Die Ausbildungswelt steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Zwischen dem demografischen Wandel, neuen Suchtechnologien, der KI-Revolution und veränderten Erwartungen der jungen Generation müssen Unternehmen ihre Strategien neu denken, um Auszubildende zu gewinnen und langfristig zu binden.
Im Podcast HRM Hacks spricht Gastgeber Alexander R. Petsch mit Felix von Zittwitz, Geschäftsführer von ausbildung.de und Head of Embrace (Bertelsmann), über die Zukunft der Ausbildung im Jahr 2026. Das Gespräch liefert wertvolle Einblicke und konkrete Hacks, wie Arbeitgeber ihre Ausbildungsrekrutierung modern, attraktiv und erfolgreich gestalten können.
1. Ausbildung ist nicht out – sie wird wieder attraktiver
Lange galt die Ausbildung als zweite Wahl hinter dem Studium. Doch die Zeiten ändern sich. „Das Image der Ausbildung war früher oft stiefmütterlich“, sagt Felix von Zittwitz. „Aber wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man: das Interesse steigt.“
Laut aktuellen Studien interessieren sich heute rund 50 Prozent der Gymnasiasten für eine Ausbildung. Etwa ein Drittel der Abiturienten beginnt tatsächlich eine Lehre. Gründe dafür sind vielfältig: Die Pandemie hat den Blick auf systemrelevante Berufe verändert, und die KI-Entwicklung zeigt, dass viele akademische White-Collar-Jobs künftig automatisiert werden könnten.
Von Zittwitz sieht in der Ausbildung daher nicht nur einen Plan B, sondern die stabile Basis der zukünftigen Arbeitswelt:
„Wir werden in den nächsten Jahren viele Fachkräfte brauchen, die praktisch lernen und anpacken. Genau das leistet die Ausbildung – sie schafft Zukunftssicherheit.“
2. Der demografische Wandel zwingt Unternehmen zum Umdenken
Der demografische Wandel ist kein Zukunftsszenario mehr – er passiert jetzt. Bis 2030 scheiden rund 6,5 Millionen Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt aus. Nachwuchs gibt es deutlich weniger.
„Das ist keine Überraschung, aber die Dramatik wird jetzt sichtbar“, warnt von Zittwitz. Viele Unternehmen haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt: „Wer nicht heute in Ausbildung investiert, hat morgen keine Fachkräfte mehr.“
Die Lösung: Ausbildung als strategisches Zukunftsthema. Statt kurzfristig auf Fachkräftemangel zu reagieren, müssen Betriebe nachhaltige Ausbildungsprogramme etablieren, Talente früh ansprechen und echte Entwicklungsperspektiven bieten.
3. Hack #1: Get the Basics Right – Schnelligkeit schlägt alles
Der wichtigste Hack ist zugleich der einfachste – und wird doch oft ignoriert: Die Basics müssen stimmen.
- Schnelle Rückmeldung: Bewerber:innen erwarten heute innerhalb weniger Tage eine Antwort. Wer sich Wochen Zeit lässt, verliert die besten Kandidaten an schnellere Unternehmen.
- Ganzjähriges Recruiting: Bewerbungsphasen sind passé. Junge Menschen suchen 365 Tage im Jahr – Unternehmen sollten jederzeit bewerben lassen.
- Digitale Erlebnisse: Eine moderne, mobiloptimierte Website mit intuitivem Bewerbungsprozess ist Pflicht.
- Sichtbarkeit: Ohne SEO und starke Präsenz auf Ausbildungsportalen wie ausbildung.de wird man schlicht nicht gefunden.
Alexander Petsch bringt es auf den Punkt:
„Speed ist King. Wer im Recruiting trödelt, verliert.“
4. Hack #2: Sichtbarkeit in der neuen Suchwelt – SEO wird zu GEO
Ein zentrales Thema für die kommenden Jahre: Wie junge Menschen suchen, verändert sich radikal.
Mit KI-Suchmaschinen wie ChatGPT, Perplexity oder der neuen Google Search Experience (SGE) entstehen völlig neue Spielregeln.
„Wenn jemand fragt: ‚Was macht ein Elektroniker?‘, bekommt er bei Google heute schon eine KI-generierte Antwort – inklusive nur drei Quellen“, erklärt von Zittwitz.
„Wer nicht unter diesen drei Quellen ist, findet online praktisch nicht mehr statt.“
Die klassische Suchmaschinenoptimierung (SEO) entwickelt sich zur Generative Engine Optimization (GEO). Unternehmen müssen ihre Inhalte so aufbereiten, dass sie von KI-Systemen verstanden und empfohlen werden können.
Das erfordert:
- strukturierte Daten (Schema.org-Markup, klare Berufsbeschreibungen, Metadaten)
- zielgruppenrelevante Inhalte (Sprache und Tonalität junger Menschen)
- starke Partnerplattformen, die Reichweite sichern
Fazit: Wer SEO bisher ernst genommen hat, hat jetzt einen Vorsprung. Wer nicht, muss dringend aufholen.
5. Hack #3: Glaubenssätze hinterfragen
Viele Betriebe blockieren sich selbst durch alte Denkweisen.
Typische Beispiele:
- „Unsere Azubis kommen nur aus der Region.“
- „Für den Job brauchen wir mindestens Abitur.“
- „Das haben wir schon immer so gemacht.“
Doch die Realität ist längst anders:
Etwa 15 Prozent der Auszubildenden ziehen heute für ihre Ausbildung um. Und das Potenzial ist größer – über 50 Prozent wären grundsätzlich bereit dazu.
Auch beim Bildungsabschluss lohnt sich ein Umdenken. Banken etwa haben ihre Anforderungen gesenkt und setzen stärker auf E-Learning und individuelle Förderung. Ergebnis: mehr Bewerber, diversere Teams und stabile Ausbildungsergebnisse.
Von Zittwitz rät:
„Wer heute überregionale oder vielfältige Zielgruppen ausschließt, verzichtet auf die besten Talente.“
6. Hack #4: Echte Begegnungen schaffen – Praktikum ist der neue Bewerbungsprozess
Je digitaler die Welt, desto wertvoller wird der persönliche Kontakt.
Praktika, Schulkooperationen oder Azubi-Events sind entscheidende Touchpoints im Recruiting-Funnel.
Viele Unternehmen berichten, dass ehemalige Praktikant:innen später die besten Auszubildenden werden.
Wer also Schülerpraktika anbietet, sollte diese systematisch begleiten und nachhalten – zum Beispiel durch Talent Pools oder regelmäßige Follow-ups.
„Das echte Kennenlernen schafft Vertrauen. Junge Menschen wollen sehen, wie es wirklich ist – wie es riecht, klingt und sich anfühlt“, so Petsch.
7. Hack #5: Neue Ausbildungsmodelle denken – Flexibilität als Attraktivitätsfaktor
Ausbildung darf 2026 nicht mehr altmodisch wirken.
Beispiel: DATEV bietet eine „mobile Ausbildung“ an. Azubis können sich über die Zeit mobile Arbeitstage erspielen und haben ähnliche Freiheiten wie festangestellte Mitarbeitende.
Auch Homeoffice gehört inzwischen zum Ausbildungsauftrag, sagt Petsch:
„Unsere Azubis dürfen ins Homeoffice – nicht, weil sie es müssen, sondern um den verantwortungsvollen Umgang damit zu lernen.“
Das signalisiert Modernität und Augenhöhe – besonders wichtig, um leistungsstarke Abiturient:innen anzusprechen.
8. Hack #6: Retention ist Teil der Akquisition
Viele Betriebe trennen Recruiting und Ausbildung zu stark.
Doch Azubi-Bindung beginnt vor der Vertragsunterschrift – und ist ein mächtiges Recruiting-Instrument.
Unternehmen punkten, wenn sie zeigen:
- Wir investieren in E-Learning & Mentoring
- Wir fördern eure persönliche Entwicklung
- Wir bieten klare Karrierepfade nach der Ausbildung
Bekannte Marken wie StudyFlix oder Vocanto nutzen diesen Effekt bereits, indem sie Lernangebote mit Employer Branding verbinden.
Von Zittwitz betont:
„Wer in seine Azubis investiert, gewinnt gleich doppelt: Sie bleiben länger – und sprechen positiv über das Unternehmen.“
9. Hack #7 (Masterhack): Unternehmenskultur als Gamechanger
Der wichtigste Faktor für erfolgreiche Ausbildung 2026 ist nicht Technologie – sondern Kultur.
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – dieser Satz ist heute ein Killer. Junge Generationen erwarten Respekt, Augenhöhe und Sinn.
Unternehmen, die noch nach alten Hierarchien ticken, verlieren Bewerber und riskieren hohe Abbruchquoten.
Derzeit liegt die Abbruchquote in der Ausbildung bei rund 30 Prozent – ein alarmierendes Signal.
„Eine wertschätzende, moderne Kultur ist der Gamechanger“, sagt von Zittwitz.
„Sie entscheidet, ob Bewerber bleiben – oder gehen, bevor sie richtig anfangen.“
Eine gute Kultur zeigt sich überall: im Vorstellungsgespräch, auf Messen, in Social Media und im Alltag. Und sie zahlt direkt auf Recruiting, Bindung und Employer Branding ein.
Fazit: Ausbildung 2026 ist digital, menschlich und strategisch
Die Ausbildungsgewinnung der Zukunft ist kein Zufallsprodukt. Sie basiert auf klaren Prinzipien:
- Speed und Sichtbarkeit sind Pflicht.
- KI und neue Suchsysteme verändern das Spiel – Unternehmen müssen technisch mitziehen.
- Offene Haltung und gelebte Kultur sind entscheidend, um Talente zu gewinnen und zu halten.
- Echte Begegnungen bleiben der stärkste Faktor im Azubi-Marketing.
- Neue Modelle wie hybride oder mobile Ausbildung machen Arbeitgeber modern und attraktiv.
Wer diese sieben Hacks beherzigt, stellt nicht nur seine Ausbildungsprogramme zukunftssicher auf – sondern sichert auch die eigene Wettbewerbsfähigkeit als Arbeitgeber.















