„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dieser unter anderem Winston Churchill, Karl Marx und Karl Valentin zugeschriebene Aphorismus trifft auch auf wissenschaftliche Anstrengungen zu. Wer dennoch über die Zukunft des Personalmanagements im deutschsprachigen Raum sinnieren will, muss Rahmenbedingungen und aktuelle Schwerpunkte der Diskussion zum Personalmanagement berücksichtigen.

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Foto von bruce mars

Vier zentrale Faktoren prägen das Personalmanagement im deutschsprachigen Raum:

  • Europa als einzigartiger Kontext: Europa stellt historisch, kulturell, ökonomisch und politisch einen weltweit einzigartigen Kontext von Unterschiedlichkeit und Ähnlichkeit dar, der durch die EU noch ein besonderes Element erhält.
  • Deregulierung, Wettbewerb und Ökonomisierung: Die EU beseitigt Hemmnisse für den freien Markt und intensiviert damit den Wettbewerb. Diese Tendenzen setzen sich auch zunehmend in traditionell stärker regulierten Wirtschaftsräumen wie den deutschsprachigen Ländern durch.
  • Individuelle und organisationsbezogene Diversität:Der Wunsch nach individuellen Lebensentwürfen nimmt zu – und damit auch die gesellschaftliche Vielfalt – bezogen auf Geschlecht und dessen Interpretation, Ethnie, Religion, sexuelle Orientierung oder Familienformen. Parallel dazu entstehen neue Organisationsformen wie Netzwerke oder „Public-Private-Partnerships“.
  • Virtualisierung: Die Virtualisierung entkoppelt Prozesse und Handlungen von ihrer materiellen Basis, vor allem durch Informations- und Kommunikationstechnologien. Schlagworte wie „Telearbeit“ oder „mobiles Büro“ zeigen dies deutlich. 

Vor diesem Hintergrund lassen sich folgende Trends im Personalmanagement identifzieren, die sich in Zukunft voraussichtlich weiter verstärken werden.

1. Keine Auflösung der Personalabteilung

Angesichts des erhöhten Wettbewerbs bemühen sich die Unternehmen um schlanke Organisationen. Auch Personalabteilungen geraten unter Druck. Wolfgang Mayrhofer, Chris Brewster und Michael Morley konnten in einer europäischen Längsschnittanalyse (Cranet-Studie) feststellen, dass die Größe der Personalabteilungen zwischen 1990 und 1999 relativ zur Beschäftigtenzahl von 1,71 auf 1,46 Vollzeitstellen pro 100 Beschäftigte abnahm. Neuere Erhebungen im Rahmen dieser Studie zeigen allerdings sehr unterschiedliche Trends in den europäischen Ländern und insgesamt keine Tendenz zu einer Verringerung.

Die in der Literatur teilweise beschworene „Auflösung“ der Personalabteilung scheint also nicht stattzufinden. Zwar hat das Outsourcen von Personalagenden seinen festen Platz im Portfolio der betrieblichen Personalarbeit. Dennoch existieren nach wie vor zentrale Personalabteilungen, die – teilweise mit neuer Bedeutungszuweisung – wichtige Aufgaben innerhalb der Organisation übernehmen. Da der Aufgabenumfang des Personalmanagements steigt und zum Beispiel spezialisierte Arbeitskräfte immer schwieriger zu finden sind, benötigen die Personalspezialisten jedoch verstärkt „Hebel“ und „Verbündete“. Dazu zählen Instrumente wie das firmeneigene Intranet, E-Recruiting-Tools oder Konzepte, die das Linienmanagement verstärkt in personalwirtschaftliche Aufgaben einbinden.

2. HR muss einen messbaren Beitrag zum Erfolg leisten

Angesichts starker Wettbewerbs- und Kostenorientierung muss sich das Personalmanagement die Frage nach seinem „Wert“ gefallen lassen. Diesem Druck kann HR zum einen durch Evaluierung und eine strikte Kosten-Nutzen-Betrachtung seiner Arbeit begegnen. Zum anderen muss das Personalmanagement einen sichtbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Personalmanager müssen die relevanten Erfolgsfaktoren ihrer Arbeit kennen und diese dokumentieren. Hinsichtlich der Erfolgsfaktoren gibt es zwei Denkrichtungen. Die „universalistische Richtung“ geht davon aus, dass sogenannte „High Performance“- Praktiken den Erfolg des Unternehmens positiv beeinflussen – relativ unabhängig vom internen und externen Firmenkontext. Dieser Denkrichtung zufolge müssen Unternehmen zum Beispiel Arbeitsplatzsicherheit schaffen, leistungsbezogene Gehaltskomponenten anbieten und in die Personalentwicklung investieren, um die Produktivität zu erhöhen und Fluktuation vorzubeugen. Zwar wurde die Wirksamkeit dieser Instrumente partiell empirisch nachgewiesen, wie Markus Gmür und Boris Schwerdt in einer Metaanalyse aus dem Jahr 2005 zeigen. Allerdings sieht die neuere Literatur die universale Wirksamkeit bestimmter Personalmanagementpraktiken kritisch. Sie argumentiert, dass die Elemente der Personalarbeit aufeinander abgestimmt und in das Gesamtsystem des Unternehmens integriert werden müssen. Damit tritt die Frage der Strategie in den Vordergrund.

3. Virtualisierung eröffnet neue Möglichkeiten

Die Virtualisierung der Arbeitswelt hat erhebliche Auswirkungen auf die Personalarbeit. Zum einen setzen Unternehmen elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien verstärkt in der Personalverwaltung ein. Zum anderen verändern die technischen Entwicklungen Personalführung und  -entwicklung. Viele Teams kommunizieren über Ländergrenzen hinweg, haben wenig direkten Kontakt und arbeiten in zeitlicher Hinsicht asynchron. Das forciert Führungsinstrumente, die weniger auf den direkten Kontakt setzen, sondern die Internalisierung gemeinsamer Vorstellungen in den Vordergrund rücken. In der Personalentwicklung erweitert die Virtualisierung den Raum der Möglichkeiten. Lernmedien wie CD-ROM oder webbasierte Lernsysteme lockern die traditionell engen raum-zeitlichen Bindungen der Personalentwicklung. Lernen ist grundsätzlich jederzeit und an jedem Ort möglich.

4. Diversität wird zum Hebel für das Personalmanagement

Die Globalisierung führt dazu, dass Unternehmen mit zunehmend heterogenen Belegschaften aus unterschiedlichen Kulturkreisen arbeiten. Diese Vielfalt ist eine Herausforderung für das Personalmanagement, dessen Aktivitäten zielgruppengerecht ausgerichtet sein müssen. HR muss Integrationsarbeit leisten und zwischen Kulturen vermitteln, um gemeinsame Zielsetzungen zu ermöglichen. Auch die zunehmende Vielfalt der Organisationsformen stellt HR vor Herausforderungen: Wenn Organisationen sich zunehmend zu Netzwerken zusammenschließen, denen unterschiedliche gesellschaftliche Subsysteme aus Wirtschaft, Politik oder Kunst angehören, ist das Personalmanagement gefragt, Konzepte zu entwickeln, die diese Eigenarten berücksichtigen und nutzen. Andererseits ist Diversität auch eine Ressource, die bei spezifischen Aufgabenstellungen zu einer besseren Gesamtleistung führen kann. So weisen etwa Margaret Linehan und Edeltraud Hanappi-Egger in ihrer Analyse von Diversity und Diversity-Management in Deutschland, Irland und Österreich (2006) auf die positiven Effekte für Problemlösungskapazität, Ergebnisqualität und strategische Optionen hin.

5. Neue Beschäftigungsformen führen zu neuen Problemstellungen

Die wachsende Vielfalt der Arbeits- und Beschäftigungsformen, zum Beispiel durch die neue Selbstständigkeit, Ein-Personen-Unternehmen oder Telearbeit, verändert die Personalbereitstellung als zentrale Aufgabe des Personalmanagements. Sowohl im Recruiting als auch in der Personalverwaltung müssen Unternehmen die neuen Beschäftigungsformen berücksichtigen. Außerdem müssen sie zukünftig einem veränderten Karriereverständnis Rechnung tragen. Konzepte wie die „grenzenlose“ oder „proteische“ (wandelbare) Karriere spiegeln wider, dass Menschen die berufliche Entwicklung nicht mehr vorrangig mit lang andauernder Unternehmenszugehörigkeit und internem Aufstieg verknüpfen. Vielmehr sehen sie die Zugehörigkeit zu Unternehmen von vornherein als befristet an. Sie sind bereit, zwischen Organisationen, Beschäftigungsformen und Arbeitsinhalten zu wechseln, um ihre individuellen Karrierepläne zu verwirklichen. Damit ist es erforderlich, das personalwirtschaftliche Instrumentarium im Bereich von Motivation, Kompensation oder Weiterbildung zu spezifizieren.

Internationaler Vergleich

Wie entwickelt sich das Personalmanagement im internationalen Vergleich? Diese Frage ist weder theoretisch noch empirisch entschieden. Auf der Theorieseite gibt es starke Argumente für eine zunehmende Konvergenz des Personalmanagements verschiedener Länder. So geht der World Polity Approach davon aus, dass Unternehmen auf weltumspannende Mythen wie Rationalität, Effizienz oder Wettbewerb auf sehr ähnliche Weise reagieren (müssen). Andere theoretische Zugänge wie etwa komparative institutionalistische Ansätze wiederum betonen die große Bedeutung landesspezifischer Unterschiede. Empirisch lässt sich aus den vorliegenden Untersuchungen am ehesten schließen, dass das Personalmanagement in Europa zwar direktional, aber nicht final konvergent ist. Das heißt: Die Personalmanagementpraktiken in den einzelnen Ländern verfolgen dieselbe Richtung, indem sie zum Beispiel vermehrt flexible Entgeltformen einsetzen oder die Belegschaften stärker über strategische und finanzielle Fragen informieren. Allerdings bleibt die relative Unterschiedlichkeit zwischen den Ländern gleich oder erhöht sich sogar (keine finale Konvergenz). Multinationale Unternehmen müssen daher auch weiterhin Anpassungs- und Transformationsleistungen erbringen, um eine integrierte organisationsweite Personalarbeit zu entwickeln.

Literaturtipps

Personalmanagement und Führungskräfteentwicklung. Zahlen – Fakten – Praktische Konsequenzen. Von Christiane Erten-Buch, Wolfgang Mayrhofer, Uwe Seebacher und Guido Strunk. Linde Verlag 2006.

Managing Human Resources in Europe. A thematic approach. Hrsg. von Henrik H. Larsen und Wolfgang Mayrhofer. Routledge Verlag 2006.

Der Beitrag des Personalmanagements zum Unternehmenserfolg. Eine Metaanalyse nach 20 Jahren Erfolgsfaktorenforschung. Von Markus Gmür und Boris Schwerdt. In: Zeitschrift für Personalforschung, 19. Jg., Heft 3 (2005), S. 212–251.

Quelle: personal manager 2/2007