Bereits seit einigen Jahren ist der Begriff „Employability“ zu einer festen Größe im Denken und Handeln zahlreicher Personal- und Unternehmensverantwortlicher geworden. Employability (Beschäftigungsfähigkeit) zeigt sich in der Fähigkeit, fachliche, persönliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um Erwerbsfähigkeit zu erlangen und zu erhalten.

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Foto von Markus Spiske

Sich der Illusion hinzugeben, dass der “ideale” Mitarbeiter, flexibel, engagiert und den Zielen des Unternehmens verpflichtet, durch die Tür spazieren und fortan aus eigenem Antrieb die Geschicke seines Arbeitgebers in die gewünschte Richtung führen wird, kommt in etwa dem Warten auf den berühmten “Prinzen auf dem weißen Pferd” gleich. Für die Ausprägung von Beschäftigungsfähigkeit spielt die Sozialisation des Einzelnen eine nicht unerhebliche Rolle.

Des Weiteren trägt jeder Beschäftigte selbst Verantwortung für Erhalt und Weiterentwicklung seiner “Employability”. Dennoch ist auch das Unternehmen in der Pflicht, das ein berechtigtes Interesse an mündigen, beschäftigungsfähigen Mitarbeitern hegt, um so seine Wettbewerbsfähigkeit in einer immer komplexer und innovativer werdenden Wirtschaftswelt zu bewahren. Beide Seiten sollten an diesem gemeinsamen Ziel arbeiten, das Arbeitgebern ebenso wie Arbeitnehmern einen nicht zu unterschätzenden Nutzen verspricht.

Die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern, bedeutet dabei nicht, diesen eine Fülle an Entwicklungsprogrammen zuteilwerden zu lassen, wie es viele Personalverantwortliche noch immer fälschlicherweise annehmen. Es geht vielmehr darum, den Mitarbeiter als einen der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren an das Unternehmen zu binden und ihm ein Umfeld zu bieten, in dem er seine Kompetenzen zum beidseitigen Wohl entfalten und weiterentwickeln kann.

Ein solches Umfeld wird nicht alleine durch Personalentwicklung geschaffen, sondern bedarf vielmehr eines Ansatzes, der die Rahmenbedingungen, in denen sich der Mitarbeiter bewegt, in adäquater Weise berücksichtigt. Dazu gehören unter anderem Unternehmenskultur, Führung und Organisation.

Als eines der vier zentralen Handlungsfelder eines erfolgreichen Employability-Management-Ansatzes soll die Personalentwicklung nachfolgend etwas näher in den Fokus rücken.

Personalentwicklung im Employability

Management Traditionelle Angebote bezüglich der Personalentwicklung richten sich meist auf eine einmalige Ausbildung und spezifische Weiterbildungen, die Unternehmen in der Regel bedarfsorientiert anbieten. Bedarfsorientiert heißt in diesem Zusammenhang, dass die Weiterqualifizierung erst dann erfolgt, wenn ein Bedarf angemeldet oder ermittelt wird. Außerdem ist in Unternehmen häufig eine, wenn auch unbewusste, Tendenz vorhanden, Weiterqualifizierung insbesondere den Mitarbeitern zugutekommen zu lassen, die ohnehin bereits über eine höhere Qualifikation verfügen.

Personalentwicklung im Employability-Konzept verfolgt einen anderen, einen vorausschauenden Ansatz, in dem die Qualifikationen des Einzelnen kontinuierlich geprüft und an die konkreten Unternehmensbedürfnisse, die Beschäftigungssituation und die aktuell und zukünftig auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Kompetenzen und Fähigkeiten angepasst werden. Dabei sind auch niedrig qualifizierte Arbeitskräfte in entsprechende Konzepte einzubinden, da ihnen am vehementesten der Ausschluss aus der Erwerbsgesellschaft droht, wenn ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr länger marktfähig sind. Die Initiative geht dabei sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer aus, der nicht die Rolle des passiven Konsumenten der Aus- und Weiterbildungsangebote annimmt, sondern aktiv mitgestaltet. Die Bemühungen beider Seiten sollten hier die Aktivitäten der jeweils anderen Seite stärken und vorantreiben.

Die Employability-fördernde Personalentwicklung steht im Einklang mit:

  • der Förderung des „lebenslangen Lernens“
  • der Delegation von Personalentwicklungsverantwortung auf Mitarbeiter und direkte Vorgesetzte (Selbstentwicklung als Folge des Subsidiaritätsprinzips)
  • einer Zielgruppendifferenzierung
  • der Fokussierung auf überfachliche Kompetenzen sowie
  • der Integration unternehmens- und arbeitsbereichsbezogener Lernfelder.

Lebenslanges Lernen fördern

Lebenslanges Lernen impliziert, dass der Lern- Spannungsbogen während der gesamten Berufstätigkeit aufrechterhalten bleibt. Aufgabe der Personalentwicklung ist es in diesem Zusammenhang, eine Lernkultur im Unternehmen zu schaffen, die die Lernmotivation und -kompetenz der Mitarbeiter erhöht. Dazu gehört auch, die zeitlichen und räumlichen Bedürfnisse der Lernenden zu berücksichtigen. So lässt sich Lernen als natürlicher und immerwährender Prozess in unterschiedliche Lebensphasen integrieren. Darüber hinaus gilt es, informell erworbene Kompetenzen, beispielsweise durch ehrenamtliches Engagement oder durch Familienzeiten, ebenso als Teil der lebenslangen Lern- und Erfahrungsentwicklung anzuerkennen wie formell nachweisbare Qualifikationen.

Delegation der Verantwortung für die Personalentwicklung

Das Subsidiaritätsprinzip geht davon aus, dass in erster Linie der Mitarbeiter als mündiges Subjekt mit eigenen Interessen und Zielvorstellungen für seine Entwicklung verantwortlich ist. Der Vorgesetzte leistet ihm dabei „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Personalentwicklungs- Abteilung und andere professionelle Institutionen werden als dritte Instanz im Hintergrund aktiv.

Zielgruppendifferenzierung

Personalentwicklung sollte nicht länger pauschal und undifferenziert sein. Stattdessen sollte sie die Qualifikationen, Stärken, Präferenzen und Interessen, Lebensläufe, Aufgabenbereiche und -inhalte stärker berücksichtigen. Darüber hinaus gilt es darauf zu achten, Personalentwicklung nicht nur für ohnehin bereits gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte voranzutreiben, sondern auch zielgruppenspezifische Angebote für geringer qualifizierte Mitarbeiter anzubieten.

Fokussierung auf Schlüsselqualifikationen

Im Sinne des Employability-Gedankens konzentriert sich die Personalentwicklung nicht nur auf fach- und branchenbezogene Kenntnisse beziehungsweise auf technische Fertigkeiten, die für einen spezifischen Tätigkeitsbereich und Arbeitsplatz erforderlich sind. Darüber hinaus stellt sie sich der Herausforderung, den Mitarbeitern eine breite Basis an Soft Skills nahezubringen, die gerade im Hinblick auf Employability von besonderer Bedeutung sind. Wie bereits verdeutlicht, zählen zu diesen Soft Skills:

  • Initiative
  • Eigenverantwortung
  • unternehmerisches Denken und Handeln
  • Engagement / Fleiß / Selbstdisziplin
  • Lernbereitschaft
  • Teamfähigkeit
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Empathie, Einfühlungsvermögen
  • Belastbarkeit
  • Konfliktfähigkeit, Frustrationstoleranz
  • Offenheit, Veränderungsbereitschaft
  • Reflexionsfähigkeit

Integration unternehmens- und arbeitsbereichsbezogener Lernfelder Qualifizierung erfolgt nach dem Employability-Ansatz nicht mehr primär durch Seminare oder Outdoor-Veranstaltungen. Es geht vielmehr darum, dem Mitarbeiter bei seiner täglichen Arbeit und/oder in gezielten Lernfeldern zielgruppenspezifische Möglichkeiten zur Weiterentwicklung zu bieten. Solche Lernansätze sind beispielsweise

  • Dialog
  • Veränderung der Arbeitsinhalte durch „Jobrotation“, „Jobenlargement“ oder „Jobenrichment“
  • Team- und Projektarbeit
  • Coaching
  • Mentoring
  • Vermittlung von Best Practice und Best Process zum Beispiel in Form von Erfahrungsaustauschgruppen, Vorträgen oder Konferenzen
  • Großgruppeninterventionen wie zum Beispiel Open-Space-Meetings, World Café oder Zukunftskonferenzen
  • Nachwuchsförderprogramme

Allzu häufig fällt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Personalentwicklung als einer der ersten Bereiche dem Rotstift zum Opfer, hierbei spielen Kosteneinsparprogramme ebenso eine Rolle wie Personalabbau, der die Zeit für persönliche Weiterentwicklung stark reduziert. Ebenso zeigt sich bei Arbeitgebern häufig eine mangelnde Einsicht in die Sinnhaftigkeit von Personalentwicklungsbemühungen für Mitarbeiter, die unter Umständen recht schnell das Unternehmen wieder verlassen. Hier lässt sich als Gegenargument anführen, dass diese Mitarbeiter das Unternehmen für die Dauer ihrer Tätigkeit durch optimale Leistungserbringung voranbringen. Die oben aufgeführten Beispiele zeigen darüber hinaus deutlich, dass es sich bei Personalentwicklungsaktivitäten, die durch praxisnahes Lernen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit beitragen, durchaus nicht um kostspielige, extern eingekaufte Trainings handeln muss. Vielmehr tragen integrierte und individuelle Lernansätze erheblich zur Steigerung der Employability bei.

Da Qualifizierungen nicht ausschließlich unternehmensspezifisch sein müssen, erscheint es zudem durchaus vertretbar, dass die Mitarbeiter einen Teil der entstehenden Aufwendungen selbst tragen. Sie können sich finanziell beteiligen oder Freizeit für eine Weiterbildung opfern. Viele Mitarbeiter werden dadurch ein verstärktes Interesse an einer ziel- und zweckgerichteten Weiterbildung entwickeln. Darüber hinaus wird das Personalentwicklungsbudget entsprechend entlastet, sodass das Unternehmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in der Lage ist, die Beschäftigungsfähigkeit seiner Mitarbeiter zu fördern. Weiters sind Weiterbildungskooperationen mit anderen Unternehmen oder auch die Bildung von überbetrieblichen Netzwerken für Modelle der „Cross-Jobrotation“ denkbar. Neben der Reduktion von Kosten hat dieser Ansatz den Vorteil, dass der Mitarbeiter „über den Tellerrand des Unternehmens hinausschaut“, sich in wenig vertrauter Umgebung und Arbeitskontexten bewegen muss sowie andere Abläufe und Strukturen kennenlernt. Dies fördert den Umgang mit ungewohnten Situationen, Anpassungsfähigkeit sowie Flexibilität.

Wenn Personalentwicklung dem Employability-Management-Ansatz folgt, so wirkt sich dies auch auf das Verständnis von Karriere innerhalb des Unternehmens sowie im Denken jedes Einzelnen aus. Denn die klassische horizontale Karriere, in der sich der Weg „nach oben“ primär auf ein Arbeitsgebiet konzentriert, ist dem Employability-Gedanken ebenso wenig zuträglich wie die Fokussierung des Arbeitnehmers auf einen Arbeitgeber und ein Berufsfeld. Vielmehr sind ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Fach-, Führungs- und Projektlaufbahn im Unternehmen und eine Karriereplanung, die zwar klare Ziele formuliert, sich dabei jedoch eher an Talenten und beruflichem Umfeld orientiert als an einem bestimmten Arbeitsplatz, wichtige Eckpfeiler auf dem Weg zu lebenslanger Beschäftigungsfähigkeit.

Fazit: In einer dem Wandel unterworfenen Arbeitswelt, in der Innovationszyklen immer kürzer werden und Arbeitgeber sich zunehmend mit älter werdenden Belegschaften konfrontiert sehen, lässt sich die Aufgabe, lebenslange Beschäftigungsfähigkeit zu fördern, nicht länger aufschieben. Hier ist der Einzelne ebenso gefordert, sich einen “Sicherungsanker” auf der Basis fachlicher Qualifikationen und Schlüsselkompetenzen zu erarbeiten und zu bewahren, wie das Unternehmen, das ihm die entsprechenden Rahmenbedingungen hierfür bietet. Dazu gehören unter anderem die Förderung lebenslangen Lernens, die Delegation der Personalentwicklungsverantwortung auf die Mitarbeiter und direkten Vorgesetzten (Selbstentwicklung als Folge des Subsidiaritätsprinzips), die Zielgruppendifferenzierung, die Fokussierung auf überfachliche Kompetenzen und die Integration unternehmens- und arbeitsbereichsbezogener Lernfelder. Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft auf Unternehmensseite und die Sicherstellung einer befriedigenden und existenzsichernden Beschäftigung auf Seiten des Individuums sind untrennbar mit dem Thema Employability verbunden. Dabei gibt es kein “Patentrezept” – vielmehr muss jedes Unternehmen seinen ganz individuellen Weg finden, den Bedürfnissen seiner Belegschaft ebenso wie den Markterfordernissen gerecht zu werden.

Quelle: personal manager 1/2007