Die Change-Formel: Strukturierungshilfen für Veränderungen

man operating laptop on top of table
Foto von Bench Accounting

Energie entsteht immer durch Spannung. Veränderungsenergie, wie sie T-Mobile Austria in seinem Projekt benötigte, entsteht, wenn ein Spannungsbogen zwischen drei Faktoren entsteht:

  • einer von Schlüsselkräften getragenen Einsicht in die aktuelle Problemlage, die eine Veränderung erforderlich macht,
  • einer gemeinsamen positiven Zukunftsvision und
  • einer Idee, wie die ersten Schritte in diese Zukunft aussehen könnten.

Das Beratungsunternehmen Dannemiller Tyson Associates hat diese Idee auf eine einfache Formel gebracht, die T-Mobile Austria im gesamten Veränderungsprozess geleitet hat:

D x V x F > R

D = Dissatisfaction & Driver: eine gemeinsam empfundene Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation beziehungsweise eine starke, positiv treibende Kraft,

multipliziert mit

V = Vision: einer gemeinsamen, attraktiven Vision, einem Zukunftsbild, das Orientierung und Kraft gibt,

multipliziert mit

F = First Steps: Vorstellungen der ersten Umsetzungsschritte, die zeigen, dass die Vision realisierbar ist.

Diese drei Faktoren müssen größer sein als

R = Resistance: der (natürliche) Widerstand gegen die Veränderung. Diesen Widerstand sollten Unternehmen während des gesamten Prozesses ernst nehmen und versuchen, ihn in positive Energie umzuwandeln.

Das trickreiche an dieser Formel ist, dass alle Faktoren positiv besetzt sein müssen. Gerät nur eine Kennzahl in den negativen Bereich, bricht das ganze Gebilde zusammen. Es reicht zum Beispiel nicht, eine attraktive Vision zu vermitteln und Mitarbeiter zu überzeugen, dass Veränderung notwendig ist. Wenn das Unternehmen nicht zugleich einen Weg beschreibt, der die Zuversicht erzeugt, dass diese Vision auch erreichbar ist, wird die Veränderung scheitern. Das HR-Management von T-Mobile Austria bemühte sich daher in seinem Veränderungsprojekt, alle vier Faktoren von Anfang an im Blick zu halten.

Dissatisfaction/Treiber

Im Jahr 2007 fällte der österreichische Mobilfunkanbieter die Entscheidung, das Konzept des HR-Business-Partners in voller Konsequenz umzusetzen. Was waren die Triebfedern für diese Umstellung? Befragungen hatten gezeigt, dass die Führungskräfte mit den Leistungen von HR nicht zufrieden waren. Eine Onlineerhebung, angereichert mit qualitativen Interviews, zeichnete folgendes Bild:

  • Die Führungskräfte nahmen HR hauptsächlich als Supportfunktion wahr, also als Dienstleister im engeren Sinn. Die Leistungen und die Verantwortlichkeiten des Human Resource Managements waren für den Kunden nicht ausreichend transparent.
  • HR sollte aus Sicht der Befragten näher an die Fachabteilungen rücken, um deren Geschäft besser zu verstehen und stärker in eine proaktive Rolle zu schlüpfen.

Außerdem hatte der Konzern bereits das Ziel formuliert, die gesamte internationale HROrganisation mit dem Konzept des HR-Business- Partners näher an die Fachabteilungen zu führen. Über die Rolle als interner Dienstleister hinaus sollte sich HR als strategischer Partner für Führungskräfte positionieren. Beide Kräfte – sowohl das kritische Feedback als auch die Überzeugung, mit dem Business- Partner-Modell eine passende Antwort gefunden zu haben – führten zur Entscheidung, die HR-Organisation in Österreich auf die neue Struktur umzustellen.

Vision

Jede tief greifende Veränderung setzt ein tragfähiges Konzept voraus, auf dessen Basis Unternehmen eine Vision und weitere Schritte aufbauen können. Bei T-Mobile Austria hieß das Leitbild „Business-Partner“. Dieser Begriff hat verschiedene Facetten: Er beschreibt eine Haltung, ein Konzept und eine Organisationsform.

Business-Partner als Haltung

Als Business-Partner beschränken sich Personalisten nicht mehr darauf, Zeit- oder Gehaltssysteme zu optimieren, sondern diskutieren bei strategischen Entscheidungen über Produkte, Standorte oder Kunden mit. Sie müssen den Willen entwickeln, mit dem Management über wesentliche Unternehmensfragen in den Sparring zu gehen. Dafür müssen sie die Organisation, deren Geschäft und Ablaufprozesse kennen.

Mit diesem Anspruch entwickelte das HRFührungsteam von T-Mobile Austria eine inhaltliche Vision und ein Mission-Statement. Kernstück dieses Leitbildes ist das Bekenntnis, aus der reinen Dienstleisterrolle gegenüber Führungskräften der Linie herauszutreten und aktiv Verantwortung für die Gestaltung des Unternehmens zu übernehmen. Deutlich stärker als bisher nahm HR damit den Kunden in den Blick: Der Beitrag der Personalarbeit sollte sich an dem Ziel messen, das Beste aus dem Unternehmen herauszuholen und Menschen zu befähigen, exzellenten Service zu leben.

Evolution der Personalfunktion

HR als Business- Partner HR ist Teil aller relevanten Managementteams. HR ist interner Experte und erster Ansprechpartner für Change-Management und für Fragen der Organisationssteuerung. HR wird als Treiber für Kultur, Strategie und Struktur wahrgenommen. HR ist – wie alle anderen Funktionen auch – Mitentscheider in allen Geschäftsfragen.
HR als Berater Personal ist Berater für das Management und Mitentscheider für Personalthemen. HR berät das Management in der Umsetzung und Kommunikation von Veränderungen.
HR als Moderator HR moderiert das Management/die Teams (Meetings, …). HR kommuniziert Veränderungen für das Management und setzt sie um. Personal ist Übersetzer zwischen Unternehmen und MA.
HR als Dienstleister Personal reagiert auf Anfragen und ist kundenorientiert. HR serviciert und berät im Rahmen der eigenen fachlichen Kernkompetenzen. HR stellt die technische Basis zur Verfügung.
HR als Administrator & Umsetzer HR administriert das Tagesgeschäft (Verrechnung, Zeitmanagement, Policies, Vergütung, …).

Evolution der Personalfunktion, TRAIN Consulting, 2005, frei nach Dave Ulrich.

Business-Partner als Konzept

Der Business-Partner-Ansatz, der auf Vordenker wie Dave Ulrich zurückgeht, entwickelte sich in den 1990er-Jahren in den USA. Er fußt zum einen auf der schon etwas älteren Idee einer konsequenten Kunden- und Business- Orientierung. So erhält der Kunde zumindest für die meisten personalrelevanten Fragen einen Ansprechpartner, der ihm als strategischer Partner zur Seite steht. Zum anderen basiert das Konzept auf der strategischen Überlegung, dass HR, um wirksam zu sein, näher an das Geschäft rücken sollte und ähnlich wie andere Funktionen, etwa Finanzen, Vertrieb oder Marketing, eine Gesamtverantwortung für den Unternehmenserfolg übernehmen muss. Letztlich geht es darum, den Einfluss des Human Resource Managements auf die Steuerung des Unternehmens zu erhöhen (Abbildung 1).

Aus der Praxis wissen wir, dass sich viele Unternehmen zwischen den Stufen „HR als Dienstleister“ und „HR als Berater“ befinden. Business-Partner-Status und damit einen „seat at the management table“, wie Dave Ulrich es nennt, haben nach wie vor nur wenige.

Business-Partner als Organisationsform („structure follows strategy“)

An die Stelle einer funktionalen HR-Struktur, die sich an Aufgaben wie Personalverrechnung oder -entwicklung orientiert, tritt im Business-Partner-Ansatz eine kundenorientierte Servicestruktur über strategische Partner, sogenannte HR-Generalisten. Die Einführung dieser Struktur bringt in den meisten Unternehmen eine 90-Grad-Drehung der Organisation mit sich. Die wesentlichen Kontaktpunkte mit internen und externen Kunden verlagern sich an die „Außenseite von HR“ – also auf einige wenige Ansprechpartner –, sodass die internen Prozesse der Personalabteilung für den Kunden kaum sichtbar sind.

Der wesentliche Nachteil dieses Konzepts ist, dass es vor allem zu Beginn einen hohen Kommunikationsaufwand innerhalb und außerhalb der HR-Funktion mit sich bringt. Und noch etwas sei gleich allen „Sanierern“ gesagt: Das Business-Partner- Modell ist kein Konzept, das sich dazu eignet, HR-Personal einzusparen.

Die HR-Struktur von T-Mobile Austria gliederte sich vor dem Veränderungsprojekt klassisch funktional in die Abteilungen „Personnel Management“ und „Human Resources Development“. Alle administrativen, konzeptionellen und servicierenden Aufgaben liefen in diesen beiden Abteilungen zusammen.

Die neue Organisation sollte den HRBusiness- Partner als „one face to the customer“ positionieren, der die zentrale Schnittstelle zu den Führungskräften bildet. In allen operativen Fragen stützt sich der Business Partner auf das HR-Service-Delivery- Center und verschiedene Competence- Center. Letztere stellen als Entwickler und Projektmanager Instrumente und Prozesse bereit, die der Business-Partner benötigt. Für die HR-Mitarbeiter brachten die neuen Funktionen einschneidende Veränderungen der Rollen und Aufgaben mit sich. Daher bestand eine zentrale Aufgabe des Einführungsprojektes darin, in Workshops und Großveranstaltungen neue Rollenprofile zu entwickeln und zu schärfen.

First Steps – Die Roadmap

Von Beginn an war klar: Eine 90-Grad-Drehung der HR-Organisation muss einen starken Prozessfokus haben. Denn Prozesse sind das inhaltliche Rückgrat von Veränderungen. Sie legen fest, wer an welcher Stelle welche Aufgaben erledigt, wer welche Kompetenzen hat und wie die Zusammenarbeit funktioniert. Um sicherzustellen, dass die HR-Prozesse später reibungslos funktionieren, bezog T-Mobile Austria möglichst viele Mitarbeiter in die Planung ein. Das Unternehmen bildete sogenannte „Mikrokosmen“. Dabei handelt es sich um Teams, die mit Vertretern aller Ebenen und Bereiche der HR-Organisation besetzt waren und möglichst viele verschiedene Perspektiven auf sich vereinten. Neben den Treffen der Mikrokosmen fanden an neuralgischen Punkten im Projektablauf Großgruppenveranstaltungen mit allen HR-Mitarbeitern statt.

Den Start des Veränderungsprojekts bildeten mehrere Workshops mit dem HR-Führungskräfteteam. Auf Basis der Kundenzufriedenheitsanalyse entwickelten die Führungskräfte eine neue Zukunftsvision und HR-Mission. Sie beschrieben ein gemeinsames Serviceverständnis, entwickelten die neue HR-Organisationsstruktur nach der Business-Partner-Logik und verabschiedeten einen Umsetzungsplan.

HR-Struktur bei T-Mobile Austria

Einen ersten Meilenstein setzte die Kick-off-Konferenz mit allen HR-Mitarbeitern. Auf dieser Veranstaltung stellten die Führungskräfte das neue Serviceverständnis zur Diskussion, um das Feedback der Mitarbeiter einzuholen und einen gemeinsamen Orientierungsrahmen für die Neupositionierung von HR zu verabschieden. Außerdem präsentierte das Führungsteam die neue Organisationsstruktur und forderte die Mitarbeiter auf, sich auf die neuen Business-Partner-Positionen zu bewerben. Die Personalentscheidungen traf die HR-Geschäftsleiterin mit ihren Ressortkollegen nach einem dreiwöchigen Bewerbungsprozess mit abschließenden Assessment Centern. Essenziell war, dass Vertreter der Geschäftsleitung als Assessoren an den Assessment- Centern teilnahmen, um die Akzeptanz der neuen Business-Partner zu stärken.

Auf der Kick-off-Konferenz erklärten die Führungskräfte zudem die Roadmap des Veränderungsprojekts und bildeten die bereits erwähnten Mikrokosmen. Diese erhielten den Auftrag, die neuen HR-Kernprozesse zu gestalten. In den darauffolgenden Monaten publizierten die Teams ihre Ergebnisse in einer öffentlichen Postergalerie und luden so zur Diskussion ein.

Rollenprofile bei T-Mobile

  • HR-Generalisten
  • Berater und Betreuer der Führungskräfte
  • Single Point of Contact & First Level Support
  • Kundenbetreuer/-berater
  • „Ohr“ am Unternehmen
  • Leaders‘ Coaches
  • Anwender und Verkäufer von HR-Produkten
  • Erwartungsmanagement
  • Beziehungsmanagement
  • „Service Maniacs“
  • HR-Spezialisten
  • Berater und Betreuer der Business-Partner
  • Second Level Support
  • „Ohr“ am Markt – „Ohr“ am Konzernverbund
  • Markt-/Trendforscher
  • Entwickler/Impulsgeber für Innovationen
  • Tool- & Data Center
  • Prozessgestalter
  • Richtlinienkompetenz
  • Projektmanager

HR-Rollen bei T-Mobile Austria

Nach der Konferenz und den Auswahlverfahren für die Business-Partner-Positionen begannen drei parallele Professionalisierungsprozesse:

1. Ein Wissenstransfer zwischen den neuen Business-Partnern und den Service- und Competence-Centern: Hier ging es vor allem darum, das Wissen der bereits bestehenden Service- und Competence-Center an die neuen Business-Partner weiterzugeben.

2. Ein Lehrgang für die Business-Partner mit dem Ziel, Beratungs- und Change-Management- Kompetenz aufzubauen.

3. Ein Supervisionsprogramm für HR-Führungskräfte und Business-Partner, das einmal im Monat stattfand und den Teilnehmern die Möglichkeit geben sollte, Erfahrungen aus der täglichen Praxis auszuwerten.

Bei einer zweiten HR-Konferenzrund acht Wochen nach der Auftaktveranstaltung trug die HR-Organisation die bis dato erarbeiteten Ergebnisse zusammen. Diese Konferenz bildete den Startschuss für das „Go Live“ der neuen Organisationsstruktur. Naturgemäß waren zu diesem Zeitpunkt noch viele Fragen nicht endgültig beantwortet. Die weiteren Themen wurden dann in den Wochen und Monaten danach sukzessive abgearbeitet.

Resistance – Herausforderungen und Learnings

Es gibt keine Veränderung ohne bewahrende oder kritische Kräfte. Bei T-Mobile Austria weckte die Umstellung auf die Rolle des Business- Partners als „one face to the customer“ vor allem bei den Mitarbeitern der Service- und Competence- Center die Befürchtung, dass sie ihre Kontakte zum Kunden verlieren. Sie erwarteten, auf eine reine Administrationsfunktion reduziert zu werden und in der Wertschätzung der internen Kunden zu sinken. Diese Befürchtung bestätigte sich jedoch nicht. Für die HR-Business- Partner erschlossen sich vor allem neue beratende Aufgaben, denen die Personalabteilung bislang nicht ausreichend gerecht werden konnte, wie beispielsweise die Begleitung von Veränderungsprozessen in den Fachbereichen.

Weitere Bedenken betrafen Effizienz und Qualität der HR-Arbeit. Einige HR-Spezialisten hatten kein Vertrauen in die Kompetenz der neuen Business-Partner, die nun quasi „über Nacht“ personalbezogene Fragen in ihrer gesamten Breite betreuen sollten. Gerade in der Anfangsphase war der Abstimmungsbedarf hoch. Umso wichtiger war es, rasch HR-Kernprozesse zu entwickeln – von Recruiting bis zur Beendigung von Dienstverhältnissen –, die heute dazu beitragen, dass die Personalfunktion einen großen Teil der Anfragen rasch und unbürokratisch beantworten kann. Für alle Fragen „außerhalb der Norm“ war es entscheidend, effiziente Kommunikationsstrukturen zwischen Business-Partnern und Spezialisten zu etablieren.

“Steps“ – Umstellung auf das HR-Business-Partner-Modell

Es galt, „ein Flugzeug im Flug umzubauen“ – also während des Tagesgeschäftes und unter hohem Zeitdruck. Ein nationales Restrukturierungsprogramm, das alle Bereiche des Unternehmens umfasste, platzte mitten in die Implementierungsphase und wurde damit zur ersten Bewährungsprobe ohne Netz. Die neuen HR-Business-Partner waren sofort absorbiert und gefordert, die Führungskräfte in der vollen Bandbreite der Personalthemen zu unterstützen – von der Planung der neuen Organisation über arbeitsrechtliche Fragen bis hin zu Fragen des Change-Managements. Beeinträchtigt war vor allem die HR-interne Abstimmung der neuen Prozesse und Aufgabenverteilungen. Es gelang in dieser Phase nicht, die Kommunikation wie gewünscht aufrechtzuerhalten. So schliefen die monatlichen Supervisionssitzungen ein, weshalb die HR-Verantwortlichen zwischenzeitlich stark improvisieren – und die Arbeit an den Prozessen nachträglich wieder intensiv aufnehmen mussten.

Resümee

Dass die Einführung des Business-Partner- Modells bei T-Mobile Austria trotz der erschwerten Bedingungen durch die Restrukturierung gelang, lag an folgenden Faktoren:

1. Die Abstimmung des Führungsteams untereinander war von Beginn an gut.

2. Das Unternehmen hat alle HR-Mitarbeiter einbezogen. Über die Arbeit in Konferenzen und Mikrokosmen sowie im intensiven Dialog stieg das Commitment mit der Zeit.

3. Die HR-Organisation hat die Kunden konsequent in den Mittelpunkt gestellt.

Für das Unternehmen und die HR-Abteilung hat sich die Projektarbeit ausgezahlt: Das Human Resource Management ist heute deutlich näher an das Business gerückt, was sich auch in den Befragungen der internen Kunden niederschlägt. Die Führungskräfte der Linie geben den Personalisten von T-Mobile Austria heute positive Rückmeldungen zur neuen Form der HR-Arbeit.

Literaturtipps:

Whole Scale Change – Unleashing the Magic in Organisations.

Von Margaret Wheatley von Dannemiller Tyson Associates. Mcgraw-Hill 2000.

Human Resource Champions: The Next Agenda for Adding Value and Delivering Results.

Von Dave Ulrich. Mcgraw-Hill 1996.

Quelle: personal manager 6/2008