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Foto von William Iven
Auch Hannes* muss da durch. Sein Unternehmen will – zumindest in der deklarierten Außensicht – den Anschluss nicht verlieren. Gehört hat er ja schon vom Zauberwort AGIL, das tolle Ergebnisse verspricht. Aus dem Geschäftsalltag ist es nicht mehr wegzudenken. Agil, agil? Gab es das nicht schon einmal vor vielen Jahren in der IT? Und der eine oder andere Projektleiter in der Firma hat den Begriff auch irgendwann einmal erwähnt. Und jetzt soll es plötzlich als großes Leitbild gelten und sich als Managementmethode etablieren? Agiles Management als Führungsprinzip? Ein Riesenthema! Allerdings bezweifelt Hannes, dass es jedem schmecken wird.
Zuerst wird die HR-Abteilung versuchsweise agil aufgestellt. Der Auftrag lautet wörtlich, dass sich die besagte HR-Abteilung als Pilotprojekt „agilisiert“. Hannes wird dieses Projekt schließlich auch in der Produktionsabteilung umsetzen und gehört damit zum SBC (Sounding Board Commitee), das der pilotierenden Abteilung rückmelden muss, wie die Agilisierung wirkt. Obwohl die Vorgabe klar ist: sie müssen es machen. Und der CEO auch schon gesagt hat, wie sie es tun müssen. Da gibt’s in der Tat wenig zu „sounden“, aber Prozess ist Prozess. Man „soundet“ einfach so lange, bis es dem Chef passt.
Nicht, dass sich Hannes unnütz vorkommt, immerhin hat er eine politisch bestätigende Funktion inne. Im Versteckten aber schwappt die Sinnfrage doch ein wenig hoch. Dafür bleibt indessen jetzt keine Zeit. Es gilt, den Prozess zu starten.
Die HR-Abteilung macht zum Auftakt einen Workshop. Unbestrittene Tatsache ist, dass „agil“ beweglich heißt. Unerklärlicherweise herrscht die Meinung vor, dass „agil“ gleichzeitig „nicht-mehr-durchdenken-sondern-einfach-mal-machen“ bedeutet.
Alles ist perfekt verordnet. Diese Arbeitsweise ist übrigens auch die verinnerlichte Haltung der HR-Leitung. „Gib vor, was die Leute zu tun haben, damit sie wissen, was und wie sie es tun sollen.“ Doch wie passt das zur neuen Agilität? Im Workshop wird darüber diskutiert: Agil heißt jetzt, nicht mehr alles zu sagen, was man meint, es dann umsetzen zu lassen, um es dann am Schluss trotzdem zu sanktionieren. Wieder ein anderer meint, dass es gar nicht möglich sei, dass HR agil sein könne. „Ist ja eh alles vorgegeben“. Der nächste wirft in die Runde: „Wir sind ein tolles Team und bereits jetzt total agil“. Die Stichworte landen im Boarding-Protokoll, das Hannes nun sounden muss.
Hannes überlegt, wie der Workshop und die Aussagen auf ihn wirken. Die Glaubwürdigkeitsfrage eines in sich nicht kongruenten Prozesses darf er nicht stellen. Er beschließt also, sich auf die Rückmeldung „wirkt professionell und sprachlich absolut verständlich“ zu beschränken. Gleichwohl liest Hannes Literatur zum Thema und beginnt sich die Frage zu stellen, ob wirklich alle alles verstanden haben.
Denn er selbst versteht die Welt nicht mehr. Er beginnt disruptiv zu denken, stellt den ganzen „jetzt-machen-wir-einfach-alles-agil-und-ändern-trotzdem-nichts“ in Frage und ist froh, dass agil grundsätzlich mit beweglich übersetzt wird. Ein agiles Zielbild heißt beispielsweise, dass man sich mal da und mal dort, oder vielleicht doch nicht einigt, welchen Nutzen der Kunde hat.
Irgendwie lässt ihn „agil“ nicht mehr los. Er beginnt sich selbst zu sounden und verliert völlig den inneren Halt, was nun tatsächlich gilt. JETZT ist Hannes wohl selbst im agilen Zeitalter angekommen … Schlagworte oder Zauberworte – manchmal weiß man das selbst nicht so recht, wenn wieder einmal davon die Rede ist, dass es bei der Digitalisierung an Vertrauen fehlt und die Industrie 4.0 verschlafen wird, dass Menschen einem agilen Management skeptisch gegenüberstehen und die disruptive Transformation von Mitarbeitern eher als Feind denn als Freund gesehen wird. Die digitale Vernetzung fordert uns auf, gerade in den wenigen persönlichen Gesprächen ständig präsent zu sein, sich auf den Moment zu konzentrieren und alle Antennen auszufahren, um zu spüren, was zwischen den Zeilen geschieht. Und zweitens, sich richtig zu artikulieren. Es gilt also, was man meint, auch unmissverständlich und ohne Verwirrung stiftende Umwege zu sagen. Eines wird in der ganzen Diskussion um New Work wohl oft übersehen: Dass es beim Thema Agilität und all den anderen, inzwischen manchmal nicht mehr so ganz wohlklingenden Begriffen einzig und allein um eines geht: Nein, nicht um Maschinen, nicht um Technik – es geht in erster Linie um Menschen. Und zwar um die Menschen, die heute weiterhin zusammenarbeiten sollen, ja müssen. Auch, wenn sich die Bedingungen bereits deutlich geändert haben und weiter drastisch ändern werden. Längst sind Organisationen nicht mehr hierarchisch geprägt. Angesagt sind Selbstverantwortung und Transparenz, Vertrauen und eine offene Fehlerkultur. Und, weil sie unseren Berufsalltag dahingehend prägt, vor allem eine gelungene Kommunikation. In agilen Zeiten geht alles etwas schneller – auch die Kommunikation. Die Gefahr ist groß, dass wir uns dadurch nicht mehr oder zumindest nicht so gut verstehen. Auch kleine Missverständnisse wirken sich oftmals verheerend aus. Oder es verstreicht wertvolle Zeit, die man anders hätte nutzen können. Umso wichtiger ist deshalb eine klare Kommunikation. In agilen Zeiten spielen im Geschäftsleben vor allem Aspekte wie Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit eine zentrale Rolle. Unsere Aufgabe ist es, Dinge, Gegebenheiten und Prozesse ständig zu hinterfragen und zu überprüfen, ob das alles noch passt. Agil bedeutet ebenso, Kunden und Mitarbeiter in die Produktentwicklung einzubeziehen, um einen ständigen Austausch von Feedback und sofortigen Lerntransfer zu erzeugen. Im täglichen Umgang funktioniert all das nur, wenn sich alle untereinander und miteinander abstimmen. Und dabei zeigt sich einmal mehr, wie wichtig im New Work die gute alte Kommunikation ist. Mehr Geschichten von und mit Hannes gibt es im Buch „Best Practice Leadershit. Absurde Wahrheiten aus den Chefetagen“ (ISBN: 978-3-86980-454-5) von Stefan Häseli. Der Autor und Business-Comedian gibt hier ein paar Impulse rund um die agile Kommunikation von Mensch zu Mensch: Stefan Häseli
Best Practice Leadershit
Absurde Wahrheiten aus den Chefetagen
184 Seiten, 19,95 Euro
ISBN: 978-3-86980-454-5
Verlag BusinessVillage Wer in einem disruptiven Projekt arbeitet, braucht keine neuen Kommunikationsformen. Ganz im Gegenteil: Es reicht, wenn er die Grundlagen der menschlichen Kommunikation anwendet. Genaues Zuhören ist elementar, denn nur dann wissen wir, was der andere will. Und nur dann wissen wir, was genau im Projekt geschieht.