man and women gathered around a table
Foto von You X Ventures

Herausforderung Digitalisierung und Fachkräftemangel

Unternehmen sehen sich heute einer Vielzahl neuer Herausforderungen gegenüber. Eine davon ist der Fachkräftemangel. Eine andere die höhere Entgrenzung von Arbeitszeit und Arbeitsort durch die zunehmende Digitalisierung – und damit die Notwendigkeit, dass Unternehmen über Mitarbeiter verfügen, die sich in so hohem Masse mit der Firma und ihren Werten identifizieren – dass sie hochmotiviert und kreativ ihre Arbeit zunehmend eigenverantwortlich, selbstbestimmt und mobil erledigen. Doch die Sache hat einen Haken: All die vorgenannten Anforderungen muss man auch fördern – ebenso wie Loyalität gegenüber der Firma. Loyalität ist nicht von vorneherein in Mitarbeitern vorhanden – und vor allen Dingen ist sie nicht allein vom Gehalt abhängig.

Geld allein schafft keinen Unternehmenswert wie „Loyalität“

Die Tage, als Unternehmen mit einem guten Gehalt lockten – und damit im Gegenzug mit hoher Loyalität und Einsatz rechnen durften, sind gezählt. Ob diese Relation je ausschließlich herstellbar war, sei ohnehin dahingestellt. Doch eine neue Studie von „Angestellte Schweiz, die zwischen dem 13. und 18. Juni über das Meinungsforschungsinstitut Demoscope in der Deutsch- und Westschweiz durchgeführt wurde, brachte zutage, dass zunehmend andere Motivationen und Gründe die Arbeitsleistung vorantreiben und das Zugehörigkeitsgefühl zu Firmen und Werten bestimmen als noch in den 80gern und 90gern: Heute muss die Work-Life-Balance stimmen. Die Arbeit soll Sinn stiften. Die Mitarbeiter möchten mitgestalten und etwas unter Gleichgesinnten bewirken können. Und sie möchten sich weiterentwickeln können. Diese Ergebnisse korrelieren mit internationalen Studien wie der „Millennial Women-Studie (siehe Artikel).

Unternehmenskultur mit Sinn und Mitgestaltung wirklich leben

So befindet der Geschäftsführer von Angestellte Schweiz, Stefan Studer, dass Schweizer Unternehmen noch einige Hausaufgaben zu erledigen hätten: “Es reicht nicht, einen schönen Satz über Loyalität ins Leitbild zu schreiben. Wertschätzung und Respekt muss gelebte Firmenkultur sein.“ Das heisst zum einen, dass sich die Firmenkultur daran messen lassen sollte, wie respektvoll, offen, aufrichtig, konstruktiv, sach- und positiv-problemlösungsbezogen kommuniziert und Kritikfähigkeit gelebt werde. Das heisst zum anderen: Loyalität ist ein Unternehmenswert. Wenn die Geschäftsführung Loyalität erwarte, müssen sie sie vorleben.

Loyalität – ein echter Unternehmenswert – in Punkten gemessen

Gerade junge Mitarbeiter, aufstrebende Talente und hochqualifizierte, hochdotierte Fachkräfte suchen sich bald eine neue Arbeit und sind schnell bei der Konkurrenz – wenn Arbeitsumfeld, Sinnhaftigkeit und Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf nicht stimmen. In der Umfrage „wie loyal sie gegenüber ihrer Firma seien“ erzielten die 15- bis 34-Jährigen mit 3,55 Punkten den tiefsten, die über 55-Jährigen mit 3,73 Punkten den höchsten Wert. Die Skala reichte von 1 (gar nicht loyal) bis 4 (sehr loyal).

Auch zeigte sich, dass Fachspezialisten ohne Kaderstelle mit 3,46 Punkten weniger loyal zu ihrer Firma stehen als die Geschäftsleitung. Mitglieder der Geschäftsleitung erreichten mit 3,90 nahezu das Maximum an Loyalitätspunkten. Sie übertrafen damit sogar die Selbstständigen (3,85) in deren Loyalität zum eigenen Unternehmen.

Ältere und weniger gut ausgebildete Angestellte blieben dagegen länger beim Arbeitgeber und zeigten sich loyaler. Dieser Generationsbruch scheint hier noch die „alten Werte“ wie „Durchhalten, Funktionieren, Präsenz zeigen“ zu offenbaren, die noch zu den „älteren“ Arbeitsanforderungen passen, die seit der Industrialisierung herrschen. Die Zahlen zeigen allerdings nicht, ob die höhere Loyalität tatsächlich immer in vollem Masse empfunden wird und sich aus entsprechenden Werte-Quellen speist, oder ob die Angestellten lediglich resigniert haben und in „innerer Kündigung“ Dienst nach Vorschrift machen – oder ob die älteren und weniger ausgebildeten Arbeitnehmer auch daher „loyal“ bei einem Unternehmen bleiben, weil ihnen bewusst ist, dass sie auf dem Arbeitsmarkt sonst weniger Chancen hätten.

Was Firmen tun können, um Loyalität zu erhöhen

Ehrlichkeit, Respekt, Neugier, Offenheit und Konsequenz zählen: Viele Ideen, die von Mitarbeitern entwickelt werden und die zu mehr Effizienz und Einsparungen führen könnten und Innovationen den Weg bereiten könnten, scheitern an festen, alten, undurchdringlichen Hierarchien. Daher kamen in der Vergangenheit viele Mitarbeiter zu dem Schluss, die Führungskräfte könnten mit ihren Ideen nicht viel anfangen und ihre Vorschläge seien nicht erwünscht  – und manche Vorgesetzte liessen u.U. tatsächlich Ideen im Sande verlaufen, wenn sie nicht ad hoc der eigenen Karriere förderlich waren. Die eine Firma versucht, dieses „Festhalten“ am Stuhl durch gewählte Führungskräfte und offenes Aushandeln von Gehältern anzugehen. In anderen Firmen umgehen Führungskräfte offen „revolutionär“ die „Kästchen im Organigramm“ und rufen Mitarbeiter direkt an. Andere richten offene Ideen-Börsen und Pinwände im Intranet ein – oder führen eine Mitarbeitersprechstunde – oder eine Mitarbeiter-Chef-Twitterrunde ein.

Änderungen wirklich zu vollziehen, ist ein betriebswirtschaftliches Plus

Wem das alles zu innovativ ist - eines ist zumindest klar: Neugier, Offenheit und Respekt gegenüber den Meinungen und Ideen von Mitarbeitern müssen zunehmend gepflegt werden, wenn man das Innovationspotenzial des eigenen "Humankapitals" ausschöpfen will. Denn im Zeitalter der Digitalisierung gewinnen Ideen und Schnelligkeit ganz klar vor „Abarbeiten des Pensums“. Vor allem sollten Änderungen mit Ehrlichkeit und Konsequenz gelebt werden – eine „offene“ Bürolandschaft ist schnell gekauft und aufgestellt – mit den alten Hierarchien im Bunde wird das trotzdem nicht zu einem offenen Kommunikationsstil führen. Wer nur auf Führungspositionen eine wirklich leistungsgerechte Bezahlung oder sinnvolle Weiterbildung anbietet, wird aufstrebende Talente und Leistungsträger „weiter unten“ frustrieren und verprellen – denn auch sie hätten Förderung verdient: „Mit Führung verdient eine Firma kein Geld – es braucht die Fachkräfte“ so Prof. Benedikt Hackl von der Hochschule Baden-Württemberg im Nachfolgebericht der Süddeutschen Zeitung zur Zukunft Personal 2016. So sind neue Formen von Vergütung gefragt und neue Wege, innerhalb einer Firma Karriere machen zu können – jenseits der klassischen Hierarchien und Pöstchen. Mobile Formen der Projektleitung und modulare Unternehmensformen, wie sie immer häufiger aus den modernen Arbeitsanforderungen heraus entstehen, böten sich dafür an.

Schnelligkeit und Ideen für den rasanten Wandel oder: In der Ruhe liegt die Kraft?

Traditionen hoch zu halten – und sich dabei selbst immer wieder neu zu erfinden in Zeiten des Wandels, das ist die Herausforderung: „Früher haben die großen Firmen die kleinen gefressen“, so Christian Kuhna, Direktor einer Denkfabrik bei Adidas. „Heute fressen die Schnellen die Langsamen.“

Manchmal reicht - entgegen aller Hast - daher ein kleiner Schritt in eine neue Richtung: sich Zeit zu nehmen, den eigenen Mitarbeiten zuzuhören und genau hinzuhören. Das vermittelt Wertschätzung und Respekt. Uralte Werte. Und wenn dann die Ideen kommen – und gemeinsam Umsetzung und Lösungen erarbeitet werden und angemessen vergütet werden (hier kommt dann doch wieder – mit anderem Vorzeichen das Gehalt mit ins Spiel) erwächst aus dieser aktiven wertschätzenden Mitgestaltungs-und Weiterentwicklungsmöglichkeit auch mehr Mitarbeiterzufriedenheit – und letztendlich Loyalität. Es gibt noch Hoffnung.