Die Tourismus- und Dienstleistungsbranche ist von der Corona-Krise besonders betroffen. Daher gewinnt Employer Branding gerade jetzt an Bedeutung. Doch wie lässt es sich in Krisenzeiten leben?

photo of man and woman mixing beverages
Foto: Crew, Unsplash

Gestern Abend in einem griechischen Lokal in Wien: Der Kellner war nicht irgendwer, sondern ein stolzer Grieche, der keine Gelegenheit ausließ, von seiner Heimat zu erzählen. Alle Gerichte der Karte kannte er, als würde er selbst in der Küche stehen, und so wie er sie beschrieb, war klar, dass alles ausgezeichnet schmecken würde. Seine Weinempfehlung war nicht sachlich aufgezählt. Stattdessen schilderte er eindringlich, wie er jeden seiner Heimaturlaube mit genau diesem Retsina feiern würde. Am Ende, obwohl schon alle Gäste weg waren, bot er eine letzte Runde aufs Haus. Nicht irgendwas, sondern jeder konnte selbst wählen. Der Grund? „Sie sind sympatisch, ich lade Sie ein.“ Mit Sicherheit war dies ein Abend, der uns besonders in Erinnerung bleiben wird. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Erinnerung wird der Kellner sein.

Mitarbeiter erzeugen die Erlebnisse des Kunden

Dieses Beispiel macht offensichtlich, warum Mitarbeitende in der Tourismus- und Dienstleistungsbranche so zentral sind: Sie sind Teil des Produkts, sie „erzeugen“ das Kundenerlebnis. Sie wirken nicht irgendwo im Hintergrund, sondern stehen sichtbar auf der Bühne, sind Teil der Inszenierung und entscheiden maßgeblich über das Ergebnis dieser emotionalen Branche. Erfolgsentscheidend wird in Zukunft sein, dass sich Unternehmen und Mitarbeitende ihrer bedeutenden Rolle als Botschafter der Marke und als Mitgestalter von gelungenen Kundenerlebnissen bewusst werden.

Durch Covid-19 wird dieses Thema aktueller denn je: Der Tourismus ist in Zeiten der allgemeinen Unsicherheit besonders verletztlich, da sich Kunden bei der Kaufentscheidung auf das Versprechen der Anbieter verlassen müssen. Gäste sehnen sich dabei nach vertrauten Gastgebern, die ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität geben. Dazu kommt, dass Freunde und Familie  mittlerweile als vertrauenswürdigste Quelle für Werbung gelten. Potenzielle Gäste sind Verkaufsargumenten im Überfluss ausgesetzt und Werbebotschaften haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, da sie ein zu idealisiertes Bild zeigen. Daher holen wir uns lieber dort Rat, wo wir vertrauen können: im sozialen Umfeld oder in Online-Communitys, die uns relevant erscheinen. Vielfach zählt deren Wort sogar mehr als persönliche Präferenzen und Marketingbotschaften zusammen. Glaubwürdige Erfahrungsberichte brauchen wiederum begeisterte Kundenerlebnisse, die durch das persönliche Erleben in direktem Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehen.

Fokus auf Employer Branding und internes Marketing

Um der Bedeutung der Mitarbeiter in einer Zeit des Fachkräftemangels gerecht zu werden, müssen Unternehmen den  Fokus auf zwei Aspekte legen, die im Tourismus noch nicht ausreichende berücksichtig werden: auf Employer Branding und internes Marketing.

Mit einer starken und klaren Arbeitgebermarke können Unternehmen gerade in der Tourismus- und Dienstleistungsbranche die entsprechenden Mitarbeiter anziehen. Denn nur wer zum Unternehmen passt, kann dessen Werte und Philosophie authentisch umsetzen. Die Arbeitgebermarke müssen sie dabei selbstverständlich entlang der Dienstleistungsmarke entwickeln und dabei auch Angebote für die Belegschaft schaffen.

Beispiel Gesundheit und Work-Life-Balance

So hat beispielsweise ein Hotelbetrieb, der stark im Gesundheitsbereich positioniert ist, die Werte Gesundheit und Work-Life-Balance konsequent in seiner Employer Brand verankert. Mitarbeitende dieses Betriebs sind willkommen, die gesamte Gesundheitsinfrastruktur inklusive aller Programme kostenfrei zu nutzen. Dieser Betrieb hat erkannt: Nur wer das Angebot selber kennt, ist ein glaubwürdiger Kommunikator. Zusätzlich bietet das Haus ein Sport- und Fitnessprogramm, eine Gesundenuntersuchung und ein gesundes Frühstücks-, Mittags- und Abendbuffet für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbieter. Um dem Thema Work-Life-Balance gerecht zu werden, hat der Arbeitgeber auf Teildienste verzichtet und eine durchgängige kostenlose Kinderbetreuung auch an Feiertagen und in Ferienzeiten eingeführt. Dienstpläne berücksichtigen Mitarbeiterwünsche, das Ausmaß der Wochenstunden können die Arbeitnehmer individuell wählen, wie es in die aktuelle Lebensphase passt.

Wer sich hingegen ausschließlich auf die externe Wirkung seiner Arbeitgebermarke konzentriert, läuft Gefahr, eine schöne Verpackung zu gestalten, die gerade Mitarbeiter schnell als inhaltsleer entlarven. Deshalb ist es so wichtig, auch das interne Marketing entsprechend der Employer Brand zu verfolgen. Das interne Marketing gestaltet die Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter. Es dient als Werkzeug, um die Menschen, die das Unternehmen repräsentieren, bestmöglich zu unterstützen und letztendlich höhere Kundenzufriedenheit zu erreichen. So ist es ein effektives Mittel, um die Philosophie des Betriebs bei den Mitarbeitern zu verankern, die Dienstleistungsmarke auch bei den Mitarbeitern stark zu machen, anstehende Veränderungen mit den Mitarbeitern zu gestalten, ihre Motivation zu steigern und sie an den Betrieb zu binden.

Vom Boten zum Botschafter

Der wesentliche Punkt ist, das Personalmanagement und seine Tools um Marketing, also zielgruppengerechte Kommunikation, zu ergänzen. Das bedeutet konsquenterweise, dass Mitarbeitende zur internen Zielgruppe werden, die Unternehmen genauso wie Gäste gewinnen und binden müssen. Etwas provokant formuliert: Es ist höchste Zeit, Mitarbeiter aus dem Status des „Boten“ zu entlassen und sie als „Botschafter des Unternehmens“ zu gewinnen. Entsprechend der Marke und Unternehmensphilosophie sollten Arbeitgeber der Tourismus- und Dienstleistungsbranche daher die gesamte Kommunikation entlang der Mitarbeiterreise definieren. Bei der Employer Journey kommt der direkten Führungskraft die zentrale Rolle zu. Gerade die Coronakrise beschleunigt einen unaufhaltsamen Trend: Menschlichkeit und entsprechend authentische Kommunikation sowie indviduelle Entwicklung rücken in den Fokus.

Arbeitgeber müssen die Belegschaft laufend über die Geschehnisse im Betrieb informieren und schulen. Denn nur dann können sie eigenverantwortlich im Sinne der Unternehmensphilosophie handeln. Dieses Verständnis ist die Basis für das interaktive Marketing. So werden durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jene Geschichten und Haltungen an Kunden weitergegeben, die dem Unternehmensimage entsprechen.

Wenn klar ist, was das Versprechen des Unternehmens ist, werden Belegschaft und Gäste, die sich von diesem Versprechen angezogen fühlen, die größtmögliche Chance haben, gemeinsam unvergessliche Momente zu kreiieren. Das griechische Lokal verspricht einen Abend lang „Urlaub in Griechenland“ und hält dieses auch. Diese Glücksmomente werden mit Leidenschaft gerne weitererzählt. Damit wird der Gast zum authentischen Botschafter des Unternehmens.

Krise als Chance für Tourismus- und Dienstleistungsbranche

Eine Krise, wie Covid-19 sie uns beschert hat, kann bedrohlich werden. Unternehmen, die diese Phase, in der das operative Geschäft teils zum Stillstand gekommen ist, nutzbar machen, könnten sich langfristig als Krisengewinner herauskristallisieren.

> Weiterbildung

Dies ist eine Zeit, in der wir gewohnte Pfade verlassen und neue Ideen entwickeln können. Wichtig sind dabei individuelle Lösungen für Mitarbeitende, die ihrer Lebenslage und ihren Interessen entsprechen. So hat ein Hotelbetrieb in Wien diese Zwangspause genutzt, um  seinen Mitarbeitern digitale Weiterbildungsangebote zu ermöglichen. Seit Jahren wollte man beispielsweise das Onlinemarketing stärker im Haus verankern, was bisher aus Zeitgründen gescheitert ist. Nun wurde der bisherige Rezeptionist zum neuen Onlineexperten für dieses Hotel entwickelt.

> Neue Dienstplanung

Ein anderer Hotelbetrieb hat diese Zeit genutzt, um mit seinen Mitarbeitern die Zukunftsausrichtung zu gestalten. Dabei griff das Unternehmen auf Erfahrungen, aber auch Bedürfnisse all jener zurück, die das tägliche Geschäft abwickeln. Im Zuge dieser Neuausrichtung hat dieser Betrieb unter anderem die Dienstplanung vollkommen neu überarbeitet. Dabei hat er jahrelang in Kauf genommene Leerläufe reduziert und zeitgleich Wünsche der Mitarbeitenden berücksichtigt.

> Podcast-Serie

Wieder ein anderer Betrieb ermutigte seine Belegschaft, Ideen für den Betrieb zu entwickeln. Heraus kam die Podcastserie "Live aus dem Lockdown, die Gästen Neuigkeiten aud den Hotels vermittelte. Außerdem stellte das Unternehmen fest, dass der Wert "Regionalität" zwar in der Dienstleistungmarke stark repräsentiert ist. In der Arbeitgebermarke beziehungsweise auf Mitarbeiterebene findet er sich aber nicht wieder. Dies soll nun anders werden.

> Employer-Branding-Prozess

Wer noch nicht auf eine definierte Employer Brand zugreifen kann, könnte diese Phase nutzen, um einen Employer-Branding-Prozess zu starten. Ein Gastbetrieb, der dies für sich beschlossen hat, berichtet, dass diese Phase perfekt war. Im laufenden Geschäft wäre es nicht so gut möglich gewesen, einen Blick von außen auf den Betrieb zu werfen. Diese definierte Arbeitgebermarke dient nun als Sicherheit und Handlungsanleitung für eine strukturierte Planung des internen Marketings.

> Trennungsmanagement

Wen die Krise so hart trifft, dass er sich von Mitarbeitern trennen muss, sollte bedenken, dass die Mitarbeiterreise hier noch nicht endet. Wer es schafft, (ehemaligen) Mitarbeitenden Wertschätzung zu vermitteln und Kontakt zu halten, wird langfristig als attraktiver Arbeitgeber abgespeichert

Fazit

Der Abend beim Griechen wird uns jedenfalls im Gedächtnis bleiben und wir werden noch häufiger davon erzählen. Ein authentischer Mitarbeiter, der als Botschafter seines Unternehmens seinen Gästen ein emotionales Erlebnis bereitet und diese zu begeisterten Werbeträgern macht. Ein perfektes Zusammenspiel.

Literaturtipps:

Fachkräfte finden und binden. Von Richard Bauer, Linde Verlag 2020.

Tourismus nach Covid-10: Gut durch die Krise kommen und neu durchstarten. Perspektiven und Strategien für eine zukunftsstarke Branche. Von Richard Bauer, Linde Verlag 2020.