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Foto von Alesia Kazantceva

Der Quotenmann im Krabbelkurs

Den einen oder anderen mag es nerven, der einzige Mann unter Frauen am Spielplatz zu sein. Oder in der Krabbelgruppe Gespräche anzuhören, die Mann freiwillig nicht anhören würde. Dennoch profitieren alle Beteiligten von der Möglichkeit einer Elternzeit:

 

Positive Erfahrungen / Ergebnisse

  1. Frauen verlieren nicht den Anschluss an die Firma und ihren Beruf. Eine sinnvolle Investition in die Stabilität der Familie- Denn wenn „er“ als Verdiener ausfällt, kann sie noch für Unterhalt sorgen. Außerdem ist häufig längst das Einkommen der Frau für die Existenzsicherung mit eingerechnet.
  2. Die Beziehung profitiert, da Frauen durch die beruflichen Herausforderungen Ausgleich und Selbstbestätigung erfahren.
  3. Die Zeit, die Frauen von ihrer Arbeit abgeschnitten sind / werden, wird verkürzt. Demzufolge bleiben ihnen bessere Chancen erhalten, später wieder in den Beruf einzusteigen.
  4. Frauen bekommen ein besseres Gefühl dafür, dass sie „zum Familieneinkommen“ beitragen können, und nicht vollständig abhängig sind – ein gutes Rüstzeug für die längere Erziehungszeit danach.
  5. Die Gesellschaft und Unternehmen profitieren. Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen braucht die Firma keine langwierigen Einarbeitungen und Vertretungen zu organisieren. Frauen können, z.B. auch nach Verlust des Partners wieder leichter in das Berufsleben einsteigen -  was bei Scheidung & Co. notwendig wird, jedoch häufig durch die Babypause massiv erschwert wird, mit der Folge, dass alleinerziehende Frauen überdurchschnittlich häufig gezwungen sind, Hartz IV zu beantragen, mit allen Konsequenzen von Armut und Stigma. Eine Last, die die Gesellschaft dann finanziell mittragen muss, wenn sie Frauen den Wiedereinstieg nicht erleichtert.
  6. Männer lernen ihre Kinder besser kennen. Sie lernen, die Äußerungen des Kindes besser zu lesen. Ergebnis: Eine positivere und bessere Kommunikation insgesamt zwischen Vater und Kindern – mit Langzeitwirkung weit über die Elternzeit hinaus.
  7. Männer bekommen mehr Einblick, Verständnis und Respekt für die Aufgaben, die Frauen sonst „so nebenher“, zuhause erledigen.
  8. Männer bekommen eine neue Perspektive auf ihre berufliche Tätigkeit, wissen sie anders zu schätzen und sie können u.U. mehr entspannen, weil sie sehen, 1) auch die Frau kann substanziell, finanziell entlasten und beitragen, "die existenzielle Last liegt nicht allein auf meinen Schultern..." 2) ich bin wichtig, aber es geht auch ohne 100%tige Kontrolle, ich darf entspannen…
  9. Frauen können in der Zeit berufliche Weichenstellungen vornehmen und können weiter ihren Berufsweg ausbauen, fortführen und stabilisieren.
  10. Flexible Absprachen und Kommunikationsmodelle werden eingeübt. Das Paar profitiert davon auch später noch.

 

Irrationale wie reelle Gründe, die einer Elternzeit entgegenstehen / die zu einer Verkürzung der Elternzeit führen

 

  1. Angst, nach einer zu längeren Abwesenheit auf einem beruflich weniger qualifizierten Platz / Abstellgleis zu landen
  2. Angst, bei zu längerer Abwesenheit, die Kontrolle im Ranking, im Konkurrenzkampf zu verlieren, von karrierewichtigen Informationen abgeschnitten zu sein (oder zu werden), die Angst ausgebotet zu werden, Angst bei der nächsten anstehenden möglichen Beförderung nicht berücksichtigt zu werden
  3. Die Angst bei der Arbeit den Anschluss zu verlieren
  4. Die Angst, Ansehen zu verlieren und (kultur- und branchenabhängig und abhängig von Altersstruktur der Kollegen) als Weichling abgestempelt zu werden
  5. Finanzielle Einbussen
  6. Angst von Mitgliedern des höheren Managements, dass bestimmte Projekte / Tätigkeiten nicht / mehr adäquat ausgeführt werden können, bzw. es gibt auf dieser Ebene / diesem Fachgebiet keine Vertretung
  7. Widerstände aus den Unternehmen, wenn die Firmen, wie immer mehr üblich, einen extrem engen Personalschlüssel ansetzen und es effektiv keine Vertretung mehr für eine bestimmte Person / Aufgabe gibt. Das trifft z.B. in Krankenhäusern zu (Chefärzte, Oberärzte versus Assistenzärzte, bei denen Vertretungen möglich sind…), die Stelle bleibt so lange unbesetzt, bis er wieder da ist, der Rest wird auf die anderen Schultern verteilt
  8. Die Angst, dass unter der Arbeitslast, die nun auf den Rest der Abteilung verteilt wird, die Stimmung in der Abteilung leidet – und man das später zu spüren bekommt.
  9. Führungskräfte, die unter der Hand zu verstehen geben, dass Elternzeit „in unserer Firma“ nicht erwünscht ist, oder die sagen, zu meiner Zeit hat es das auch nicht gegeben, ich musste da auch durch“, oder im schlimmsten Falle: „haben Sie ihre Frau nicht richtig erzogen?“ „Was für eine Frau haben Sie denn?“ „Stehen Sie unter dem Pantoffel, oder was?“ „Ist das auch so eine Karrieretu…i?“
  10. Die allgemein höheren Gehälter der Männer – und in diesem Bereich eine immer noch das Ehe-Modell und Alleinverdiener-Modell fördernde Politik sowie Unternehmenskulturen, die Paaren förmlich die Entscheidung aufzwingen, dass der-…diejenige, die weniger verdient, tendenziell diejenige Person ist, die dann (länger) zu Hause bleibt…und die Kinderbetreuung / den Haushalt übernimmt.

 

Politische Baustellen Elternzeit, Elterngeld und Teilzeitfalle

 

Klar ist, dass Elternzeit von Männern ein wesentlicher Schlüssel für einen höheren Frauenanteil in Unternehmen – und damit höhere Profitmöglichkeiten für die Unternehmen und Gesamtwirtschaft -  ist. Das hat die neueste Studie des renommierten Peterson Institute of International Economics in Washington belegt:

Seit Einführung der Elternzeit 2007 stieg der Männeranteil von 20,8 kontinuierlich auf 34,2%. Dabei nutzen 79% davon lediglich die Mindestdauer von zwei Monaten. Dagegen bleiben 87% der Frauen die vollen 12 Monate zu hause. Das neue Elterngeld Plus, das einen längeren Bezug bei Teilzeitarbeit ermöglicht, wurde in Q1 2016 erst von 17,4 % der Eltern in Anspruch genommen. Hier ergibt sich das nächste „heiße Thema“, die „Teilzeitfalle“: Von den mehr als 11 Millionen Teilzeitbeschäftigten ist lt. Stat. Bundesamt die Mehrzahl weiblich. Die Reduzierung der Stunden ist dabei nicht immer freiwillig, und die meisten Frauen würden nach Baby, Teilzeit & Co. gerne wieder aufstocken, was trotz einhelligen Beschwörens der „Flexibilität am Arbeitsmarkt“ von vielen Firmen nicht mitgetragen wird. Sorgsam ausgearbeitete Arbeitszeitmodelle werden abgewiesen. Für einen gesetzlichen Anspruch auf Erhöhung der Arbeitszeit und mehr Mitsprache bei der Arbeitszeitgestaltung will sich die Bundesarbeitsministerin im Herbst 2016 einsetzen. Der Versuch einer Weichenstellung, um den häufig zur Existenzsicherung nötigen Wiedereinstieg in den Beruf zu verbessern.

 

Armutsrisiko Kind: Der vielbeschworene Karriereknick ist für Frauen und Familien oft mehr als „nur“ ein Knick in der Erwerbs- und Rentenbiographie

Laut Allensbacher-Studie werden Frauen „wahrscheinlich auf Jahre vom Arbeitsmarkt und einer möglichen Karriere abgeschnitten. Dass eine Frau beruflich gerade nach dem ersten Kind zurücksteckt, wirkt lange nach. Es ist eine berufs- und lebensprägende Weichenstellung“. Hinzu kommt, dass nach Scheidungen die Unterhaltszeiten stark verkürzt worden sind – mit der Notwendigkeit für Frauen, schneller wieder selber für Unterhalt sorgen zu müssen. Doch erschwert ihr die lange „Babypause“ den Wiedereinstieg in den Beruf. Die Gründe dafür sind vielfältig: Bei jedem Arbeitnehmer sinkt z.B. bei Ausfallzeiten bedingt durch Arbeitslosigkeit relativ schnell das (Selbst-) Bewusstsein, etwas im Beruf zu können. Dann werden auch tatsächlich u.U. (Weiter-) Entwicklungen am Markt nicht „mitgenommen“. Und schließlich gibt es die alten von der Praxis längst widerlegten Vorurteile darüber, dass Mütter (urplötzlich) weniger kompetent und belastbar sind als vorher – oder sie angeblich „dauernd“ fehlen würden, weil ihr Kind krank ist.

Schwer wiegt auch die Tatsache, dass Kinder offiziell als „Armutsrisiko“ gelten. Eine Alternative wäre, das Rentensystem um Kinderfreibeträge wie bei der Besteuerung zu ergänzen. Eltern würden dann niedrigere Beiträge zahlen, ohne dass ihre Ansprüche dadurch gemindert würden. Derzeit zahlen sie im Rentensystem kräftig drauf – für sie selber wird davon bei der Umlage im Rentenalter nicht mehr viel zu sehen sein. Allensbach deckt auf: Der Staat zahlt offiziell zwei Drittel des früheren Nettoeinkommens – mindestens 300, höchstens 1.800 Euro. Diejenigen, die wenig verdienen, können den Verlust nicht ausgleichen. Diejenigen, die mehr verdienen, wollen nicht verzichten. Das Ergebnis: Rund 60% aller Väter beantragen kein Elterngeld, weil sie damit zu hohe Einkommensverluste verbinden.

 

Schatz, lass uns reden

 

Die Änderungen die mit dem kleinen Neuankömmling einhergehen, sind gewaltig, und viele Paare fühlen sich heute damit relativ alleingelassen. Frühzeitiges „Change Management“ umfasst hier, knallhartes Netzwerken mit anderen Paaren, Familien, mit Nachbarschaftshilfe, kirchlichen und staatlichen Beratungsangeboten etc. Gerade alleinerziehende Frauen sind dabei Organisationsmeisterinnen. Die Anforderungen für veränderten Kommunikations- und Abstimmungsbedarf wachsen – sind, neben all den zusätzlichen finanziellen Belastungen, jedoch für alle Paare eine lohnende Investition in die Zukunft.