Dringend erforderlich ist eine offene Debatte über die Anforderung an Führungskräfte und mehr Transparenz bei der Besetzung von Führungspositionen.
Die spektakulären Fälle von Führungsfehlern aus der jüngsten Vergangenheit haben die Frage nach der Qualität von Führungskräften stärker in den Fokus gerückt. Der Stahlkonzern Thyssen-Krupp trennte sich nach Milliardenverlusten und Compliance-Verstößen gleich von seinem halben Vorstand. Die Führung der Deutschen Bahn musste einräumen, dass der Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofes weitere Milliarden verschlingen wird.
Deshalb muss sich die Aufmerksamkeit auf die häufigsten Fehler richten, die bei der Besetzung von Führungspositionen gemacht werden. So werden bevorzugt ausgewiesene Fachleute befördert, ohne ihre Führungstauglichkeit zu prüfen. Den Vorzug erhalten auch oft besonders durchsetzungsstarke Personen oder solche, die am längsten im Unternehmen sind. Die eigentlich erforderlichen Fähigkeiten wie soziale Kompetenz, Empathie oder die Fähigkeit zur Reflexion spielen dabei kaum eine Rolle. Eine Studie der Hochschule Osnabrück kommt gar zu dem Ergebnis, dass dieser Mechanismus umso stärker greift, je hochrangiger eine Führungsposition angesiedelt ist.
Schlechtes Führungsverhalten ist immer noch für den größten Teil der Unternehmen kein Anlass zur Trennung. Für die meisten zählt immer noch, dass das operative Ergebnis stimmt. Dagegen werden die Möglichkeiten für Führungskräfte, einmal innovative, neue und damit riskantere Wege zu gehen, systematisch beschnitten.
Wenn bisher gepflegte Rezepte versagen, wenn bisherige Werte und Verhaltensweisen keine nützlichen Perspektiven mehr bieten, wenn wir mit dem Gesicht vor einer Wand stehen, uns die Felle davonschwimmen, dann sind das in den meisten Fällen Indizien für die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels. Derartige Schübe für Veränderungen gibt es nicht nur in den sozialen Systemen und Organisationen sondern genauso in der biologischen Evolution. Die Organisationsprinzipien lösen sich dann aber nicht ab, sondern leben in einer Form von höheren Prinzipien fort. Genau dies ist der Ansatz auch für die Organisationsprinzipien im Unternehmen.
Voraussetzung für den Übergang von einem Wertesystem zum nächsten sind zum einen das Können und zum anderen das Wollen der Akteure. Sind die Akteure inhaltlich auf die Veränderung ausreichend vorbereitet? Wissen sie, was sie erwartet und können sie dieses Wissen in ihr Handeln integrieren? Können sie mit Hindernissen umgehen? Aber auch: Haben sie die Möglichkeiten der aktuellen Entwicklungsstufe ausgeschöpft?
Albert Einstein hat einmal gesagt: »Die Probleme, die es in der Welt gibt, können nicht mit den gleichen Denkweisen gelöst werden, die sie erzeugt haben.« Gemäß dieser Erkenntnis brauchen Unternehmen in Zeiten großer Veränderungen Manager und Mitarbeiter, die sich mental auf den Wandel einlassen und ihn zupackend bewältigen können und wollen. Das Gefühl, unsere Denkweisen seien schon in Ordnung, lässt die Fähigkeit verkümmern, Neues zu sehen und anzupacken.
Wir leben aber in einer Zeit, deren Umstände ein neues Denken erfordern. Wir brauchen dazu einen neuen Denkrahmen, der grundlegendes Verständnis der Wirklichkeit möglichst vollkommen und präzise beschreibt. Logisch-rationales Denken und das eingeschränkte Denken in Ursache-Wirkungs-Relationen können dieser Forderung immer weniger gerecht werden.
Gutes Management zeigt sich deshalb in einer lebendigen und mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur mit einer hohen Umgangsqualität. Diese achtet und wertschätzt Kollegen, Mitarbeiter, Partner und Kunden gleichermaßen. Alle Leistungen eines Unternehmens sind letztlich die Leistungen seiner Mitarbeiter. Sonstige Faktoren sind überall austauschbar. Die eigentliche Produktivitätsquelle im Wettbewerb ist und bleibt der Mensch. Die Aufgabe für das Management und die Personalentwicklung lautet deshalb, Mitarbeiter durch gezielte Innovationen zum strategischen Erfolgsfaktor für das Unternehmen zu entwickeln. Talent-Management wird zum wichtigsten Thema für die nächsten Jahre.
Konnte noch Henry Ford einmal die Frage stellen, warum an jedem Paar Hände, das er brauche, auch ein Gehirn hänge, so wägen wir uns heute weit davon entfernt. Aber leider ist die Bedeutung der Human Resources und der Unternehmenskultur in zu vielen Fällen nur in Führungsgrundsätzen und Hochglanzbroschüren herausgestellt. Ein konsequenter und bewusster Transfer in die Praxis oder die Umsetzung im Arbeitsalltag sucht man oft genug vergeblich. Gerade bei Reorganisationen und Fusionen können viele hautnah erleben, welche Bedeutung das von Henry Ford gering geschätzte Gehirn, also die »Denke« der Mitarbeiter und damit die mental-kulturellen Ausprägungen haben. Es kommt also entscheidend darauf an, was das Management aus dem jeweiligen Persönlichkeits- und Leistungsangebot des einzelnen Mitarbeiters zu machen imstande ist. Denn die Einstellungen und Fähigkeiten der Menschen müssen sich den ständig veränderten Anforderungen anpassen, in allen Bereichen und auf allen Ebenen.
Mangel an Klarheit und Kompetenz
Nach einer Untersuchung der Hochschule Coburg informiert jeder zweite Chef seine Mitarbeiter unzureichend über wichtige Vorgänge und schafft keine klaren Zuständigkeiten. Damit stehen wir vor einem weiteren Problem der gelebten Kultur im Unternehmen. Bei der Außendarstellung wird oft ein anderes Bild gezeichnet, um zum Beispiel auf dem schwieriger werdenden Bewerbermarkt punkten zu können. Der Alltag im Unternehmen sieht aber vielfach ganz anders aus.
Vor allem der Trend zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber hat in vielen Fällen schon hysterische Züge angenommen. Dies raube den Führungskräften wichtigen Gestaltungsspielraum. „Entscheidend für den Unternehmenserfolg sowie eine unterstützende Firmenkultur und damit schließlich auch die Entlohnung sind nicht das Duzen des Abteilungsleiters, der Wellness-Faktor in der Kantine oder die Frequentierung der CEO-Sprechstunde im Intranet, sondern glasklare Ziele und die konsequente Einhaltung vereinbarter Spielregeln. Deshalb ist eine offene Diskussion über die Führungs- und Umgangskultur in den Unternehmen dringend erforderlich. Führungsqualität muss in einer zukunftsweisenden Führungskultur messbar werden.
Die wichtigste Aufgabe für die Personalverantwortlichen ist es dabei, Mitarbeiter mit Führungstalent innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu identifizieren und dann auch zu fördern. Für ausgewiesene Fachleute müssten attraktive alternative Karrierewege entworfen werfen.
Buch: Abschied von der Top-Down-Kultur – Verantwortungsbewusst führen, besser miteinander umgehen. ISBN 978-3-8349-3186-3
Rückmeldungen und Kontakt: dr_lukas@t-online.de