photo of dining table and chairs inside room
Foto von Nastuh Abootalebi
Von Haus aus sind Sie Jurist. Da ist es schon etwas verwunderlich, dass Sie davon leben, Kinderkrippen ins Leben zu rufen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Das hat sich aus der Bedarfslage ergeben. Ich habe schon in meiner Familie und später im Studium und im Beruf immer wieder erleben müssen, dass in Deutschland die Kinderbetreuung nicht bedarfs- und familiengerecht aufgebaut ist. Es gibt zu wenig Kindergartenplätze und die Plätze, die es gibt, befinden sich meistens recht weit von der Arbeitsstelle entfernt und haben sehr ungünstige Öffnungszeiten. So können Eltern meistens den beruflichen Alltag mit der Kinderbetreuung nicht in Einklang bringen. Viele stehen heute noch vor dem Problem, dass sie sich zwischen der Karriere und der eigenen Familie entscheiden müssen.

Was unterscheidet Kinderzentrum Kunterbunt e.V. von öffentlichen Einrichtungen?

Wir führen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur begrifflich durch, sondern auch räumlich. Unsere Einrichtungen befinden sich an den Arbeitsplätzen der Eltern, in größeren Firmen, bei Kliniken, bei Behören oder Flughäfen. Kinderzentren Kunterbunt e.V. hat in der Regel die längsten Öffnungszeiten in den Städten und außerdem sind die Kindergärten das ganze Jahr geöffnet. Auch am Samstag oder Sonntag können die Eltern ihre Kinder zu uns in die Betreuung bringen, was aufgrund der Arbeitszeiten oftmals bei Kliniken der Fall ist. Wir bieten den Eltern flexible Buchungszeiten – je nach Bedarf stunden- oder tageweise. Das pädagogische Angebot ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Die Pisa-Studie hat gezeigt, dass Kindertagesstätten nicht nur Orte für die Betreuung sind, sondern auch Bildungseinrichtungen. Wir bieten bei Bedarf bilinguale Kurse an oder pädagogische Programme zu Ernährung, Gesundheit und Bewegung.

Was haben Unternehmen davon, in die Kinderbetreuung ihrer Mitarbeiter zu investieren?
Für die Unternehmen ist unser Angebot von besonderem Vorteil, um sich im Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs und die besten Fachkräfte besser zu positionieren. Die Firmen können nicht nur ihr gut ausgebildetes Fachpersonal an den Standort binden, sondern sie sind auch attraktiv für neue Mitarbeiter, für die selbstverständlich auch die Frage der Kinderbetreuung bei der Arbeitsplatzwahl eine Rolle spielt.

Wie läuft das in der Praxis ab, wenn ein Unternehmen Interesse an Ihren Kindertagesstätten hat?
Wir vereinbaren zunächst einen Gesprächstermin, in dem wir uns als Trägerverein vorstellen und präsentieren, was wir für das Unternehmen tun könnten. Anschließend gibt es in der Regel eine Umfrage unter den Mitarbeitern des Unternehmens, um wirklich genau den Bedarf festzustellen. Wir bereiten die Ergebnisse auf und entwickeln daraus eine Empfehlung. Je nachdem wie viele Mitarbeiter einen konkreten Betreuungswunsch angemeldet haben und welches pädagogische Angebot sie sich wünschen, sagen wir, wie viele Gruppen Kinderkrippe, Kindergärten oder Hortbetreuung in welcher Form zum Unternehmen passen könnten.

Wie geht es weiter, wenn sich das Unternehmen für eine Einrichtung entschieden hat?

Dann überprüfen wir zunächst die Gegebenheiten vor Ort. Hat das Unternehmen Räume oder Grundstücke auf dem Firmengelände, die für die Einrichtung zur Verfügung stehen? Auf einem freien Gelände können wir mit unserem eigenen Architekten neu bauen. Dazu gibt es Kindergartenmodule, die wir auf die entsprechenden Grundstücke zuschneiden. Manchmal müssen wir auch nach geeigneten Räumlichkeiten erst suchen, ein Objekt kaufen oder umbauen. Wenn diese Fragen geklärt sind, legen wir noch eine Zeitschiene fest bis hin zur Eröffnung. Das heißt, ab dem O.K. der Firma übernehmen wir alles - bis hin zur Beantragung öffentlicher Mittel und den Gesprächen mit Behörden.

Was sind das für Unternehmen, die einen eigene Kindertagesstätte benötigen? Lohnt sich das erst ab einer bestimmten Firmengröße?

Ganz aktuell arbeiten wir für einen Großteil der DAX-Konzerne und es sind auch einige Mittelständler dabei. Im Prinzip lohnt sich eine Einrichtung ab 250 Mitarbeitern, wenn der Frauenanteil bei ungefähr 50 Prozent liegt. Je größer das Unternehmen desto mehr Sinn macht natürlich eine eigene Kinderbetreuung.
Kleinere Unternehmen können sich an Einrichtungen für Gewerbeparks beteiligen, denn diese Kitas sind so konzipiert, dass sie von mehreren geteilt werden können. Wenn sich einige kleine Firmen in der Nähe zusammentun, konzipieren wir auch eine Einrichtung für drei bis fünf Betreibe und vergeben eine bestimmte Zahl Belegplätze an jeden einzelnen.

Was kostet das die Unternehmen und wie können Sie profitabel wirtschaften?

Früher war das Angebot noch sehr teuer und das hat sich leider bei vielen Unternehmen in der Vorstellung festgesetzt. Da die Förderung von betriebliche Kinderbetreuung inzwischen gesetzlich verankert ist, kostet das Konzept und in der Regel auch der Betrieb nichts. Neben öffentlichen Zuschussgeldern finanzieren wir uns über Elternbeiträge, die jedoch vergleichbar sind mit kommunalen Einrichtungen vor Ort. Wir sind ein gemeinnütziger Trägerverein, der keinen Gewinn oder Verlust erwirtschaften darf.

Sie machen gar keinen Gewinn?

Selbstverständlich machen wir einen kleinen Umfeldgewinn, den wir aber im nächsten Jahr reinvestieren. Wir brauchen also keine Mittel des Unternehmens, doch wenn einige Unternehmen – zumeist sind das größere Konzerne - eine spezielle Einrichtung haben wollen und besonders hohe Anforderungen an die räumliche Konzeption oder das Angebot rundherum haben, dann kommt der Hort mit den Elternbeiträgen und mit den öffentlichen Zuschüssen nicht mehr aus. Nur in diesem Fall müsste uns die Firma entsprechend unterstützen. Das ist also eine freiwillige Leistung, die vom Unternehmen gegeben werden kann und viele Firmen sind dazu auch bereit. Unternehmen verlieren folglich kein Geld, sondern gewinnen nur an zufriedenen Mitarbeitern.

Wie reagieren bisherige Anbieter, also öffentliche Einrichtungen, auf Ihr Unternehmen? Gibt es da Anfeindungen oder Konkurrenz?
Nein, ich glaube nicht. Wir ergänzen uns sehr gut mit öffentlichen Einrichtungen und decken auch nur einen kleinen Zielbereich ab. Unsere Kitas sind in den größeren Städten vorhanden, weil dort die größeren Firmen sitzen. Unser Angebot würden wir auch nicht auf dem Land umsetzen, weil das mit den langen Öffnungszeiten und der ganzjährigen Öffnung nicht machbar ist. Unser Fokus ist ganz klar die betriebliche Kinderbetreuung in großen Städten. Die öffentlichen Einrichtungen haben ebenso ihr Daseinsrecht. Meine Einschätzung ist, dass hier keiner jemand etwas wegnimmt.

Was ändert sich für Sie mit den aktuellen Plänen der Bundesregierung, die Krippenplätze in Deutschland auszubauen?

Wir haben einen immensen Nachfrageschub. Ich begrüße es, dass da endlich etwas getan wird, denn im internationalen Vergleich hinken wir noch sehr hinterher. Wir hätten heute auch viele Probleme nicht, wenn wir die Thematik schon vor 30 Jahren angegangen wären. Natürlich wollen wir nun unseren Beitrag dazu leisten, die Kinderbetreuungssituation zu verbessern. Den Ansturm können wir meistern, da wir aus der Wirtschaft große Unterstützung bekommen. Im Rahmen unseres Probono-Projekts mit Deloitte, eine der weltweit größten Unternehmensberatungen, steht uns ein Berater zur Seite, der unseren Expansionsprozess und die damit einhergehenden strukturellen Auswirkungen begleitet. Außerdem unterstützt uns Lex Mundi, die weltweit größte Anwaltsvereinigung, in Rechtsfragen.

Wie viele Einrichtungen betreiben Sie mittlerweile und wie sieht Ihre Planung aus?

Wir haben derzeit zwölf eigene Einrichtungen und werden in den nächsten zwölf Monaten 26 weitere Einrichtungen umsetzen. Der Plan für die nächsten drei Jahre sieht 105 weitere neue Einrichtungen vor. Es gibt derzeit genügend Aufträge: Wir arbeiten an 127 Projekten. Davon werden sicherlich manche nicht demnächst umgesetzt und andere werden vielleicht nichts, weil die Firma sich nur informiert hat. Manchmal kommen auch wir zu dem Schluss, dass ein Hort nicht rentabel wird, weil die Firma zu klein ist oder weil die räumlichen Voraussetzungen nicht da sind.

Kinder werden weniger, aber Ihre Einrichtungen mehr – wie passt das zusammen?

Das passt sehr gut zusammen, weil der Trend eigentlich in zwei Richtungen geht. Natürlich lässt sich generell sagen, dass Kinder weniger werden, aber das trifft nicht auf die Metropolen zu, denn dort werden die Kinder mehr. Viele Familien ziehen zu den Arbeitsplätzen hin und die befinden sich nun mal bei den Großstädten. Auf der anderen Seite hat es einen Grund, warum die Deutschen weniger Kinder kriegen: Die Schwierigkeit der Vereinbarung von Familie und Beruf ist einfach noch zu groß. Wir stellen immer wieder fest, dass eine Einrichtung von uns, die vorab eine Bedarfsanalyse erstellt hatte, ungefähr eineinhalb Jahre nach Bestehen eine wesentlich höhere Nachfrage hat. Folglich möchten viele Eltern zwar gern Kinder, aber sie konnten sich noch nicht dazu entschließen, weil sie ihre Karriere nicht vernachlässigen wollten oder weil sie nicht drei Jahre aus dem Beruf aussteigen konnten. Sobald sie ihre Betreuungssituation gewährleistet sehen, entscheiden sie sich zum ersten, zweiten oder gar dritten Kind.

Was sagen Sie Menschen, die fordern, dass Kinder von den eigenen Eltern betreut werden sollen?

Das ist schon richtig, es muss nur nicht die ganze Zeit über sein. Übrigens: Das ist eine typisch deutsche Diskussion, in unseren Nachbarländern gibt es diese Debatte gar nicht. Kinder müssen einen sehr starken Bezug zur eigenen Familie haben, aber den nimmt ihnen eine Kindertagesstätte doch nicht weg. Im Gegenteil: Eine Kinderbetreuungseinrichtung ergänzt die Familie und kann in vielen Bereichen die Kinder noch einmal zusätzlich fördern. Ich denke dabei beispielsweise an die umfangreiche Musikausstattung, die in unseren Kinderkrippen vorhanden ist. Keine Familie würde sich zu Hause zehn verschiedene Musikinstrumente anschaffen. Oder der Bewegungsbereich: Welche Familie hat denn schon ihren eigenen Turnraum? In den Einrichtungen haben wir einen umfangreichen Kontakt zum Elternhaus in Form von Elterngesprächen, Elternabenden, Mitgliederzeitschrift, Infoschreiben und gemeinsamen Festen. So erreichen wir eine hohe Transparenz und können die Familie optimal unterstützen. Wir sehen uns als Partner zur Familie, denn es kann nur miteinander gehen.

Interview: Stefanie Hornung

Björn Czinczoll wird am 12. September, um 10:15 Uhr, auf der Fachmesse Zukunft Personal in Köln sein Angebot für Unternehmen präsentieren. Weitere Informationen unter www.zukunft-personal.de.