„Frauen werden in der Arbeitswelt an Einfluss gewinnen, weil die Unternehmen bald nicht mehr auf sie verzichten können“, glaubt Elisabeth Zehetner, Bundesgeschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft „Frau in der Wirtschaft“ in der Wirtschaftskammer Wien. Den Prognosen der Wirtschaftskammer zufolge werden dem österreichischen Arbeitmarkt schon im Jahr 2010 rund 300.000 Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen als heute.
Diesen Trend bestätigt auch eine Blitzumfrage der Industriellenvereinigung unter 970 Unternehmen. 82 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass der Bedarf an Fachkräften in den kommenden zwei bis fünf Jahren steigen wird. Diesen Bedarf, hoffen die Experen, könnten weibliche Arbeitkräfte zumindest teilweise decken. „Das Arbeitspotenzial der qualifizierten Männer ist bereits ausgeschöpft, jetzt sind die Frauen gefragt“, sagt Zehetner.
Hoher Frauenanteil zahlt sich aus
Dass sich ein hoher Frauenanteil im Unternehmen auch wirtschaftlich auszahlt, legt eine heuer vorgelegte Studie des US-Forschungsinstituts Catalyst nahe. Das Non-Profit-Institut zur Förderung von Frauen in der Wirtschaft befragte 353 der 500 größten Unternehmen Amerikas. Im Beobachtungszeitraum 1996 bis 2000 erzielten die Konzerne mit dem größten Anteil von Frauen im Management eine um 35 Prozent höhere Eigenkapitalrendite und einen um 34 Prozent höheren Return on Shareholder (TRS) als Firmen mit einer rein männlich besetzten Führungsetage.
Auch innerhalb der einzelnen Branchen war die Performance von Unternehmen mit Frauen in Spitzenpositionen besonders hoch. Gemischte Führungsteams seien in der Regel produktiver und innovativer als homogene, begründen die Autoren der Studie ihre Ergebnisse.
Weibliche Managerinnen könnten zudem besser auf die Bedürfnisse der weiblichen Kundschaft eingehen, betont Susanne Wegscheider, Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur com_unit: „Viele Unternehmen haben erkannt, dass sie von gemischten Teams stark profitieren.“ Gelebte Vielfalt verbessere außerdem das Firmenimage. Unternehmen, die Diversity fördern und dies glaubwürdig kommunizierten, könnten bei ihren Kundinnen punkten.
Von produktiver Vielfalt sind viele österreichische Chefetagen jedoch noch weit entfernt. Zwar beweisen Top-Managerinnen wie Monika Eder-Lindner (ORF-Generaldirektorin), Regina Prehofer (Vorstand BA-CA) oder Brigitte Ederer (Vorstand Siemens AG), dass Frauen inzwischen Führungsverantwortung übernehmen. Doch insgesamt beträgt der Frauenanteil in Vorstand und Topmanagement nach wie vor nur sieben Prozent, wie eine aktuelle Studie des European Professional Women’s Network (EWPN) zeigt. Im europäischen Vergleich liegt Österreich damit – ebenso wie Deutschland und die Schweiz – damit im unteren Mittelfeld.
Weiblicher Nachwuchs fehlt
Dabei sind Frauen heute so gut ausgebildet wie nie zuvor. Sie stellen mehr als die Hälfte der Maturanten und Hochschulabsolventen. Außerdem studieren sie durchschnittlich schneller als ihre männlichen Kommilitonen. Dennoch klagen viele Personalchefs, dass der qualifizierte weibliche Nachwuchs für Fach- und Führungspositionen fehle. (siehe S. 19). Sabine Gölzner, Senior Consultant bei der Personalberatung IVENTA, kennt das Problem: „Viele meiner Kunden würden gerne mehr Frauen einstellen, sie finden aber keine geeigneten Kandidatinnen.“
Der Grund: Die meisten Frauen wählen Ausbildungs- und Studiengänge, die an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbeigehen. Vor allem in den technischen-naturwissenschaftlichen Ausbildungsgängen sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Das bestätigt eine aktuelle Studie der Industriellenvereinigung. Danach waren im Jahr 2003 nur 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler an den technisch-gewerblichen Schulen in Österreich weiblich. Im Gegensatz dazu liegt der Mädchenanteil an den sozialberuflichen Schulen bei 93 Prozent, an den Schulen für wirtschaftliche Berufe beträgt er knapp 90 Prozent.
An den Hochschulen ergibt sich ein ähnliches Bild: Den größten Frauenanteil von 77 Prozent weisen die geisteswissenschaftlichen Studiengänge auf. Auch in den Naturwissenschaften legen Frauen 61 Prozent der Erstabschlüsse ab, darunter sind allerdings zahlreiche Lehramtsstudentinnen, die in den Staatsdienst streben. In den technischen Studiengängen bleibt die Frauenquote mit weniger als einem Viertel weiblicher Absolventinnen beharrlich niedrig: In der Informatik liegt sie bei 9,3, in der technischen Physik bei 13,5 Prozent. Extrem niedrig sind die Absolventinnenzahlen nach wie vor in den Fachbereichen Maschinenbau (3 Prozent) und Elektrotechnik (4 Prozent).
Dabei wird technisches Know-how in der Wissensgesellschaft immer wichtiger. „Technische Kenntnisse in Verbindung mit betriebswirtschaftlichem Wissen sind sehr gefragt“, bestätigt Beraterin Gölzner. Technisch-naturwissenschaftliche Fachkräfte treiben Forschung und Entwicklung voran und sichern damit die Wettbewerbsfähigkeit. Hierzulande ist der Pool der Ingenieure und Naturwissenschaftler jedoch kleiner als in den europäischen Nachbarländern: Sie stellten im Jahr 2002 lediglich 2,2 Prozent der Erwerbstätigen. In den EU-15 lag der Anteil laut Eurostat bei fünf Prozent.
Um die Lücke zu schließen, werben Wirtschaft und Politik bereits verstärkt um die jungen Frauen. Zurzeit sind knapp ein Drittel der beschäftigten Naturwissenschaftler und Ingenieure in Österreich weiblich. Initiativen wie „Die Industrie wird weiblich“ (Industriellenvereinigung), „Frauen in die Technik“, „Mädchen in die Technik“ (BMBWK) oder der Girl’s Day sollen den Anteil deutlich erhöhen.
Die Karenzfalle
Doch der einmal gewonnen Nachwuchs geht vielen Unternehmen bereits nach einigen Jahren verloren. Jede zweite österreichische Mutter bleibt nach der Karenz zu Hause. Lediglich ein Viertel kehrt in den ursprünglichen Job zurück. Ein weiteres Viertel steigt zwar wieder in den Beruf ein, arbeitet jedoch Teilzeit oder als geringfügig Beschäftigte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit) vom November 2003.
Österreich fördere den Berufsausstieg von Frauen, lautete das alarmierende Fazit von Studienleiter Christoph Prinz. Die Regierung investiere zwar vergleichsweise viel Geld in die Familienförderung und senke damit das Armutsrisiko, schaffe jedoch andererseits große Anreize für einen der beiden Elternteile, zu Hause zu bleiben. Insbesondere die Vollzeitbetreuung von Kindern werde über mehrere Jahre hinweg stark unterstützt. Wenn nur ein Elternteil arbeite, erhalte die Familie wesentlich mehr Leistungen als in anderen OECD-Staaten. Der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen trage zusätzlich dazu bei, dass viele Frauen längerfristig aus dem Beruf aussteigen. Laut Statistik Austria wünschen sich Österreichs Eltern rund 90.000 zusätzliche Betreuungsplätze.
Nach wie vor gehen normalerweise die Frauen in Karenz. Zwar haben Väter seit 1990 grundsätzlich die Möglichkeit, eine Familienpause einzulegen. Doch lediglich 2,3 Prozent der Väter nutzen dieses Angebot (Stand: 2003). Die meisten Väter, aber nur ein Drittel aller österreichischen Mütter mit Kindern im Alter unter drei Jahren arbeiten.
Gehaltsschere klafft auseinander<
„Die Geschlechtersegmentierung auf dem Arbeitsmarkt ist extrem hoch“, urteilt WIFO-Expertin Gudrun Biffl. Zwar ist die Frauenerwerbsquote zwischen 1981 und 2004 von 54 auf rund 63 Prozent geklettert. Allerdings arbeiten 35 Prozent der erwerbstätigen Frauen Teilzeit. Die meisten reduzieren ihre Arbeitszeiten, weil sie glauben, auf diese Weise Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Allerdings ist das Angebot an qualifizierten Teilzeitstellen begrenzt. Oft greifen Frauen auf schlecht bezahlte Jobs zurück, für die sie überqualifiziert sind.
Dabei nehmen sie finanzielle Einbußen in Kauf. Aufgrund der hohen Frauenteilzeitquote ist das Brutto-Jahreseinkommen der Arbeitnehmerinnen um rund 40 Prozent niedriger als das der Arbeitnehmer. Wenig tröstlich stimmt, dass auch vollzeitbeschäftigte Frauen zwischen 13 und 32 Prozent weniger verdienen als männliche Kollegen in gleicher Funktion. Das belegt der für 2001 vorliegende Einkommensbericht von Statistik Austria. Noch drastischer fällt das Ergebnis eines aktuellen Berichts des Weltwirtschaftsforums aus. Bezogen auf die Einkommensgerechtigkeit der Geschlechter belebt Österreich Platz 104 – von 104.
Umstrittene Teilzeit
„Viele Frauen leiden darunter, dass sie viel arbeiten, aber wenig zurück bekommen – nicht nur finanziell“, sagt der Wirtschaftspsychologe Paul Jiménez Aktuelle Untersuchungen des von ihm geleiteten research-teams und der Universität Graz zeigen, dass vor allem weibliche Teilzeitbeschäftigte stark Burnout-gefährdet sind. Daran seien nicht Mehrfachbelastungen durch Beruf, Haushalt und Familie schuld. Teilzeitkräfte erhielten im Beruf oft zu wenig Anerkennung.
„Sie können an vielen Sitzungen nicht teilnehmen und werden bei Schulungen vergessen“, erläutert Jiménez. Der Frust im Job könne zum Burnout führen. So zweifelten weibliche Teilzeitbeschäftigte besonders häufig an der Bedeutung ihrer Arbeit, litten unter emotionaler Erschöpfung und reduzierter Leistungsfähigkeit. Die Folge: Viele trauen sich beruflich immer weniger zu. Ein Teufelskreis. Dem könnten Arbeitgeber vorbeugen, indem sie Teilzeitmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ebenso fördern, informieren mit einbeziehen wie Vollzeitbeschäftigte, betont Jiménez. Dann könnten sie auch von deren Stärken profitieren: „Teilzeitkräfte arbeiten oft effektiver als Vollzeitbeschäftigte.“
Unternehmen können Frauen für sich einnehmen und an sich binden, indem sie ihnen Karrierechancen bieten – auch in einer Teilzeitbeschäftigung. Eine gerechte Vergütung und familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind weitere wichtige Schritte auf dem Weg zu einer höheren Frauenquote. Viele Arbeitgeber haben das längst erkannt. Sie fördern Männer und Frauen gleichermaßen – und profitieren dabei selbst.
Buchtipps:
Frauen in die Chefetagen!? Mentoring – Unternehmerinnen – frauenspezifisches Personalmarketing. Herausgegeben von Maria Buchmayr, Gabriella Hauch und Gudrun Salmhofer. Studienverlag 2003.
Frauen – Männer – Management. Führung und Team neu denken. Von Claus Kutzschenbach. Rosenberger Verlag 2004.
Frauen in Führungspositionen. Die besten Erfolgskonzepte aus der Praxis. Von Dorothea Assig. DTV-Beck 2001.