Ein Gespenst geht um in der Personal-Szene. Sein Name: Google4Jobs. Viele sehen darin eine Bedrohung für Jobsuchmaschinen wie Indeed oder gar Stellenbörsen. Ist das so? Keine Frage: Das Angebot kann den Markt nachhaltig verändern. Aber am Ende bedeutet es auch eine Chance.
Google ist meist der Einstieg in das Internet. Klickt ein User den Browser an, öffnet dieser als erstes die Google-Suche und dann geht es los. Mühsam Internet-Adressen eintippen? Viel bequemer ist es, die Suchmaschine diesen Job erledigen zu lassen. Das gilt auch für die Stellensuche. Laut Google steigen 73 Prozent der Jobsuchenden mit einer Google-Suche ein. Online-Stellenbörsen wissen das und investieren auch in Suchmaschinenwerbung. Es war eine Frage der Zeit, wann Google diesen Markt angehen würde – und genau das ist inzwischen geschehen. Mit seinen Lösungen mischt der Suchmaschinen-Riese jedenfalls – direkt oder indirekt – den Markt auf.
Der erste Schritt: Die Cloud Jobs API
Die Lösung Cloud Jobs API hat Google 2016 vorgestellt. Diese sollte die Suchergebnisse bei der Jobsuche verbessern. Ob Karriereseite, Stellenbörse von Bewerber-Managementsystem oder Internet-Stellenbörse – über eine Schnittstelle verbinden sie sich mit der neuen Google-Lösung, die zum Ziel hat, die Jobsuche durch eine wichtige Verständnishilfe zu erleichtern. Die Lösung bietet folgende Features: Sie erweitert die konkrete Suchanfrage um Synonyme und Acronyme, ergänzt eine Ausschreibung um fehlende Informationen, sorgt für eine genaue Geo-Lokalisierung unabhängig von der Adress-Eingabe. Sie prüft jede Anzeige auf Aktualität, erweitert das Spektrum, falls eine Suche nicht hinreichend Ergebnisse ausspuckt und enthält nicht zuletzt einen Empfehlungsmechanismus. Ein selbstlernender Algorithmus sorgt dafür, dass sich diese Funktionen im Laufe der Zeit immer weiter verbessern, weil sie Muster erkennen und auf unbekannte Fälle übertragen.
Der zweite Schritt: Google Hire
Die E-Recruiting-Lösung ist auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen zugeschnitten und soll den Einstellungsprozess beschleunigen und das Erlebnis für Bewerber verbessern. Google Hire ist direkt mit anderen Bestandteilen der Google-Suite wie dem Kalender oder dem Mailsystem verbunden. Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht es, die Synchronisierung zwischen den verschiedenen Anwendungen zu erleichtern und zu beschleunigen. Sie soll auch die Bewerberauswahl optimieren, die Terminabsprache für Bewerbungsgespräche vereinfachen und die Kommunikation verbessern. Die Anwendung „Candidate Discovery“ unterstützt mit KI das Durchsuchen der Hire-Bewerber-Datenbank und erleichtert mit einer intelligenten Suche die Kandidatenauswahl.
Der dritte Schritt: Google4Jobs
Ein Produkt für die Jobsuchenden – mit großen Auswirkungen auf Stellenanzeigen und Jobbörsen. Im Prinzip ist es eine eigene Suche für offene Stellen, die allerdings über die allgemeine Google-Suche angegangen wird. Diese funktioniert ähnlich wie die Suche für andere Bereiche wie Flüge, Produkte, Bilder etc.. Ein Google-Bot durchforstet gewissermaßen das Web nach passenden Stellenanzeigen zu einer Suche. Über Partnerschaften mit anderen Anbietern wie Monster, LinkedIn, Glassdoor und weiteren, soll dieser Prozess vereinfacht werden. Eine Auswahl der Ergebnisse wird in einer eigenen Box auf der Google-Suchseite angezeigt. Jobsuchende können die Stellenanzeigen dann nach Rubriken wie Job-Titel, Branche oder auch nach Unternehmen filtern. Die Verknüpfung mit Google Maps und die Integration von Arbeitgeber-Bewertungen reichern das Ergebnis an. Zudem bietet die Darstellung bei Google eine Auswahl an verschiedenen Kontaktmöglichkeiten an. Das alles verbessert das Erlebnis für den Jobsuchenden.
Der vierte Schritt:
Die Cloud Talent Solution
Die Lösung mit dem schönen Namen Cloud Talent Solution fasst im Prinzip alle drei Schritte in einem Produkt zusammen. Das Ziel: Einerseits soll sich durch die neue Suche und die entsprechende Auswahl und Aufbereitung der Ergebnisse die Candidate Experience entscheidend verbessern. Für Jobsuchende wird es einfacher eine passende Stelle zu finden. Aber auch Recruiter sollen profitieren: Weil Jobsuchenden auch Stellenanzeigen ausgespielt werden, die ihrem Suchbegriff nicht voll entsprechen aber nahekommen, verbreitert sich die Sichtbarkeit. Andererseits könnten die Filter und Algorithmen zu einer besseren Qualität der Bewerber beitragen.
Aber warum Game Changer?
Die Gretchenfrage: Wie verändert Google den Markt? Wir haben dazu einen Experten zu Rate gezogen. Robindro Ullah, frisch gebackener Geschäftsführer von Trendence, veröffentlicht seit geraumer Zeit mit HR Tomorrow einen Trend-Newsletter für die Branche. Er sieht einige Aspekte, die sich durch Google4Jobs ändern könnten:
- Die Filter, die Google4Jobs den Jobsuchenden zur Verfügung stellt, können auf lange Sicht die Struktur von Stellenanzeigen bestimmen und einen neuen Standard setzen. Stellenanzeigen müssen bestimmte Information anbieten, um von Google gelistet zu werden, Design und Gestaltung werden unwichtiger.
- Grundsätzlich wird sich das Suchverhalten der Zielgruppe nicht verändern, aber die Erwartungen, weil sich die Candidate Journey extrem verkürzt, wenn schon nach der ersten Suchanfrage passende Jobangebote in der Trefferliste erscheinen.
- Unternehmen und Stellenbörsen sind gewissermaßen gezwungen, sich Google4Jobs zu öffnen und sich mit der Lösung zu verbinden. Eine Anzeige, die nicht in der Job-Box auf Google gelistet ist, hat weniger Chancen gefunden zu werden.
- Kreativität mit Blick auf Designs, aber auch mit Blick auf Namen und Begriffe wird zugunsten der Standardisierung gekillt: Namen wie „Prince of Darkness“ oder „Wollmilchsau“ haben schlechte Karten.
- Unternehmen müssen darauf achten, dass ihre Stellenanzeigen immer aktuell sind. Zudem sollten sie Bewertungsportale wie Glassdoor oder Kununu im Blick behalten. Und: Traditionelle Textbausteine für die Anzeigen sind weniger erfolgversprechend: Inhalt und Formulierung werden wichtiger.
- Für Recruiter wird die Anforderung komplexer, weil sie viele verschiedene Kanäle und Modelle im Blick behalten müssen. Bewerbersuche wird Daten-getriebener – und diese Daten muss jemand im Blick haben, Analysieren und seine Maßnahmen entsprechend aussteuern.
- Jobbörsen und Multi-Poster müssen in diesem Zuge eventuell ihre Preismodelle überdenken. Feste Paketpreise für Anzeigen sind in einer Google-Welt weniger erfolgversprechend als Cost-per-Click- oder Cost-per-Application-Modelle.
Noch haben die Anbieter in Deutschland Zeit: Der Roll-out ist zwar im Gange, aber nach Nordamerika waren zuerst UK, Afrika, Spanien und Südamerika dran. Für den deutschsprachigen Markt könnte es noch ein wenig dauern. Aber Auswirkungen von Google4Jobs oder Talent Solution sind dennoch schon bemerkbar: Schon fangen Jobbörsen an, die Gestaltung von Stellenanzeigen den Anforderungen anzupassen. Auf lange Sicht wird Google auch den Markt bei uns nachhaltig verändern. Aber diese Änderung muss nicht heißen, dass andere Jobsuchmaschinen oder Stellenbörsen weniger wichtig sind oder gar verschwinden. Wer sich anpasst, wird seine Rolle und seine Nische im Google-Kosmos finden.
Autor: Raoul Fischer