Aussage 1: Ältere sind teuer und sollen Platz für Jüngere machen.
Aussage 2: Beschäftigte sollen länger arbeiten, denn die Pensionsgrenze wird heraufgesetzt.

person using laptop
Foto von Thomas Lefebvre

Ist es nicht paradox? Einerseits versuchen wir, das Älterwerden abzuschaffen. Die Spitzenmedizin verspricht lange Gesundheit und jugendliche Fitness bis in die späten Jahre hinein. Alter und damit ältere Organisationsmitglieder sollen kein Thema mehr sein. Gutmeinende Firmen sprechen nicht über das Alter von MitarbeiterInnen, sondern über deren Kompetenzen. Allerdings ist die Gehaltsverteilung – junge und ältere Organisationsmitglieder –  asymmetrisch. Firmen wollen von der Bezahlung her „teuere“ Ältere loswerden.  Gleichzeitig wird man allerdings damit auch Kompetenzen und Erfahrungen leider „los“, die man eigentlich nicht verlieren möchte. Hier spricht man von nicht intendierten Nebenfolgen. Allerdings: Jüngere MitarbeiterInnen sind „billiger“,  aber wenn man lediglich aus vordergründigen höheren Kosten an die Reduktion des älteren Personals denkt, ist diese Entscheidung paradox. Dazu kommt der gesellschaftliche Druck, Beschäftigte sollen länger arbeiten und das ist besonders paradox auf der personalen Seite: Viele wollen länger arbeiten, dürfen aber nicht. Viele wollen früher aufhören zu arbeiten, sollen es aber in Zukunft nicht mehr dürfen. Eine derzeit völlig falsch geführte Diskussion, wie man mit dem sogenannten „Aging“ in Organisationen aus HR-Perspektive umgehen soll.   Die Lösung liegt darin, Alter als das zu akzeptieren, wie es sich beim Einzelnen zeigt und entsprechende sind  Lösungen sind vom HRM zu entwickeln.  

Ein weiteres Beispiel liegt im Umgang mit Zeit begründet. Wenn im Folgenden auch von Technik die Rede ist, so geht es doch um Zeit. Denn alle Technik will zumeist die Schallmauern der Zeit durchbrechen.

Aussage 1: Frauen verdienen zu wenig.  
Aussage 2: CEOs sind gierig geworden, sie verdienen zu viel.

Wer diese Aussagen im Joballtag so nebeneinander stehen lässt, läuft Gefahr, einem Paradoxon aufzusitzen. Fakt ist, dass Frauen laut Statistik tatsächlich in einigen Bereichen zu wenig verdienen und in vielen Bereichen weniger als Männer. Doch sollen sie so viel verdienen, wie die Mehrheit der Beschäftigten es gierigen ManagerInnen eigentlich nicht mehr gestatten möchte? Top-Gehälter vermitteln Einzelnen unvorstellbar viel Geld, das eigentlich mit kaum einer strategischen Kunst aufgewogen werden kann. Und wie berücksichtigt so ein Top-Gehalt eigentlich den Beitrag der Beschäftigten? Heißt es nicht immer, dass Viele ein Ganzes ergeben? Wer darüber einmal nachdenkt, findet auch Lösungen, die speziell für sein Unternehmen passen.

Ein weiteres Beispiel betrifft die Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen. Wieder kombinieren wir zwei Aussagen:

Aussage 1: Mir fehlen Pausen, um den PC abzudrehen.
Aussage 2: Ich entspanne am Besten vor TV, Laptop oder am Ipod.

Der PC läuft permanent. Die Mittagspause kommt. Word und Outlook werden geschlossen und Youtube oder eine „live stream“ Sportübertragung werden im Internet für die kommende halbe Stunde aufgerufen. Rockkonzert mit Junk-Food am Laptop. Vielleicht ein Blick zu den „FreundInnen“ im Facebook… Danach geht es weiter mit dem Beantworten von Emails, Erstellung von PowerPoint-Slides, Layouten von Zeitschriften und Katalogen etc. Am Abend ersetzt – wenn überhaupt – TV  das Notebook. Wo war die Pause – vor allem auch die Zeit zur Reflexion und die Zeit für „nicht virtuelle“ Communities?

 

 

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Aussage 1: Uns fehlt Zeit, darum brauchen wir mehr Technologie, die Prozesse beschleunigt.
Aussage 2: Die Technologie flutet uns mit Informationen, wir haben keine Zeit mehr.

Wer Multitasking beherrscht ist KönigIn. Multitasking gilt als Vorbild in einer Arbeitskultur, die auf Parallelitäten basiert. Viele Frauen können es gut, Führungskräfte sollten es können, heißt es landläufig. Wer an drei Aufgaben gleichzeitig arbeitet, spart Zeit; als würden dieselben Ohren, die eine Radiosendung hören, zugleich zwei andere verfolgen oder man sieht drei Filme im TV zur gleichen Zeit oder man schaut sich drei Theaterstücke in einem Theater auf einer Bühne zugleich an. Paradox, oder? Technologie soll dieses nötige zweite oder gar dritte Paar Ohren stellen: Laptop, iphone, ipad, Apps, Mailsysteme – alles kann gleichzeitig einwirken. Dazu mehrere Email-Informationen und Handlungsanweisungen. Das tut die IT bisweilen auch gleichzeitig, nur müssen die Informationen/ Anweisungen/ Ergebnisse auch verarbeitet werden. Am Ende fällt keine Arbeit komplett weg, sondern es kommt konsequenterweise weitere hinzu. Inzwischen hat auch die Welt der IT ihr eigenes Leben entwickelt, denn sie passt sich den Arbeitswelten nicht an, sondern gestaltet sie bis hin zu „unlimited worktime“.

Es gibt keine Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Alle wollen immer „On Air“ sein und vom Angebot her entscheidet der/die einzelne AnwenderIn, was davon ihm/ihr speziell in seiner/ihrer Profession nützt. Und es gibt wenig Konzepte und Richtlinien, wie Multitasking zu organisieren sei, sondern der/die MitarbeiterIn hat zu entscheiden und hat die Komplexität zu brechen und über die Prioritäten zu entscheiden. Kurzum: es bleibt keine Zeit für die Zeit! Wie gesundheitlich bedrohend dieser Druck sein kann, ist derzeit in Gesundheitsberichten von Krankenkassen und Interessensvertretungen nachzulesen und die Krankheitsbedrohung „burn-out“ ist in aller Munde.

Aussage 1: Wir brauchen viele Fachkräfte und wollen daher MitarbeiterInnen binden.
Aussage 2: Wir brauchen flexible Beschäftigungsmodelle, um als Unternehmen bestehen zu können.

Längst sind sich alle ExpertInnen einig, dass Unternehmen MitarbeiterInnen zu binden haben (Stichworte „keeping the best“ und „war for talents“) und in Personalentwicklung investieren müssen, um auch künftig ihren Fach- und Führungskräftebedarf zu decken. Unter dieser Maßgabe geht es nicht mehr darum, so genannte Low Performer mit völlig absurden Methoden zu identifizieren und via engerer Auswahl MitarbeiterInnen zu Höchstleistungen zu treiben. Noch dazu, wenn die reale Furcht vor Jobverlust zum Treiber dessen wird. Man weiß: Indem MitarbeiterInnen sich mit den Unternehmenszielen identifizieren und sich damit als MitunternehmerInnen  engagieren – die Unternehmenssache wird zu ihrer – bleiben sie loyal und bleiben im Job hochengagiert am Ball. Dennoch müssen einerseits viele Menschen – auch AkademikerInnen (!) – in unerträglicher Geringfügigkeit und vorerst – auch unbezahlte (!) – PraktikantInnen arbeiten. Ist es nicht völlig normal, dass diese Menschen zuerst an ihre Zukunft denken? Andernfalls fallen sie der Gemeinschaft zur Last, wie man es im Volksmund nennt. Sie können unter diesen Bedingungen nicht Diener zweier Frauen/Herren sein, geschweige denn als Frauen/Herren selbst auftreten. Wer die genannten Aussagen nicht gegeneinander abwiegt, sondern bestehen lässt, wird in seiner Personalstrategie in Widersprüchlichkeiten stecken bleiben und eben nicht mit seinen Beschäftigten an einem Strang ziehen.

Aus diesem Beispiel lässt sich ein weiteres ableiten:

Aussage 1: Wir müssen angesichts der Bewegung im Markt flexibler werden.
Aussage 2: Wir brauchen angesichts sich ständig verändernder Parameter dringend Stabilität.
   
Die Krux in der Kombination dieser Aussagenpaare liegt darin, dass vermeintlich nur der eine oder andere Satz richtig sein kann. Ein Dilemma also! Nicht wirklich, denn beides – sowohl Stabilität als auch Flexibilität – ist das Leben. So wie Menschen erst mit Entspannung und Spannung leistungsfähig werden, so brauchen Unternehmen und Beschäftigte Stabilität und Flexibilität. Falsch wird der Umgang mit den Sätzen immer dann, wenn sie absolut gesetzt werden. Im einen Fall folgt Stagnation, im anderen Chaos. Die Lösung liegt im Begriff „und“. Selbstverständlich macht es Mühe, zu bestimmen, wo Beschäftigte oder Jobs flexibel sein sollen und wo sie Stabilität und Routine brauchen.

Dies zu leisten, ist Aufgabe von Management und HR-Management. Allerdings befinden wir uns schon länger und aktuell in einer Zeit, wo in Wirtschaftskreisen fast ausschließlich „Change Prozesse“ verlangt werden. Stabilisierende Faktoren stehen derzeit im Schatten dessen. Im HR-Management könnte diese Stabilität für MitarbeiterInnen durch Prognostizierbarkeit und Perspektive im Job durch vielfältig angebotene Karrierepfade mit differenzierten Möglichkeiten in ein und derselben Organisation,  durch realistisches Kompetenzmanagement aber auch über Work-Life-Balance-Angebote zurückgewonnen werden.

Henne oder Ei? Umfeld oder Person? Wer erzeugt oder verändert eigentlich wen? Die Lösung: Beides bedingt sich gegenseitig. Derzeit gibt es solche Interdependenzen, die die Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft langfristig bremsen, ja stören werden, auch wenn aktuell scheinbar viele Vorteile überwiegen. Woran liegt das? Politisch und wirtschaftlich werden und wurden Rahmen gesprengt: Deregulierung der Finanzmärkte, Neudefinition staatlicher Zuständigkeiten, Change-Prozesse in der Wirtschaft sind nur einige Schlagworte dafür. In weiterem Sinne bedeutet das jedoch entfesselte Fakten, Informationen, Strukturen. Nicht umsonst ist die Bewältigung der Informationsflut heutzutage ein Leitthema in Presse, Management und Personalarbeit.

Die gute Nachricht: Rahmen brechen nicht, sie verrutschen. Henne mit Ei: Das eine bedingt das andere. Mit anderen Worten: Rahmen müssen heute neu gesteckt werden. Das lässt sich elegant mit Hausaufgaben verbinden. Paradoxien, Asymmetrien und Dilemmata sind die Anker, die teilweise gehoben werden müssen, um Rahmen so zu setzen, dass Energien frei werden, sich Informationen sinnvoll strukturieren.

Dazu eine kleine Begriffskunde: Dilemmata sind  Zwangssituationen, die bisweilen unlösbar sind. Asymmetrien sind Ungleichmäßigkeiten und  als Paradoxon bezeichnet man eine unsinnige Aussage, die aber – um zwei Ecken gedacht – einen tiefere Bedeutung hat.    

Das Personalmanagement bewegt sich täglich unter dem Gestirn dieser drei Begriffe. Diese prägen den Alltag von Unternehmen. Wer sich mit ihnen auseinandersetzt, findet neue Griffe an glatt und breit  diskutierten Human Resource-Fragen. Sie erscheinen in neuem Licht: Brauchen wir eine Frauenquote? Wer sollte was verdienen? Wie nützen neue Technologien am Arbeitsplatz? Brauchen wir noch mehr Change in unseren Unternehmen? Was machen wir mit der Informationsflut in Unternehmen? Wie flexibel sollten unsere MitarbeiterInnen sein?

Wie funktioniert das Umsetzen von Ankern? Am schnellsten, indem wir zwei Aussagen miteinander konfrontieren. Die Kombination führt zur Differenzierung. Zum Beispiel so: