Ziel des Forschungsprojektes ist es, die Wirkungszusammenhänge zwischen den Mitarbeitern und den Leistungen von Unternehmen zu identifizieren und zu messen. Gegenstand der Untersuchung ist nicht nur die Mitarbeiterstruktur, sondern auch die Art, wie Unternehmen mit ihren Mitarbeitern umgehen. Darunter fallen zum Beispiel Aspekte der Personalpolitik sowie personelle Entscheidungen. Die Ergebnisse der statistischen Analysen sollen konkrete Hinweise für die Unternehmenssteuerung allgemein und die Personalarbeit im Besonderen liefern. Mit neun Unternehmen hat E&E bereits Pilotprojekte durchgeführt.

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Foto von Drew Beamer

Die Wertschöpfung als Erfolgskennzahl

Die Ergebnisse einer solchen Analyse sind nur dann gültig und steuerungsrelevant, wenn sie auf einer geeigneten Erfolgskennzahl basieren. Diese soll die langfristige Leistungsfähigkeit des Unternehmens widerspiegeln – unbeeinträchtigt von Quartalshysterie und Bilanzkosmetik. Sie sollte ohne großen Aufwand zu erheben und möglichst über das einzelne Unternehmen hinaus, über längere Zeiträume hinweg, vergleichbar sein. Außerdem sollte sie in einem sinnvollen Zusammenhang zur Leistung der Mitarbeiter stehen.

Eine Leistungskennziffer, die diesen Vorgaben entspricht, ist die Wertschöpfung eines Unternehmens in Verbindung mit der Personalinvestitionsquote (also der Quotient Wertschöpfung je Euro Personalaufwand). Vereinfacht kann die Wertschöpfung als Gesamtleistung des Unternehmens minus Vorleistungen berechnet werden. Sie entspricht dem „Wert der internen Leistungserstellung zu Marktpreisen“.

Warum liefern Analysen auf Basis der Wertschöpfung „steuerungsrelevante Kennzahlen“? In den meisten Unternehmen folgt die Wertschöpfung über Jahre hinweg einem sehr stabilen Trend. Deshalb sind (saisonbereinigte) Abweichungen vom Trend ernst zu nehmen und für die Unternehmenssteuerung relevant. Die Indikatoren „Wertschöpfung je Euro Personalkosten“ (Personalinvestitionsquote) beziehungsweise „Wertschöpfung je Euro Materialkosten“ und „Wertschöpfung pro Mitarbeiter“ geben Anhaltspunkte darüber, wo Chancen oder Risiken zu vermuten sind, sodass die Unternehmensleitung entsprechend gegensteuern oder unterstützen kann. Bereits diese wenigen, aus öffentlich zugänglichen Bilanzdaten abgeleiteten Kennziffern geben Auskunft über die Entwicklung eines Unternehmens, wie das Beispiel der Deutschen Post AG belegt.

Einfluss personeller Veränderungen auf die Wertschöpfung

Abbildung 1 zeigt, wie sich Wertschöpfung, Vorleistungen, Personalaufwand und Mitarbeiterzahl der Deutschen Post AG zwischen 1993 und 2003 entwickelt haben. Darüber hinaus bildet sie die Veränderungen der daraus abgeleiteten Verhältniszahlen ab. Alle Daten sind der Hoppenstedt-Bilanzdatenbank entnommen. Im gleichen Zeitraum, in dem das ehemalige Staatsunternehmen im Zuge seiner Transformation zum börsennotierten Konzern Umstrukturierungen durchmachte, blieb seine Wertschöpfung bemerkenswert konstant – der Indexwert bewegte sich durchgehend zwischen 100 und 110 Prozent.

Abbildung 1:Deutsche Post AG – Entwicklung der Wertschöpfung und wertschöpfungsrelevanter Kennziffern, 1993 bis 2002

Quellen: Daten – Hoppenstedt; Berechnungen – E&E information consultants AG

Wie an den steigenden Ausgaben für Vorleistungen abzulesen (der Aufwand für eingekaufte Güter und Dienstleistungen stieg in derselben Zeit um mehr als das Doppelte), blieb die Wertschöpfung bei verringerter Wertschöpfungstiefe stabil. Üblicherweise geht dies mit einer Umstrukturierung der Belegschaft einher, bei der die Leistung geringer qualifizierter Mitarbeiter durch erhöhten Materialeinsatz substituiert wird. Die steigenden Pro-Kopf-Personalkosten zeigen, dass dies auch für die Deutsche Post AG galt.

Der Zeitvergleich macht deutlich, dass die Entscheidung sinnvoll war, vorrangig auf höher qualifizierte Mitarbeiter zu setzen, obwohl das Unternehmen für diese Investition in das Humankapital kurzfristig überproportionale Personalkosten pro Mitarbeiter in Kauf nehmen musste. Langfristig stieg die Wertschöpfung pro Mitarbeiter stärker als die Pro-Kopf-Personalkosten. Zudem verlangsamte sich der Personalabbau in den vergangenen Jahren und die Personalkosten pro Mitarbeiter sanken leicht. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass der Konzern zunehmend als attraktiver Arbeitgeber für jüngere Arbeitnehmer galt, oder darauf, dass er wieder neue Arbeitsplätze für geringer qualifiziertes Personal schaffen konnte. Alle drei Aspekte sprechen für den nachhaltigen Erfolg der gewählten Personalstrategie.

Vergütung und Wertschöpfung Zusammenhänge zwischen Humankapital bzw. Personalarbeit und Unternehmenserfolg lassen sich jedoch nicht nur im rückblickenden Zeitreihenvergleich untersuchen. Alternativ dazu können Unternehmen oder Abteilungen auch anhand relativ aktueller Daten verglichen werden, wie das folgende Beispiel zeigt.

Ein auf Konsumentenkredite spezialisiertes Finanzdienstleistungsunternehmen wollte die Wirksamkeit und Effizienz seines Vergütungs- und Anreizsystems nach fünf Jahren Laufzeit kritisch evaluieren. E&E analysierte (für die betreffenden fünf Jahre) anonymisierte und gemittelte Daten zu Mitarbeitern und Geschäftserfolg (gemessen anhand der Personalinvestitionsquote) der 18 Regionaleinheiten. Der mögliche Einfluss weicher Faktoren, wie zum Beispiel Mitarbeiterzufriedenheit, wurde für jede Regionaleinheit in die Regression einbezogen.

Die Analyse zeigte, dass sich einige Variablen auf die Höhe der Gesamtvergütung auswirken, ohne den Unternehmenserfolg (Personalinvestitionsquote) zu beeinflussen. Dazu zählen das Alter, die Unternehmenszugehörigkeit und die Zeitspanne, in der ein Mitarbeiter eine bestimmte Funktion ausübt (siehe Abbildung 2). Auch die absolute Höhe der Vergütung hat keinen signifikanten Einfluss auf die Wertschöpfung je Euro Personalkosten. Bemerkenswert ist dennoch, dass sich die Höhe des fixen Durchschnittsverdienstes tendenziell negativ auf den Geschäftserfolg auswirkt, die Höhe des variablen Zieleinkommens hingegen positiv.

Abbildung 2:Wirkzusammenhänge zwischen Unternehmenserfolg und dem Vergütungs- und Anreizsystem am Beispiel eines deutschen Finanzdienstleisters. Graue Balken sind Schätzwerte für Parameter ohne nachweisbaren Einfluss auf die Personalinvestitionsquote, orangefarbene Balken markieren die Werte für den Einfluss signifikanter Faktoren:

* signifikant mit Fehlerwahrscheinlichkeit <10%,

** signifikant mit Fehlerwahrscheinlichkeit <5%,

*** signifikant mit Fehlerwahrscheinlichkeit <1%.

Der Gesamteffekt eines Faktors (einer Maßnahme oder Kennziffer) auf den Wert der Personalinvestitionsquote ergibt sich durch das Produkt aus Parameterschätzwert und Faktorwert.

Quelle: E&E information consultants AG

Einige Faktoren wirken sich signifikant auf die Personalinvestitionsquote aus. Dazu gehören insbesondere

  • der variable Anteil am Zielgehalt,
  • die Verteilung dieses variablen Anteils auf die zwei Komponenten „Leistungsbeurteilung durch die Führungskraft“ und „individuelle Umsatzziele“ sowie
  • der durchschnittliche Zielerreichungsgrad der Mitarbeiter.

Die Untersuchung hat somit gezeigt, dass Zusammenhänge zwischen Anreizsystem und Geschäftserfolg bestehen, wenn auch nicht immer in der Richtung, auf die sie abzielten. Für die Verantwortlichen im Unternehmen bestätigte sich die Vermutung, dass das System, zum Beispiel bezogen auf die Zielvereinbarungen und deren Überprüfung, noch deutlich optimierungsbedürftig ist. Mit dem Nachwuchsförderprogramm wiederum konnte die Organisation zu Recht zufrieden sein.

Darüber hinaus lieferte die Auswertung interessante Ergebnisse über den Zusammenhang zwischen der „Zufriedenheit mit der Fühungskraft“ und der Wertschöpfung. In der jährlichen Mitarbeiterbefragung können die Beschäftigten den Faktor „Zufriedenheit“ nach Schulnoten bewerten. Überraschenderweise stieg die Wertschöpfung pro Euro Personalkosten mit jeder schlechteren Schulnote, anstatt zu sinken. Zwar war der schlechteste vergebene Wert immer noch „befriedigend“, dennoch löste das Ergebnis die berechtigte Diskussion aus, ob es für ein wettbewerbsorientiertes Finanzdienstleistungsunternehmen nicht sinnvoller sei, stärker auf das Mitarbeiter-Commitment als auf die bloße Zufriedenheit im Unternehmen zu setzen.

Kennzahlenkataloge erstellen

Jedes Unternehmen hat individuelle Strukturmerkmale, die Erfolg oder Misserfolg ausmachen. Sie unterscheiden sich von Organisation zu Organisation. Konventionelle Konzepte zur Humankapitalbilanzierung und Personalcontrolling-Systeme kranken oft daran, dass die enthaltenen Kennzahlen keine Steuerungsrelevanz für einzelne Unternehmen besitzen. Mit der Ist-Erhebung einer steigenden Zahl von Statistiken scheinen sie teilweise wie Zahlenspielereien um ihrer selbst willen. Allzu oft fehlt eine Soll-Perspektive oder ein Hinweis darauf, inwiefern die durch die Kennzahlen beschriebenen Zusammenhänge ausschlaggebend für das Wohl des Unternehmens sind. Ein steuerungsrelevanter Kennzahlenkatalog sollte auf das Unternehmen zugeschnitten sein. Personalverantwortliche können hier wichtige Vorarbeit leisten, denn ausgehend von ihrer Erfahrung können sie – besser als externe Fachleute – Hypothesen über die Wirkzusammenhänge zwischen Unternehmenserfolg und Mitarbeiterstruktur bilden. Idealerweise berücksichtigen sie dabei auch die Unternehmensstruktur und -hierarchie sowie das kulturelle und strukturelle Kapital. Die Hypothesen können mit Hilfe bereits vorliegender oder eigens erhobener Daten operationalisiert und ausgewertet werden.

Basierend auf mehrdimensionalen Regressionsmodellen aus der Humankapitaltheorie entsteht ein Kennzahlenkatalog, der nur Kennzahlen mit signifikantem Effekt auf den Unternehmenserfolg enthält, daneben aber auch die Wirkungsrichtung und die Stärke dieses Effekts. Derart unternehmensindividuell angepasste Kataloge machen es möglich, alternative Investitionen in das Humankapital miteinander zu vergleichen und schließlich den Wert der Personalarbeit und der Personalausgaben ihren Kosten gegenüberzustellen. Erst dadurch werden sie wertvolle Instrumente sowohl für das operative Personalmanagement als auch für die Entwicklung grundsätzlicher Personal- und Unternehmensstrategien.

Quelle: personal manager 2/2005