft wurden, sind im Wesentlichen die Fortführung der Personalbetreuung, die Identifikation von Schlüsselpersonal und die Bewertung monetärer Kostenrisiken vor allem der betrieblichen Altersversorgung.

Darüber hinaus erfasst die Untersuchung strategiespezifische Prüfschwerpunkte, die beispielhaft am strategischen Szenario „Wissenstransfer und hoher Integrationsgrad“ erläutert werden sollen. Verfolgt der Käufer die Akquisitionsstrategie des Wissenstransfers, sind die Erfahrung und das Wissen der Belegschaft des Zielunternehmens insgesamt für den Akquisitionserfolg von hoher Bedeutung. Hauptrisikofaktor ist der Wissensverlust durch Personalfluktuation. Bleibe- oder Wechselentscheidungen werden hauptsächlich von der Zukunftserwartung der Mitarbeiter des Zielunternehmens beeinflusst. Hauptaufgabe der HR Due Diligence ist es deshalb, frühzeitig potenzielle Ursachen für eine Abwanderung von Mitarbeitern zu erkennen, Möglichkeiten der Kompensation zu prüfen und auch finanziell im Rahmen der Akquisitionsplanung zu berücksichtigen.

Kombiniert ein Unternehmen die Akquisitionsstrategie des Wissenstransfers mit einem hohen Integrationsgrad, muss es vor allem prüfen, inwieweit sich die Arbeitsbedingungen harmonisieren lassen und ob die HR-Systeme des Käuferunternehmens die Mitarbeiter des Zielunternehmens schlechter stellen.

Eine herausragende Rolle spielen dabei die Instrumente der Personalentwicklung und des Entgelts. Das HR-Team muss erfassen, wie hoch das qualitative Anspruchsniveaus der Mitarbeiter ist, zum Beispiel bezogen auf die Karriereplanung. Aber auch das Entgeltsystem prägt monetäre Erwartungen. Eine Schlechterstellungsanalyse beschreibt die kollektiven und einzelvertraglichen Vereinbarungen sowie die Ausgestaltung der HR-Instrumente. Eine enge Vernetzung stellt auch einen starken Eingriff in die bestehende Kultur des Zielunternehmens dar. Unterschiedliche Unternehmenskulturen sind deshalb vor allem in diesem Szenario ein Risikofaktor. Die erfolgsrelevanten HR-Risiken hängen somit von der strategischen Ausrichtung ab und bestehen nicht in einem pauschalen Abhaken von Prüfinhalten beziehungsweise Checklisten.

Herausforderung 4: Informationsmanagement

In der Praxis haben sich bestimmte Spielregeln herausgebildet, die eine kritische Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen einer HR Due Diligence nahe legen. So gibt der Verkäufer beziehungsweise die Institution, die er vertritt, sowohl Informationsquellen als auch Regeln der Informationsverarbeitung vor.

Grundsätzlich gilt: Je qualitativer die Untersuchungsinhalte, desto stärker behindern diese Regeln der vorvertraglichen Due Diligence eine realistische Beurteilung des Zielunternehmens. Besonders gilt dies für vorvertragliche unternehmenskulturelle Analysen. Die Informationslage hängt insgesamt von der Verhandlungsmacht des Käufers beziehungsweise vom Vertrauensverhältnis zwischen Käufer und Zielunternehmen ab.

Vor diesem Hintergrund hat das Human Resource Management verschiedene Handlungsoptionen:

  • Informationen beim Zielunternehmen anfordern.
  • Ein Vertrauensverhältnis zu HR-Experten und Projektleitern des Zielunternehmens aufbauen (über das eigene Kommunikationsverhalten).
  • Die lückenhafte Informationslage im Due-Diligence-Bericht darstellen.

Eine sehr häufig genutzte Informationsquelle ist der so genannte Datenraum: Das Zielunternehmen stellt dem Käufer die Dokumente für die Due Diligence räumlich beziehungsweise virtuell zusammengefasst zur Verfügung. Je qualitativer die Analyseschwerpunkte der HR Due Diligence sind, desto schwieriger ist es, mit Hilfe der Unterlagen des Datenraums verlässliche Ergebnisse zu erzielen.

Flankierend kann das HR-Team qualitative Aussagen über das Zielunternehmen in Expertengesprächen hinterfragen und mitden Betroffenen diskutieren. Doch auch deren Informationsgehalt ist begrenzt, so dass sich informatorische Unsicherheiten lediglich minimieren lassen. Insgesamt ist der aktive Umgang mit dem Thema Information in der HR Due Diligence von zentraler Bedeutung. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass HR-Experten selbstbewusst auf die Möglichkeiten und Grenzen einer Beurteilung des Zielunternehmens sowohl im eigenen Unternehmen als auch beim Verkäufer aufmerksam machen.

Schlüsselfragen
Strategische Einbindung

 

  • Welche Rolle spielen die Mitarbeiter des Zielunternehmens beim Erreichen der Akquisitionsziele?
  • Welches Wissen beziehungsweise welche Personen sind explizites Ziel der Akquisition?
  • Welche Integrationsstrategie verfolgt das Unternehmen?
Ressourcen und Kompetenzen
  • Liegt eine Ressourcenplanung für die geplante HR Due Diligence vor?
  • Ist die strategische Ausrichtung in ein erfolgskritisches Kompetenzprofil des HR-Teams übersetzt?
  • Wie wird die Zusammenarbeit mit den anderen Funktionsexperten trainiert und im Projektmanagement umgesetzt?
Prüfschwerpunkte
  • Wurden aus der strategischen Ausrichtung die zentralen Prüfinhalte abgeleitet?
  • Hat das Unternehmen die erfolgskritischen Prüfinhalte priorisiert?
  • Sind Verantwortlichkeiten für die Prüfschwerpunkte im HR-Team festgelegt?
  • Ist für die Bewertung einzelner Prüfschwerpunkte die Unterstützung anderer Funktionsexpertisen notwendig?
Informationsmanagement
  • Welche Informationen sind für die Bewertung der zentralen Prüfinhalte notwendig?
  • Wie verhält sich die tatsächliche Informationslage?
  • Lassen sich Informationslücken durch vertrauensbildende Maßnahmen oder Informationsanfragen schließen?
  • Ist die informatorische Zuverlässigkeit der Bewertung explizit im Prüfbericht beschrieben?

Fazit: Die beschriebenen Herausforderungen verdeutlichen, dass die Due Diligence eine Schlüsselstellung in einem Fusions- oder Übernahmeprozess einnimmt. Eine systematische Analyse des Zielunternehmens muss sich an den Zielen dieses Prozesses ausrichten und darf nicht als ein Abhaken von Prüflisten verstanden werden. Unternehmen sollten ihr Human Resource Management in die strategische Akquisitionsplanung mit einbinden und ein HR-Due-Diligence-Team zusammenstellen, dessen Kompetenzen sich an den Zielen der Akquisition orientieren. Das Team muss die erfolgskritischen Prüfschwerpunkte definieren und bewerten, um anschließend alle verfügbaren Informationen zu steuern und auf ihre Aussagefähigkeit hin zu bewerten. Die HR Due Diligence bietet so dem HRM die Chance, einen aktiven Beitrag zum Akquisitionserfolg zu leisten und seine Fokussierung auf nachgelagerte, operative Fragestellungen bei M&A zu überwinden.

Literaturtipps:

 

Strategieorientierte HR Due Diligence.

Von Markus Faller. Eul Verlag 2006.

Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen – eine empirische Untersuchung.

Von Wolfgang Berens und Joachim Strauch, in: Die Wirtschaftsprüfung,

55 (2002), Heft 10, 511–525.

Due Diligence in Deutschland – eine empirische Untersuchung.

Von Kai-Uwe Marten und Annette Köhler,

in: Finanz Betrieb,

1 (1999), Heft 11, 337–348.

Quelle: personal manager 4/2006