Um die Verwirrung um das Wort Strategie zu minimieren, kann ein Zitat helfen: «Eine gute Strategie erreicht mehr als uns unseren Zielen und Visionen näherzubringen. Sie erkennt die real existierenden Herausforderungen an und bietet Ansätze, diese zu bewältigen» (Richard Rumelt in Good Strategy/Bad Strategy). Im Entsendungsbereich findet eine Strategie ihren Ausdruck in den Entsendungsrichtlinien, der Struktur und dem Aufbau der Entsendungsabteilung sowie den Prozessen. Diese drei Bereiche müssen innerhalb einer Strategie aufeinander abgestimmt werden.

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Foto von Austin Distel

Für die Definition der Entsendungsstrategie  ist es notwendig, zahlreiche Faktoren in Betracht zu ziehen, auf denen es aufbaut. Es sollte nicht überraschen, dass jedes Unternehmen eine einzigartige Strategie braucht, wenn man diese vielen verschiedenen Einflussfaktoren betrachtet.

Ziele und Strategie definieren

Ziele, Werte, Visionen und Missionen, HRStrategie: Was auch immer vorhanden ist, Ziele und dazugehörige Strategien zu definieren ist relevant, um Rückschlüsse auf die Ziele und Prioritäten einer Strategie zu identifizieren. Es ist unter anderem wichtig, die Einstellung des Unternehmens zu Kosten und Risiken herauszuarbeiten und auch ein Verständnis für die zukünftigen Expansionspläne zu erlangen. Viele verschiedene Parteien verfolgen unterschiedliche Interessen im Zusammenhang mit Entsendungen. Beispiele sind HR, Talent Management, Workforce Planning und weitere relevante Funktionen (Steuern, Recht etc.). Sowohl die gegenwärtigen als auch die zukünftigen Entsendeten dürfen nicht vergessen werden. Umfragen und Fokusgruppen oder auch nur ein Tag mit allen Stakeholdern am Tisch helfen zu verstehen, was in der Vergangenheit funktioniert hat und was verbesserungswürdig ist.

Aus welchen Gründen und für welchen Zweck werden Mitarbeiter ins Ausland entsendet? Es muss verstanden werden, was die verschiedenen Gruppen auszeichnet und wie sie sich unterscheiden. Das hilft bei der Formulierung der verschiedenen Typen von Entsendungsrichtlinien, um einerseits Flexibilität und anderseits eine konsistente Behandlung der Entsendeten innerhalb einer Richtlinie zu erreichen. Entsendungsrichtlinien haben sich traditionell auf Basis der Entsendungsdauer unterschieden. Heutzutage gibt es weitaus mehr Unterscheidungsgründe und entsprechende Richtlinien, die auf dem Business Case für eine Entsendung basieren. Man einigt sich zunehmend darauf, dass das Entsendungsmanagement innerhalb von Talent Management die Rolle wahrnimmt, Mitarbeiter zu entwickeln und am richtigen Ort einzusetzen. Die Selektion von Entsendeten, Performance- und Karriere Management, Unterstützung nach der Repatriierung sowie KPI‘s und RoI‘s sind die Themen, die behandelt werden sollten, wenn sich der Entsendungsbereich und Talent Management miteinander austauschen. Es ist notwendig, die Entsendungsstrategie mit den Zielen des Talent Managements abzugleichen

Komplexes Handlungsfeld

Wenn man seine gegenwärtigen Kompetenzen und Ressourcen im Entsendungsbereich betrachtet, kann man feststellen, mit welchem Grad an Komplexität man zurechtkommen kann. Man kann aber auch entscheiden, die Struktur oder auch den Mix zwischen in-house und outsourcten Tätigkeiten der notwendigen Komplexität anzupassen. Die Wettbewerbsfähigkeit ist aus zwei Perspektiven zu betrachten. Unternehmen sind üblicherweise an Profit orientiert und müssen  daher wettbewerbsfähig und kostenbewusst sein. Zum anderen spielen wettbewerbsfähige Richtlinien eine Rolle für die Attraktivität einer Entsendung aus Sicht des Mitarbeiters. Mithilfe von Benchmarks und Trends kann eine wettbewerbsfähige Richtlinie sichergestellt werden.

Trends und Herausforderungen

Zu den gängigen Trends im Entsendungsmanagement zählen unter anderem beispielsweise Wachstumsmärkte, steigende Anforderungen an Compliance, Kostendruck, demografischer Wandel (Gen Y und  berufstätige Partner), die Einbindung von Talent Management und Sicherheit auf Reisen. Es ist notwendig, genau zu identifizieren, welche Trends von Relevanz für  das eigene Entsendungsprogramm sind, um die daraus resultierenden Herausforderungen für die Entwicklung der Strategie zu formulieren. Von Peter Drucker stammt der berühmte Satz: «Die Kultur verspeist die Strategie zum Frühstück.» Alle Entscheidungen, die auf dem Weg zu einer erfolgreichen Strategie getroffen werden, müssen unbedingt zur Unternehmenskultur passen. Oftmals hilft die Frage, wie Entsendungen innerhalb eines Unternehmens wahrgenommen werden. Die Bandbreite der Antworten in unterschiedlichen Unternehmen reicht von «eine gute Möglichkeit, mehr zu verdienen» bis hin zu «eine grossartige Karrieremöglichkeit». Unternehmen unterscheiden sich voneinander und somit auch die Unternehmenskulturen.

Alle der genannten Einflussfaktoren müssen während einer Strategieentwicklung beachtet und aufeinander abgestimmt werden, um zu einem erfolgreichen Entsendungsprogramm zu gelangen, das einen Beitrag zum Geschäftserfolg leistet und auch als strategischer Business Partner Anerkennung findet. Die Erfahrung zeigt, dass  es oftmals viel einfacher ist, als es bei den vielen zu berücksichtigenden Faktoren zu erwarten wäre, eine auf das Unternehmen abgestimmte Entsendungsstrategie zu entwickeln.

Das Wissen um viele der Faktoren ist in den meisten Fällen bereits in-house vorhanden und kann in Kombination mit Wissen um Trends und Benchmarks genutzt werden. Bei der strategischen Ausrichtung des Entsendungsbereichs muss zuerst eine Strategie definiert werden, welche die obigen  Faktoren berücksichtigt. Diese Faktoren sind allerdings auch zu berücksichtigen, wenn es sich nur um den periodischen Review von Entsendungsrichtlinien handelt. Und bei jedem Entsendungsprogramm, das bereits strategisch ausgerichtet ist, kann man die Faktoren überprüfen, ob sie berücksichtigt wurden und die Herausforderungen zur Zeit der Entwicklung immer noch die aktuellen darstellen.

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Quelle: persorama – Magazin der Schweizerischen Gesellschaft für Human Resources Management | Nr. 4, Winter 2015