Ehrenamt mit offizieller Funktion
Das gewählte Mitglied eines Betriebsrats übt seine Tätigkeit lt. § 37 Satz 1 BetrVG unentgeltlich als Ehrenamt aus.  Bei der Ausübung dieser Tätigkeit unterliegt es nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat ein Betriebsratsmitglied, soweit es „nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist“ von seiner beruflichen Tätigkeit zu befreien/freizustellen, und zwar ohne Minderung des Arbeitsentgelts (§ 37 Satz 1 BetrVG). Das heißt, dass ein Betriebsrat dieses Amt, soweit möglich und erforderlich (der Betriebsrat muss auch lt. BetrVG auf betriebsinterne Gegebenheiten Rücksicht nehmen) während der Arbeitszeit ausüben kann, ja sogar sollte, ohne, dass ihm dadurch ein finanzieller Nachteil entsteht. Jetzt kann es vorkommen, dass Betriebsratstätigkeiten außerhalb der eigenen Arbeitszeit anfallen – auch hier bestünde nach § 37 Satz 1 BetrVG ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts.

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Wie wendet man diese Regeln im Einzelfall an?

Betriebsratstätigkeiten rufen bei manchen Arbeitgebern gemischte Gefühle hervor. Denn obwohl längst viele Geschäftsführer gemerkt haben, dass sie mit einem Betriebsrat nicht unbedingt einen „Gegenspieler“ in den eigenen Reihen sitzen haben – sondern einen echten Partner für moderne und innovative Personalführung – ist der rechtliche Umgang mit dieser Institution in Einzelfällen nicht immer abschließend geklärt.

Gerade beim Thema Arbeitszeit und Ruhezeit hat das BAG zwar im Januar ein neues Urteil gefällt (BAG-Urteil vom 18. Januar 2017, 7 AZR 224/15, dazu später mehr)  – doch beruht die Beurteilung nachfolgender drei Fragen bisher eher auf der anerkannten Praxis aus einem Urteil des LAG Niedersachsen (LAG Niedersachsen – Beschluss vom 20. April 2015, 12 TaBV 76/14).

Denn eine höchstrichterliche Entscheidung des BAG steht noch aus, und zwar ob a) die Tätigkeit eines Betriebsrats unter die Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetztes (ArbZG) fällt, ob b) dabei die Höchstgrenzen zur Arbeitszeit gemäß ArbZG anzurechnen seien und c) ob der Arbeitgeber die Einhaltung dieser Höchstgrenzen zu verantworten hätte – und das, ohne gegenüber dem Betriebsrat weisungsbefugt zu sein.

Die Klärung von Frage a) würde auch die Verpflichtung zur Überstundenvergütung mit beleuchten müssen. Die Frage b) und c) ob dann daraus für den Arbeitgeber die Verpflichtung zur Überwachung der Höchstarbeitszeit resultiere.

Was gilt als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG?

Als Arbeitszeit wird die Zeit beurteilt, in der ein Arbeitnehmer weisungsbedingt Arbeitsleistung erbringt (häufig auch innerhalb von Betriebseinheiten oder mit betrieblichen Mitteln) und für arbeitsvertragliche Arbeitsleistungen zur Verfügung steht. Liegen diese Bedingungen vor, muss auch der „Schutzzweck“ des ArbZG greifen. Denn das Gesetz soll den Arbeitnehmer vor psychischer und körperlicher Überbeanspruchung schützen. Folglich müssen dann auch die Höchstgrenzen der täglichen Arbeitszeit von acht bzw. 10 Stunden – mit einer Höchstgrenze von wöchentlich 48 Stunden gelten, die es vom Arbeitgeber aus einzuhalten bzw. zu überwachen gilt.

Ruhezeiten sind in ihrer Länge bisher nicht einheitlich „genormt“

Hinzu kommt:

  1. Dass es tarifvertragliche Regelungen gibt, die die Ruhezeiten auf neun/zehn Stunden herabsetzen. Im Einzelfall muss also das Unternehmen prüfen, welche Richtlinien für seinen individuellen Betrieb maßgeblich sind.
  2. Außerdem kamen die bisher damit befassten Gerichte in Einzelfällen zu immer wieder unterschiedlichen Maßgaben, wie lang eine Ruhezeit denn im Einzelnen dauern solle. Hier kam dann zum ersten Mal die „Länge der Betriebsratssitzung“, zum Tragen:
  • Das LAG Schleswig beschied über neuneinhalb Stunden Ruhezeit vor einer Betriebsratssitzung von zwei Stunden zweistündigen Sitzung (Urteil v. 30.8.2005, Az.  5 Sa 161/05),
  • Das ArbG Lübeck beschied über nicht mehr als sieben Stunden vor einer vierstündigen Sitzung (Urteil vom  7.12.1999, Az.  6 Ca 2589/99)
  • Das ArbG Koblenz beschied sogar über eine zulässige Beendigung der Nachtschicht um 4:15 Uhr, wenn die Betriebsratssitzung um 10:00 Uhr beginnen soll (Urteil v. 3.5.1988, Az. 5 Ca 1196/87).

Mit Spannung erwartet: das allerneueste Urteil des BAG zur Ruhezeitenregelung

Für den 21.3.2017 wurde eine Entscheidung des BAG angekündigt (Az. 7 ABR 17/15) , in der es um eine Revision genau des Urteils des LAG Niedersachsen v. 20.4.2015 (Az. 12 TaBV 76/14) geht, die wir eingangs geschildert haben.

Der nun aktuelle Fall:

Ein Betriebsrat hatte den Antrag auf Feststellung gestellt, dass der Arbeitgeber die Betriebsratsmitglieder nicht – in diesem Falle regelmäßig im Anschluss an die Betriebsratssitzung, die immer zwischen 8:00 Uhr und 15:00 Uhr stattfindet – in der Spätschicht von 11:00 bis 20:15 Uhr einsetzen darf – mit Verweis auf die Tatsache, dass solch eine Einteilung in die Spätschicht gegen die werktägliche Höchstarbeitszeit von acht/max. 10 Stunden verstieße (§ 3 ArbZG).

Den Antrag des Betriebsrats auf eine pauschale Feststellung (auf eine generelle Regelung bezüglich der Anwendbarkeit von Ruhezeiten (?) / bezüglich einer elfstündigen Ruhezeit i.S.d. § 5 Abs. 1 ArbZG als Regelfall auch der nach § 37 Abs. 2 BetrVG zu gewährenden Ruhezeit (?)) wurde abgelehnt. Das LAG Niedersachsen wollte den Fall als Einzelfall werten und prüfen, ob es – gemäß vorhergehender Wertungen – in einer zusammenfassenden Beurteilung von erforderter Arbeitsleistung und Betriebsratstätigkeit – zu einer Überlastung käme. Dabei wollte es auch den Aspekt prüfen und berücksichtigen ob “es ‘Zeiten der Betriebsratstätigkeit von geringerer Intensität oder von erheblichen Beratungspausen unterbrochen’ gebe”.

Leider lag zum Erscheinen des Newsletters noch kein Schriftstück im Internet zum brandaktuellen Fall vom 21.03.2017 zur Einsicht vor.

Es geht also wieder um die Einteilung zum Schichtdienst – und die Frage, ob Betriebsratsmitglieder sofort im Anschluss an eine Sitzung in eine Schicht eingeteilt werden dürfen, wenn dadurch die Grenzen der Höchstarbeitszeit pro Werktag gemäß § 3 ArbZG überschritten werden. Die Entscheidung wird mit Spannung erwartet. Wirkt sich das Urteil weiter darauf aus, wie Betriebsratstätigkeit hinsichtlich des ArbZG zu bewerten ist?

Viele Argumente sprechen also dafür, dass damit auch Betriebsratstätigkeit reguläre Arbeitszeit darstellt

  1. Häufig fallen die Tätigkeiten innerhalb der reguläre Arbeitszeit an (siehe § 37 Abs. 3 BetrVG, nach dem der Betriebsrat die Tätigkeit ja während der Arbeitszeit zu erbringen hat!). Sie sollten daher ebenso über das ArbZG (vor Überbeanspruchung) geschützt werden.
  2. Außerdem soll der Arbeitgeber den so ehrenamtlich tätigen Arbeitnehmer laut Abs. 3 von seiner „beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist.“
  3. Der Betriebsrat übt diese Tätigkeiten im Grunde zugunsten des Betriebes und innerhalb des Betriebes (BetrVG) aus.
  4. Dafür sieht das BetrVG auch eine regelrechte Entgeltfortzahlung vor.

Es gibt jedoch auch Argumente, die dagegen sprechen, dass Betriebsratstätigkeit reguläre Arbeitszeit darstellt

Darüber urteilte auch am 20. April 2015 das LAG Niedersachsen (12 TaBV 76/14).
Es entschied, dass Betriebsratstätigkeit nicht als Arbeitszeit gemäß ArbZG gewertet werden könne, womit unsere Fragen a) und c) im Prinzip beantwortet wären, da folgende Tatsachen bestehen:

  1. Der Betriebsrat ist autonom in seiner Entscheidung,  „wann er welche erforderliche Tätigkeit“ erbringt. Der Arbeitgeber ist für seine Betriebsratstätigkeit nicht weisungsbefugt. Der Betriebsrat darf sogar gerichtlich gegen eine Einmischung „in seine innere Organisation“ seitens des Arbeitgebers vorgehen.
  2. Das Arbeitszeitgesetz ist jedoch an die weisungsgebundene Leistungserbringung gebunden. Ein Arbeitgeber kann also nicht für einen Sachverhalt wie die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes herangezogen werden, wenn ihm die dazu notwendige Befugnis, ein bestimmtes Verhalten gegenüber dem Betriebsrat während dessen Tätigkeit einzufordern, fehlt.
  3. Folglich ist es durch die Zeitentscheidungsautonomie des Betriebsrats, durch die er prinzipiell nicht an das Arbeitszeitgesetz gebunden ist, auch möglich, dass es zu Zeitüberschreitungen der üblicherweise zulässigen Stundenvorgaben von acht oder 10 Stunden kommen kann. Beispielsweise, wenn eine Sitzung sehr lange gedauert hat, es lange Anreisen gab etc. Hierfür sind weder die Arbeitgeber mit Ordnungsgeldern (denn „Adressat der Bußgeld- und Strafvorschriften in §§ 22, 23 ArbZG wäre ausschließlich der Arbeitgeber“)  für Verstöße gegen das ArbZG noch der Arbeitnehmer/Betriebsrat zur Rechenschaft zu ziehen.

Es gibt jedoch einige Aspekte, die es in der Praxis zu beachten gilt:

  1. Zum einen gestaltet sich die Frage, ob bei der Betriebsratstätigkeit auch Höchstzeiten eine Rolle spielen, immer dann als maßgeblich, wenn betriebsseitige weisungsbedingte Zeitvorgaben mit der „Zeitautonomie des Betriebsrats“ aufeinandertreffen. In diesen Fällen kann das ArbZG wieder greifen. Nehmen Sie beispielsweise den Fall eines Betriebsratsmitglieds, das schon acht Stunden,  (von Arbeitgeberseite angeordnet) gearbeitet hat – und danach gleich im Anschluss an die vorhergehende Schicht u.U. sechs bis acht Stunden Betriebsratssitzung zu absolvieren hat:

    Einem Urteil des BAG vom 7. Juni 1989 zufolge muss der Arbeitgeber bei seiner Anordnung von zu erbringenden Leistungen darauf achten, ob davor oder danach eine Betriebsratsleistung noch zumutbar ist. In diesem Falle müsste er tatsächlich – da es seine Befugnis betrifft –  betriebsseitig auf Höchstzeiten achten.

  2. Umgekehrt ist auch der Betriebsrat darauf bedacht, die Zeiten so zu legen, dass sie den Betriebsablauf und Einsatzfähigkeit nicht stören – gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme sind hier also auch nicht nur von Gesetzesseite her gefragt. Nichtsdestotrotz können solche Überschneidungen und Fälle immer wieder einmal auftreten.

    So kann es – in Beantwortung der Frage c) bei der Betriebsratstätigkeit gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG durchaus zu einer regelrechten Entgeltpflicht – auch über die üblichen Arbeitszeiten hinaus (Überstundenbezahlung)  wie bei anderen Arbeitnehmern auch – kommen. Zwar besagt der Satz zum einen, dass die Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit zu erledigen sei – folglich würde im Prinzip jegliche Überschreitung dieser Zeit zulasten des Arbeitnehmers gehen, aus eigenem Engagement und Idealismus heraus (BAG, Urteil vom 19.3.2014, 7 AZR 480/12).

  3. Zum anderen sagt das BetrVG jedoch auch, dass in dem Moment, in dem die Überstunden – vom Arbeitgeber aus betrieblich veranlasst und verantwortet – anfallen, diese Betriebsratstätigkeit „außerhalb der normalen Arbeitszeit“ als Arbeitszeit zu erfassen – und zu entgelten ist. Der Wortlaut: „(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeitdurchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts.“  Ist ein solcher (bezahlter) Freizeit-/Freistellungsanspruch aus betrieblichen Gründen nicht erfüllbar, entsteht ein Anspruch auf Entgeltausgleich über die überzählige Zeit – also die „Überstunden“.  Vor allem, wenn ein solches Überschreiten lediglich die Ausnahme darstellt, wird es durch diese klare Regelung von § 37 Abs. 3 BetrVG kaum zu Unstimmigkeiten/Unklarheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kommen.
  4. Inwieweit arbeitszeitliche Höchstgrenzen bezüglich einer Betriebsratstätigkeit beachtet werden sollten, stellt ohnehin einen eher zu vernachlässigender Aspekt dasr. Denn § 37 Abs. 2 BetrVG ordnet ja eine Befreiung von der Arbeit während der Arbeitszeit! an, um die Betriebsratstätigkeit erledigen zu können. Im Regelfall laufen dann Arbeitszeit und Betriebsratstätigkeit parallel, ohne Verstoß gegen das ArbZG.

Kollisionen mit der Höchstgrenze von werktäglich 10 Stunden gem. § 3 Satz 2 ArbZG – und die Diskussion einer Einhaltung entsprechender Ruhezeiten kommen daher erst prominent bei der Betrachtung von Schichtbetrieb und anderen „flexiblen“ Arbeitseinsätzen zum Tragen:

In diesen Fällen kann es eher vorkommen, dass Betriebsratssitzungen regelmäßig und zwangsläufig außerhalb der Arbeitszeit einzelner Betriebsratsmitglieder stattfinden. Ein Überschreiten der werktäglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden (§ 3 Satz 1 ArbZG), bzw. 10 Stunden und einer Ruhezeit von 11 Stunden (§ 5 Abs. 1 ArbZG) wäre dann ein Diskussionsfall, der eine neuerliche Beurteilung von Betriebsratstätigkeit = Arbeitszeit ja/nein erforderlich machen würde.

Dennoch „gilt“ vorläufig noch die Betrachtungsweise: Betriebsratstätigkeit sei keine Arbeitszeit nach ArbZG – bisher nach Meinung des LAG Niedersachen. Ein abschließendes Urteil des BAG hierzu steht jedoch, wie erwähnt, bis heute aus. Immerhin gibt es Fortschritte bei den Fragen, ob auch bei Betriebsratstätigkeiten zwischen Arbeitsende und neuem Arbeitsbeginn eine Mindestruhezeit von 11 Stunden – wie bei anderen Arbeitnehmern auch – einzuhalten sei. Und falls, ob dann auch entsprechende Arbeitsausfälle vergütet werden müssten:

Das neueste Urteil des BAG zum Thema Arbeitszeiten und Ruhezeiten 

In seinem neuesten Urteil vom 18. Januar 2017 (7 AZR 224/15) greift das BAG auf die obig geschilderte Auffassung zurück, dass in dem Moment, in dem Betriebsratstätigkeit mit der Einteilung des Mitarbeiters in weisungsgebundene Arbeits- und Leistungserbringung kollidiert, § 37 Abs. 2 BetrVG vollumfänglich anzuwenden sei: „Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.“ – das BAG fügt hinzu: …„wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar gemacht hat“.

Die Schutzfunktion des ArbZG greift hier vollumfänglich. Der Anspruch auf Freistellung gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG werde wirksam, wenn dem Betriebsratsmitglied wegen seines Ehrenamts (das ja auch für die Firma geleistet wird) die Arbeit in der vorangehenden oder nachfolgenden Nachtschicht „unmöglich oder unzumutbar“ sei. In dieser Richtung hatte sich das BAG schon annährend am 7.6.1989 (Az. 7 AZR 500/88) geäußert. Dementsprechend könne der Betriebsrat „Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Schutz einer angemessenen Ruhezeit haben“. Überhaupt gibt es viele Einzelfallentscheidungen, die sich mit dem Thema Ruhezeit befassen (siehe 2. Folgeabschnitt).

Der konkrete Fall zur Veranschaulichung:

Ein Betriebsratsmitglied war arbeitgeberseitig in einen Dreischichtbetrieb eingeteilt worden. Die maßgebliche Anforderung:  eine Nachtschicht vom 16./17. Juli 2013 von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr.  Am 17. Juli sollte er von 13:00 bis 15:30 Uhr bei einer Betriebsratssitzung teilnehmen. Er ging zu Beginn seiner regulären Pause (2:30-3:00 Uhr am 17. Juli) nach Hause – um die 11-stündige Ruhezeit einzuhalten – und erschien um 13:00 zur Sitzung. Gleichzeitig sollte der Arbeitgeber die ausgefallene Arbeitszeit dem Stundenkonto zuschreiben.

Der Klageweg

Die Firma reduzierte jedoch die Arbeitsstunden auf dem Arbeitskonto entsprechend ihrer Auffassung, dass eine kürzere Ruhezeit von acht Stunden ausreichen würde. Dagegen klagte das Betriebsratsmitglied. In seinem Urteil vom 20.02.2015 (Az. 13 Sa 1386/14) gab ihm das LAG Hamm Recht. Das BAG schloss sich dieser Sichtweise an: Der Arbeitnehmer habe nach Erfordernis Anspruch auf bezahlte Freistellung, um ausreichend Ruhezeit vor der Sitzung zu gewährleisten. Grundlage für die Dauer der Ruhezeit setze § 37 Abs. 2 BetrVG mit Bewertungen aus § 5 Abs. 1 ArbZG.

Immerhin unter dejure.org ist ein „ohne Gewähr“ verkündeter Tenor zur Beschlussfassung Az. 12 TaBV 76/14 verzeichnet: Kurzfassungen/Presse
Bundesarbeitsgericht (Tenor; unter “Sitzungsergebnisse vom 21.03.2017”): TENOR: Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20. April 2015 – 12 TaBV 76/14 – wird zurückgewiesen.

Zum Schluss: die Frage der Vergütung

Das BAG entschied am 18. Januar 2017 (7 AZR 224/15) eindeutig: Das Betriebsratsmitglied habe „Anspruch auf bezahlte Freistellung“. Eine Vergütung von erforderlicher (!) Betriebsratstätigkeit „zusätzlich zur Vergütung von nur wegen der Betriebsratstätigkeit ausgefallener/unzumutbarer „normaler“ Arbeitsleistung“ sei richtig“.

Diskussion zur Vergütung

Prinzipiell wird die Betriebsratstätigkeit als Ehrenamt nicht vergütet. Außerdem mag ein Arbeitgeber befürchten, dass es zu (vergüteten) Engpässen kommen könne, wenn Betriebsratsmitglieder in Zukunft u.U. Ruhezeit plus Betriebsratstätigkeiten vergütet bekommen sollten, wenn sie doch nur eine Schicht anwesend sein können.

Dem Gleichheitsanspruch entsprechend sollten Betriebsratsmitglieder nicht ihren Kollegen gegenüber „besser gestellt“ werden. In der Realität scheint sich jedoch eine solche „Gefahr“ nicht abzuzeichnen.

Vorläufiges Fazit: Kommunikation und Kooperation gefragt

  1. Wir dürfen weiterhin gespannt sein: Der vorab veröffentlichte „Tenor“ auf openjur.org zur erwarteten Rechtsprechung scheint die bisherige Rechtsprechung zu stärken. Auf eine offizielle Veröffentlichung des allerjüngsten Beschlusses des BAG vom 21.03.2017 wird überall gewartet.
  2. Interessanterweise scheint das Konfliktpotenzial zwischen Arbeitgeber/Betriebsrat bezüglich der „Arbeitszeit“, so Dr. Moritz von der Ehe  am 9. Februar 2017 in seinem Artikel: „Ich mach dann mal Pause…mit dem BAG“, ohnehin im Berufsalltag eher auf die Frage zurückgeführt werden können, für welche Art von Tätigkeit ein Betriebsrat freigestellt werden muss“ – und weniger auf die Frage von Höchstarbeitszeiten oder Fürsorge-/Aufsichtspflicht.
  3. Generell sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer wohl auch in Zukunft gut beraten, wenn sie gelassen und kooperativ mit dem Thema „Betriebsrat“ umgehen.
  4. Außerdem sollten sie von vorneherein achtsam(er) bei der Terminierung von Betriebsratssitzungen seitens des Betriebsrats – jedoch auch die Schichtpläne seitens des Arbeitgebers vorgehen – damit das Risiko eines Überschreitens von Höchstgrenzen und eines Unterschreitens etwaiger Mindestanforderungen minimiert wird.
  5. Vor allen Dingen sollten beide Seiten darauf achten, dass es sich bei etwaigen Überschreitungen immer um Ausnahmen handelt – und nicht um leidliche “zur Regel werdenden” Fälle, die dann zu Recht irgendwann nach einer höchstrichterlichen Entscheidung “rufen”, weil sich hier eine bertriebliche Praxis “einschleichen” könnte, die zumindest immer für eine Seite eher “einseitig – und in manchen Fällen gewiss auch unzumutbar – belastend” ausfallen dürften.
  6. Um Einzelfallregelungen und Einzelfallbetrachtungen scheint man auch in Zukunft nicht herumzukommen.
  7. Auch scheint es zunehmend differenzierte Beurteilungsansätze zu geben – hinsichtlich Art/Dauer/Terminierung/Planung/Intensität der jeweiligen Anforderungen. Wer sich jedoch klar an die Vorgaben des ArbZG und des BetrVG hält, und mit der jeweils anderen Partei im Gespräch bleibt –  ist immer noch auf der sichereren Seite.

Quellen:

https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BAG&Datum=31.12.2222&Aktenzeichen=7%20ABR%2017/15

http://www.arbeitsrecht-weltweit.de/2017/02/09/ich-mach-dann-mal-pause-mit-dem-bag/

https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BAG&Datum=31.12.2222&Aktenzeichen=7%20ABR%2017/15

http://blog.handelsblatt.com/rechtsboard/2015/08/07/betriebsratstatigkeit-ist-keine-arbeitszeit-im-sinne-des-arbeitszeitgesetzes/

http://blog.handelsblatt.com/rechtsboard/2017/01/27/bag-11-stuendige-ruhezeit-fuer-betriebsraete/#more-7757

http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bag-urteil-7azr22415-betriebsrat-ehrenamt-arbeitszeit-ruhezeiten/