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Foto von bruce mars
Herr Horx, Sie zählen zu den wenigen Menschen, die gerne in die Zukunft blicken. Die Welt verändert sich, aber sie wird nicht schlechter, lautet Ihre Grundüberzeugung. Auch die Arbeitswelt ist in Bewegung. Sie sagen, dass Globalisierung und Technologie die Arbeit „verflüssigen“. Was meinen Sie damit?
Ich meine damit, dass sich die alten, oft männlich geprägten Berufs-Biographien, in denen eine „Aus-Bildung“ zu einem oft lebenslangen Arbeits“platz“ führte, sich dem Ende zuneigt. Arbeit erhebt sich in mehreren Dimensionen von den Plätzen. Sie wird mobiler, vielschichtiger, spannender, bisweilen auch anstrengender. Während andere Länder auf der Erde derzeit ein Arbeitsmodell entwickeln, das unserer alten Industriegesellschaft sehr ähnelt, müssen wir uns weiterbewegen - in komplexere Wertschöpfungen und Tätigkeiten hinein. In ihr herrschen Teamwork, Lernlust, Flexibilität, alles anstrengende, aber auch spannende Entwicklungen. Ich interpretiere es als die Chance zur Emanzipation des Menschen von der Fron der alten Arbeitswelt mit ihren Abhängigkeiten und Reduzierungen des Menschen auf Funktionen.

Sie plädieren aber auch dafür, die erhöhte Veränderungsbereitschaft mit sozialer Sicherheit zu verbinden und empfehlen in diesem Zusammenhang das Konzept der Flexicurity. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Wir müssen die Aspekte der Sicherheit mit der Flexibilität vereinen, das drückt dieser Begriff aus. Wer sich selbst kennt, wer seine Fähigkeiten entfaltet, der weiß, dass sein Berufsweg nicht von einer „Stelle“ abhängig ist. Wir brauchen auch ein Sozialsystem, das nicht ständig neue Abhängigkeiten erzeugt, sondern die Menschen „empowert“. Das kann teurer und aufwendiger sein als das alte Sozialsystem, das im Wesentlichen auf “Ruhigstellung durch Geldtransfer“ beruhte. In Dänemark kann man das sehen: Wer dort arbeitslos wird, bekommt keine „Stütze“, sondern wird sofort trainiert und dabei unterstützt, seine Fähigkeiten zu verändern und weiter zu entwickeln.

Früher galt der Satz „Arbeit ist das halbe Leben“. Da Arbeit immer komplexer und kreativer wird und damit immer schwerer einzugrenzen ist, muss es künftig wohl eher heißen: „Arbeit ist das ganze Leben“. Das klingt nach pausenloser Belastung und stellt die Work-Life-Balance auf den Kopf, oder?
Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps, wie mein Vater sagte - das war die alte, die strikt separierte Arbeitswelt. Heute und in Zukunft trinken wir eher den Wein der Erkenntnis in beiden Welten: Privatleben und Arbeit können und müssen sich nicht mehr diametral gegenüberstehen, sie können sich auch gegenseitig befruchten. Es geht eher um den Begriff des „flows“. In der alten Arbeitswelt waren die Grenzen oft starr - hier fremdbestimmte Arbeit, dort Freizeit und Familie. Aber das führte auch zu einem „eisernen Vorhang“ zwischen der personalen Welt der Menschen und der Arbeitswelt. Weil die Frauen jetzt auch bis in die Führungsetagen vorrücken, werden wir andere Work-Life-Balances entwickeln. Ein kluges Unternehmen weiß, das lange Arbeitszeiten auf Dauer die Menschen nicht produktiver machen, im Gegenteil. Ein Zukunftsunternehmen weiß, dass Menschen, die mit ihrem Leben zurechtkommen - im Sinne des „coping“ - hochmotiviert und leistungsfähig sind. Dazu gehören Themen wie Familienfreundlichkeit, Sabbaticals, Gesundheitsfürsorge, ebenso wie die Frage der „Beutebeteiligung“. Wenn Unternehmen sagenhaft Geld verdienen, sollten die Mitarbeiter auch sagenhaft davon mitprofitieren.

Was raten Sie jungen Menschen, die vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen? Sind Karrieren heutzutage überhaupt noch planbar?
Ich empfinde den Begriff der „Karriere“ als problematisch, weil er davon ausgeht, dass wir in einer klassischen Stufenleiter-Hierarchie einfach nur linear „hochklettern“ können. Aber das ist nicht mehr so. Für einige Jahre wollen wir vielleicht ranklotzen, dann müssen wir wieder eine andere Gangart, einen anderen Horizont finden, vielleicht das Tätigkeitsfeld ändern, im Außendienst arbeiten, im Ausland, uns weiterbilden, wie auch immer. Dieser Modus-Wechsel ist das Geheimnis einer gelungen Berufsbiographie.

Was bedeuten die Entwicklungen in der Arbeitswelt für Personalverantwortliche?
Personalverantwortliche waren bislang oft Verwalter klassischer Arbeitsverhältnisse. Eine Art firmeninternes Arbeitsamt. In Zukunft werden sie „Human Management“ betreiben - es geht dabei um „Menschenarbeit“ in einem genuinen Sinne. Letztlich geht es um eine Verschmelzung des Bildungssektors mit dem Arbeitssektor, und es ist kein Zufall, dass viele Firmen ihre Hauptzentrale „Campus“ nennen.
Personalverantwortliche sind in Zukunft „Spirituelle“ - sie müssen den „Spirit“ des Unternehmens entwickeln und mit der Humanressource synchronisieren. Das geht natürlich nur, wenn das ganze Unternehmen so tickt, also auch der Vorstand. Eigentlich muss die Führung eines Unternehmens der Personalvorstand SEIN. Und in guten Unternehmen ist das heute schon so.



Interview:
Petra Jauch

Quelle: personal manager 5/2007